Logo

Am 1. Juli 2008 tritt Pflegeversicherungsreform in Kraft – Dipl. Pflegewirt Thorsten Roch im Interview

Fulda. Am 1. Juli 2008 tritt die Pflegeversicherungsreform in Kraft. Die Reform soll die Qualität der Pflege verbessern, gute und weniger gute Einrichtungen für Bürgerinnen und Bürger transparent und die erbrachten Leistungen besser vergleichbar machen. Das erhoffen sich zumindest die Politiker, die das Pflegeweiterentwicklungsgesetz im Sommer letzten Jahres auf den Weg gebracht haben. Finanziert wird die Reform durch die Beitragszahler. Ab dem 1. Juli 2008 steigt der Beitragssatz um 0,25 Prozent auf 1,95 Prozent. Welche Konsequenzen die Reform für Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegende hat, darüber spricht Thorsten Roch, Dipl. Pflegewirt und Pflegedienstleiter des HKP-Dienst Häusliche Krankenpflege GmbH Fulda, im Interview mit unserer Redakteurin Dorit Heydenreich.

Was wird sich ab dem 1. Juli 2008 verändern?
T. Roch: „Kurz und knapp gesagt: Es gibt mehr Geld. Die ambulanten Sachleistungsbeträge, die Leistungen für die Tages- und Nachtpflege und das Pflegegeld werden bis 2012 stufenweise angehoben. Die Kurzzeitpflegesätze werden schrittweise erhöht. In der vollstationären Versorgung werden die Stufe III und Stufe III in Härtefällen verändert und auch die Leistungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz im ambulanten häuslichen Bereich – sprich Demenzkranke – werden ausgeweitet.“

Können Sie konkrete Beispiele für die Erhöhungen nennen?
T. Roch: „Bei den ambulanten Sachleistungsbeträgen gab es in Stufe I bisher 384 Euro. In 2008 werden es 420 Euro sein, 2010 dann 440 Euro und im Jahr 2012 sind wir bei 450 Euro. Beispiel Pflegegeld: Das steigt von bisher 205 Euro (Stufe I) auf 235 Euro im Jahr 2012.“

Welche Leistungen gibt es für Demenzkranke im ambulanten Bereich?
T. Roch: „Künftig wird es je nach Betreuungsbedarf einen Grundbetrag und einen erhöhten Betrag geben. Der Betreuungsbetrag steigt von bisher 460 Euro jährlich auf bis zu 100 Euro monatlich (Grundbetrag) bzw. 200 Euro monatlich (erhöhter Betrag), also auf 1200 Euro bzw. 2400 Euro jährlich. Interessant und wichtig ist hierbei die Einführung der sogenannten „Pflegestufe 0“: Einen Anspruch auf die erhöhte Betreuungsleistung haben somit auch Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz ohne eine Pflegestufe – allerdings erst nach Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK).“

Wer kann die Pflegeleistungen in Anspruch nehmen?
T. Roch: „Die Leistungen bekommt, wer mindestens zwei Jahre eingezahlt hat oder familienversichert war. Die Vorversicherungszeit wurde mit der Reform von fünf auf zwei Jahre verkürzt. Es muss natürlich ein entsprechender Antrag bei der Krankenkasse gestellt werden.“

Dauert es nicht sehr lange, bis die Pflegekasse über den Antrag entschieden hat?
T. Roch: „Wer einen Antrag auf Pflegebedürftigkeit gestellt hat, soll künftig spätestens nach fünf Wochen über das Ergebnis von seiner Pflegekasse informiert werden. Eine verkürzte Frist von zwei Wochen gilt, wenn ein pflegender Angehöriger Pflegezeit beantragt hat. In Notsituationen, wenn der Antragsteller beispielsweise im Krankenhaus ist, verkürzt sich die Begutachtungsfrist auf eine Woche. Diese Frist gilt künftig auch für Antragsteller in einem Hospiz oder in ambulanter Palliativversorgung.“

Stichwort „Pflegezeit“ – was verbirgt sich dahinter?
T. Roch: „Mit der Reform wird ein Anspruch auf Pflegezeit eingeführt. Ein Arbeitnehmer, der in einem Betrieb mit mehr als zehn Mitarbeitern beschäftigt ist, kann sich für die Dauer von bis zu sechs Monaten von der Arbeit frei stellen lassen. In der Zeit ist er oder sie sozialversichert, bezieht aber kein Gehalt. Es besteht Kündigungsschutz und die Pflegekasse übernimmt in der Pflegezeit die Beitragszahlung zur Renten- und Arbeitslosenversicherung.“

Das Thema „Pflege“ ist sehr komplex. An wen können sich Pflegebedürftige und Angehörige bei Fragen wenden?
T. Roch: „Ab 1. Januar 2009 besteht ein gesetzlicher Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch einen Pflegeberater. Die Idee ist es, Pflegestützpunkte – ähnlich wie Bürgerbüros – aufzubauen, um dort alle Fragen rund um Pflege, Therapie und Gesundheitsvorsorge durch qualifizierte Fachleute klären zu können. Das Thema „Pflegestützpunkte“ ist hier im Landkreis nicht unumstritten, da es dieses Angebot im Prinzip schon gibt und ineffiziente Doppelstrukturen geschaffen werden könnten. Ich denke, bei den im Landkreis ansässigen Pflegediensten finden Ratsuchende schon jetzt kompetente Ansprechpartner und unbürokratische Unterstützung. Der HKP-Dienst mit Sitz in Künzell nimmt diese Aufgaben jedenfalls schon seit 1994 wahr. Wir erfassen grundsätzlich in einem persönlichen Gespräch den Hilfebedarf und erstellen anhand der Analyse einen individuellen Versorgungsplan für den Pflegebedürftigen. “

Die Reform soll auch die Qualität in der Pflege verbessern. Welche konkreten Maßnahmen sind hier vorgesehen?
T. Roch: „Mittelfristig wird es einen „Pflege-TÜV“ geben. Das heißt, Pflegedienste und Pflegeheime müssen ab dem Jahr 2011 mit regelmäßigen, unangekündigten Kontrollen durch den MDK rechnen. Zudem müssen Qualitätsstandards in der Pflege eingeführt werden und nicht zuletzt sind die Pflegeeinrichtungen dazu aufgefordert, ihre Qualitätsberichte offen zu legen. Alle Maßnahmen werden zu mehr Qualität und Transparenz in der Pflegelandschaft führen.“

Zur Person: Thorsten Roch (33) ist examinierter Altenpfleger und studierter Diplom-Pflegewirt. Er ist seit 2004 Pflegedienstleiter beim HKP-Dienst Häusliche Krankenpflege GmbH mit Sitz in Künzell und koordiniert dort den Einsatz der rund 40 Mitarbeiter. Bei Fragen ist er erreichbar unter: 0661-934400 oder t.roch@hkp-dienst.de

Categories:

Alle Nachrichten, Gesundheit & Medizin