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Am Naturdenkmal „Lindenallee bei den Ritterhöfen“ nagt der Zahn der Zeit

Ehrenberg-Wüstensachsen. Hinter der Naturdenkmalnummer 6.31.166 verbirgt sich ein Name, dessen Klang vor dem inneren Auge stolze Ritter zwischen grünen Bäumen entlang galoppieren lässt: Es geht in der heutigen Folge der Serie über Naturdenkmale im Landkreis Fulda um die „Lindenallee bei den Ritterhöfen“ nahe Wüstensachsen. Tatsächlich kann dieses Phantasiebild der Wirklichkeit entsprochen haben. Hobby-Heimatforscherin Notburga Klüber aus Wüstensachsen vermutet, dass der Ritterhof, der heute an der L 3395 Richtung Oberelsbach liegt, als „Außenstelle“ des Wüstensachsener Schlosses von Karl von Thüngen im 16. Jahrhundert gegründet worden ist. Da war zwar schon das Mittelalter und damit die eigentliche Blütezeit der Ritter zu Ende, dennoch entsprachen die Adeligen, die den Weg benutzten, sicherlich unseren heutigen Vorstellungen von Rittersleuten.

Der jetzt geschotterte Weg war früher gepflastert und führte vom Ritterhof bis zum Schloss, dem bis heute erhaltenen Gebäude neben der Kirche in der Ortsmitte. Doch mit der Umlegung des Wegs im Zuge von Flurbereinigungen in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verschwanden die Linden in Richtung der Ulsterbrücke; „durch menschlichen Unverstand und Kurzsichtigkeit“, wie der Autor der Wüstensachsener Ortschronik kommentierte. Die alten und knorrigen Bäume, die unterhalb des Ritterhofes wuchsen, wurden 1936 unter Naturschutz gestellt und 1968 unter dem Namen „Lindenallee zu den Ritterhöfen“ als Naturdenkmale eingetragen. Elf Linden, davon allerdings eine in jenem Frühjahr gerade zusammengebrochene, und eine Ulme zählte das Ensemble damals.

Blättert man durch die Naturdenkmal-Akte, so wird man unweigerlich an das Lied von den „Zehn kleinen Negerlein“ erinnert: Bereits 1982 sollten baumchirurgische Maßnahmen zum Erhalt von noch neun Linden und einer Ulme getroffen werden, deren Kosten auf 17.000 Mark veranschlagt worden waren. Diesem Vorhaben musste der damalige Bürgermeister Rippstein eine Absage erteilen, weil die Gemeinde sich wegen laufender Großprojekte wie Bürgerhaus, Kläranlage und Ortssanierung finanziell nicht in der Lage sah, die nach einem Zuschuss des Landkreises noch verbleibenden 7.000 Mark für das Naturdenkmal aufzubringen. Seitdem verschwindet eine Linde nach der anderen: Im August 2001 notierte der dato bei der Naturschutzbehörde zuständige Otto Evers, dass die Krone einer Linde vollständig abgebrochen sei, der Stumpf jedoch stehen bleiben solle. Im Februar 2007 werden acht Bäume und ein Stumpf gezählt; ein Jahr darauf sind es nur noch sieben Bäume und zwei Stümpfe. 2008, nach einem Sturm, wurde die Gartenbaufirma Kopf von der Gemeinde mit der Fällung einer weiteren Linde beauftragt, sodass sechs Linden verblieben sind.

Doch auch deren Tage sind gezählt: Bei einer der Linden, die sich zwischen zwei aufgestellten Picknickbänken befindet, ist ein baumstarker Ast abgebrochen. Diese und eine weitere nahe des Ritterhofs werden in nächster Zeit gefällt werden, um eine Gefährdung der Bevölkerung auszuschließen, teilt Bürgermeister Thomas Schreiner auf Anfrage mit.

Weil auch die bisher gefällten oder abgebrochenen Linden innen faul oder hohl waren, ließ sich ihr Alter nicht genau datieren. Geschätzt wird es jedoch auf etwa 400 Jahre. Zurzeit der von Thüngens standen die Bäume zwar dicht, waren aber noch jung und entsprechend klein, während die wenigen verbliebenen nunmehr dafür mit ihrer Größe beeindrucken. Teilweise fünfeinhalb Meter beträgt ihr Stammumfang.

Mittlerweile tummeln sich sogar wieder ab und zu „Ritter“ unter ihren mächtigen Kronen: Diese gelangen mit ihren aus Stöcken bestehenden Schwertern auf Erkundungstour vom Abenteuerspielplatz „Roter Rain“ aus auf dem Rundwanderweg 9 geradewegs zur Lindenallee.

 

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