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Lasst den Friedhof bitte im Dorf – Zur Friedwald- und Ruheforstdebatte am Beispiel von Hanau

Hanau. Friedwald in Hanau und Ruheforst in den Wäldern der ehemaligen Amerikanischen Kasernen ließen die Debatte in Hanau anfänglich hochkochen und erstes parteiübergreifendes Verständnis für den angeblichen Willen der Bürgerinnen und Bürger, lassen „alternative Bestattungsformen“ ins städtische Parlament einziehen. Aber: sägt da nicht die Stadt an ihrem eignen Ast? Muss nicht eine Kommune für jeden Bürger, der in ihren Grenzen gelebt hat, im Todesfall ein Grab zur Verfügung stellen?

Das bedeutet, dass städtische Friedhöfe so ausgelegt sein müssen, dass jeder Bürger und jede Bürgerin eine Grabfläche bekommen kann. Und dazu werden Wegflächen und Rasen gepflegt, auf Kosten der Bürger und nun sollen sich jeder sich entscheiden können, ob er davon gebrauch macht oder nicht und sich gegebenenfalls im städtischen Wald beisetzten lassen.

In Hanau gibt es innerhalb der städtischen Friedhöfe genügend Alternativen, so die Baumgräber mit Stein und damit Namensgebung, die gerne angenommen werden. Vielleicht könnten noch andere Alternativen geschaffen werden, sogenannte „Rastengräber“, die namentlich gekennzeichnet sind, aber keiner größeren Pflege mehr bedürfen, weil städtische Rastenmäher die Rastenpflege übernehmen.

Warum müssen wir nun wieder vor die Steinzeit (2,6 Millionen Jahr bis 4000 vor unserer heutigen Zeit) gehen, denn in der Steinzeit gab es bereits erste „Gemeinschaftsgrabanlagen“, die als Kultstätten Ausdruck eines solchen Ahnenkultes und damit Glaubens an ein Weiterleben geschaffen haben. Warum müssen wir wieder vor Bonifatius (gelebt 672-754 n.Chr.), der mit Fällung der Dona – Eiche zeigen wollte, dass die Toten uns nichts antun, wenn wir ihre Kultstätten stören.

Er hat –so die Tradition des Christentums- die Gräber in unsere Dörfer geholt, denn Kirchen waren und sind eigentlich heute noch Grabstätten. Im Urlaub besuchen viele Touristen solche Grabstätten und begeistern sich für die kunstvollen Grabstätten besonderer Menschen, die wir Heilige nennen. Es sind nichts anderes als Grabstätten.

Und wer denkt an die Hinterbliebenen, die zur Grabstätte ihres geliebten Angehörigen gehen wollen? Niemand, denn unbefestigte Wege, Dunkelheit und die Naturbelassenheit eines Friedwaldes oder Ruheforstes sind nicht nur Idylle, sondern können auch für ältere Menschen zur Bedrohung werden.

Warum nicht einen „Friedgarten“ schaffen, wie dies z.B. in Düren der Fall ist. . „Die Gemeinschaftsgrabanlage ist eine Form der pflegeleichten Urnengräber. In Düren werden auf zwei Quadraten von jeweils 25 qm je 24 Urnen beigesetzt. Die Namen der Verstorbenen finden ihren Platz auf der zentralen quadratischen Steinsäule. Die Grabflächen sind gemulcht und jeweils mit einer üppigen Blumenschale besetzt, die von der Friedhofsverwaltung gepflegt wird.

Umrahmt ist die gesamte Grabfläche von Nadelbäumen, Rhododendron und verschiedenen Laubbäumen. Sie bieten einen schönen grünen Kontrast zu der in grauem Stein gestalteten Anlage. Persönliche Blumengrüße und Grablichter können die Angehörigen vor der Grabmalsäule ablegen.“ (Quelle: http://www.gemeinschaftsgrab.de).

Dazu wäre durchaus der Wald direkt am Friedhof in Wolfgang geeignet, wenn gute Wege angelegt und Bänke aufgestellt würden. Die vorhandene Kapelle könnte so gut genutzt werden. Gute Busanbindung würde es den Menschen ermöglichen dort hin zu kommen.

Nun sagen viele: das brauchen doch die Menschen nicht, die gar keine Angehörige mehr haben. Hanau war vor gut 5 Jahren in Deutschland Voreiter, als eine Gemeinschaftsgrabanlage in Kleinauheim für Mittellose Menschen, egal ob mit oder Angehörige, geschaffen wurde. Ihre Namen sind auf einer solchen Stele vereint. Sie werden von der Gesellschaft nicht vergessen. Leider ist eine Überbetonung der Individualität, über den Tod hinaus, gerade aus bestimmten Richtungen in Hanau gerade dabei, dieses anfänglich gute Konzept zu zerstören.

Außerdem zeigt sich die Kultur einer Gesellschaft daran, wie sie mit ihren Toten umgeht. Das wussten schon die alten Griechen. Es ist also ein gesellschaftlicher Auftrag, Kollektive Formen der Trauer zu gestalten. Allerseelen und Totensonntag zeigen diese christliche Tradition, Gedenken der Opfer von Krieg und Gewalt sind gesellschaftliche Gemeinschaftsformen der Trauer. Vielleicht müssen unsere Kirchen stärker solche Gemeinschaftsformen wieder pflegen.

Die Katholische Kirche hat hier einen reichhaltigen Schatz an Erfahrungen, die wir durchaus auch unserer modernen Gesellschaft anbieten sollten. Als Trauerbegleiter habe ich vermehrt solche Formen gepflegt und sehe deutlich die Akzeptanz der betroffenen Menschen. Beispiele sind vierteljährliche Trauergottesdienste montags, jährliche Gottesdienste für Menschen, die einen Angehörigen verloren und deshalb ein Paarjubiläum nicht feiern konnten, Gedenkgottesdienste für früh verstorbenen Kinder. Es wäre schön, wenn unsere Kirchen sich gerade dafür öffnen würden und –wie in Mainz seit einigen Jahren schon- eine Gedenkstätte für Menschen ohne Grab schaffen würde. Schon viele Jahre versuche ich, einen solchen Ort in der Stadtpfarrkirche zu schaffen, weil hier täglich hunderte von Menschen zum Gebet und Kerzenanzünden kommen.

Friedparks, eine weitere Alternative, die eine sinnvolle, aber umfriedete Form der Trauerkultur in Wolfgang ermöglichen würden. Worum geht es den Menschen, wenn sie vermeintliche alternative Bestattungsformen für sich und ihre Angehörige suchen? Sie wollen die aufwendige und teilweise kostspielige Grabpflege und Anlage nicht mehr selbst übernehmen. Vielleicht können „Gemeinschaftsformen“ hier Abhilfe schaffen, ohne gleich „das Kind mit dem Bade auszuschütten“ und zu Urformen der Bestattung zurückzukehren.

Es wäre schön, wenn auch die Kirchen –und diekatholische Kirche hat eine gut 2000 jährige Erfahrung im Umgang mit Grabstätten innerhalb ihrer Gebäude – sich einbringen würden. Vielleicht könnten auch vorhandene Kirchen wieder zu Grabstätten werden, wie dies in Düren, (Westfalen) als Kolumbariumskirche der Fall ist.

Lassen wir – bitte! – den Friedhof im Dorf (oder besser: in der Stadt) und kehren nicht zurück zu der Zeit, da Menschen auf der Wanderschaft waren. Wir sind urbanisiert, verstädtert und sollten dies auch in unserer Trauerkultur zum Ausdruck bringen.

Und eines noch: Bitte, liebe Stadtverantwortlichen – sägen Sie nicht an ihrem eigenen finanziellen Ast, denn die vorhandenen Friedhöfe müssen erhalten bleiben, weil sie jedem Bürger und jeder Bürgerin zur Verfügung gestellt werden müssen. Und last but not least der Appell an meine eigene Kirche: Öffnen wir uns für eine gute und menschengemäße Trauerkultur, damit der Glaube an die Auferstehung wieder lebendiger wird.

Werner Gutheil, Trauerbegleiter
Klinikpfarrer am Klinikum Hanau
Ethikberater im Gesundheitswesen
Mitglied der Friedhofskommunion in der Stadt Hanau

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