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Das war gut! Das Festival der schlechten Texte beim Gernsehen

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Fulda. Lesungen sind in der Regel seriöse Veranstaltungen. Nicht so wenn eine solche Literatur-Veranstaltung im Rahmen der beliebten Dinner-Show-Reihe „Gernsehen und Abendessen“ stattfindet und dann auch noch mit dem Titel „Festival der schlechten Texte“ angekündigt wird. Dann ist so ein Abend eine äußerst unterhaltsame Veranstaltung, bei der ein ernsthafter Autor wie der Fuldaer Schriftsteller Guido Rohm, der bisher für harte Thriller und Horror-Geschichten wie „Blutschneise“, „Blut ist ein Fluss“, „Untat“ u.v.m. bekannt ist, sich nicht zu schade ist, in vier verschiedene Rollen zu schlüpfen inklusive der dazugehörigen Verkleidungen und auf überzeugende Weise absurde und grotesk-komische Geschichten vorzutragen, die ganz neue Facetten seines Könnens offenbaren.

Z.B. als angeblicher Russisch-Übersetzer Ulf Uschmann, der aus den Tagebüchern eines unbekannten Autoren im Russland Dostojewskis haarsträubende Bekenntnisse vorträgt, oder als Ian Lemming, Autor von abstrusen Agenten-Thrillern, bei denen der Aston Martin der weiblichen Hauptfigur wirklich mit allem ausgestattet ist, sogar mit Badezimmer und begehbarem Kleiderschrank! Als wäre das noch nicht genug, kam Rohm dann nach dem Hauptgang tatsächlich in Frauenkleidern als britische „Möchtegern-Autorin“ Ute Paulsen. Ein Brüller, wie diese Dame aus dem Hochadel alle Klischees über britische Noblesse und Kitsch von Autorinnen à la Rosamunde Pilcher auseinandernahm. Und wer dachte, damit sei schon der Höhepunkt erreicht, der durfte nach dem Dessert Raimund Wendler lauschen, einer schmierigen Figur aus einem typischem 50er Jahre Krimi, der dann noch einmal richtig beim Publikum abräumte. Lachsalven schüttelten die Zuschauer und folgerichtig bekam er dann auch den Preis für den besten schlechtesten Text des Abends überreicht.

Denn das war die andere Seite des Abends. Das Spiel mit den Bewertungen „gut“ und „schlecht“ führte dazu, dass man sich ganz automatisch fragte: Was ist eigentlich ein schlechter Text und was ein guter und wer entscheidet das? Entertainerin Marianne Blum, die wie immer auf elegant-bissige Weise in den Abend einführte, brachte es auf den Punkt: Jeder Hinterwäldler nennt sich heute „Künstler der Extraklasse“ und selbst unfassbar niveaulose Veranstaltungen werden als „Mega-Shows“ mit „ganz besonderen Künstlern“ angekündigt, folgerichtig müsse man ein Festival, das wirklich gute Künstler und gute Texte präsentiere „schlecht“ nennen, um sich abzusetzen. Denn, so Blum, „Autoren, die schlechte Texte schreiben, merken das ja gar nicht. Sie halten sich für die Besten und glauben, dass sie bisher nur durch Zufall vom Nobelpreis-Komitee übersehen wurden.“ Den Zweifel dagegen hob sie als wahren Qualitäts-Ausweis hervor.

Ob Guido Rohm zweifelt, ist nicht bekannt, aber seine komischen Texte und sein gelungener Vortrag zeigten zweifelsfrei, dass die Leute, die sich von der Ankündigung „Festival der schlechten Texte“ haben ansprechen lassen und zu diesem Mittwochabend in den Museumskeller gekommen sind, eine richtige Entscheidung getroffen haben und sehr gute Literatur und eine sehr gute Show erleben durften. Dazu trug auch die Gastgeberin bei, die die jeweiligen Sets mit einem wunderbar gesungenen Lied einleitete, das gleich die richtige Stimmung erzeugte und für den Gänsehaut-Faktor sorgte. Das i-Tüpfelchen war dann noch das auf die jeweiligen Autoren abgestimmten Menü.

Kurz: Man kann sich nur wünschen, dass es in Zukunft eine Fortsetzung des Festivals gibt. (Text: Stephanie Metzger, Fotos: Christian Reinhardt)

Die Weihnachts-Ausgabe „Gernsehen und Abendessen“ findet am 17.12.14 statt, allerdings ist die Show mit dem Titel „Die Bescherung und die schläden Engel“ bereits ausverkauft. Derzeit wird geprüft, ob ein Zusatztermin stattfinden wird. Infos unter 0661-240230 oder online: catering@kreuz.com

 

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