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Hessen fordert den Rettungsdienst als eigenständiges Leistungssegment im SGB V

Wiesbaden. Angesichts der Tatsache, dass der Rettungsdienst heute im SGB V keine medizinische Haupt-, sondern nur eine Nebenleistung sei, forderte der Hessische Sozialminister Stefan Grüttner, eine „umgehende Änderung und Anpassung an die Realität“. „Wir brauchen die besten und schnellsten Lösungen für die Patientinnen und Patienten, wenn es um Notfallversorgung geht“, machte Grüttner deutlich. „Deshalb bringen wir eine entsprechende Bundesratsinitiative voran“.
Der Rettungsdienst habe sich vom „reinen Transport weg, hin zur präklinischen Versorgung“ gewandelt. „Der Rettungsdienst hat sich in Deutschland als eigenständiger medizinischer, vorklinischer, Leistungsbereich entwickelt. Ihn weiterhin unter dem Bereich „Fahrkosten“ des SGB V zu behandeln würde bedeuten, die seit Jahren fortgeschrittene Entwicklung der vorklinischen Versorgungsleistung und insbesondere der Notfallmedizin zu ignorieren“ erklärte der Sozialminister den Sachverhalt.

Heute komme es „ganz wesentlich auf die Schnittstelle zwischen dem Rettungsdienst- und dem Krankenhaus“ an: „Hier ist eine gute und schnelle Kommunikation zwischen den beiden Bereichen wichtig. Die Patientin oder der Patient muss schnell in die geeignete Klinik eingeliefert werden. Das Krankenhaus muss rechtzeitig über das Krankheitsbild des Patienten informiert werden und das Krankenhauspersonal muss sich frühzeitig auf die Ankunft des Patienten vorbereiten können“, erläuterte Grüttner die Bedingungen für eine schnelle Notfallversorgung.

Durch das Eintreffen der Patienten im –für ihren Fall passenden Krankenhaus in weniger als einer Stunde, erhöhten sich die Überlebenschancen und die Heilungsprognosen verbesserten sich wesentlich. Man spricht hier von der „Golden Hour“. Medizinische Fachgesellschaften fordern, dass die klinische Therapie bei wesentlichen notfallmedizinischen Krankheitsbildern nach höchstens 90 Minuten beginnt. Um dieser Forderung Rechnung zu tragen, müsse die stationäre Diagnostik und Therapie spätestens 60 Minuten nach Notrufeingang beginnen.

„Hessen hat sowohl die rechtlichen als auch organisatorischen Voraussetzungen geschaffen, damit die „Golden Hour“ eingehalten wird. Das Hessische Rettungsdienstgesetz sieht eine Hilfsfrist von zehn Minuten vor. Dies ist die kürzeste Hilfsfrist aller Flächenländer. Nach dem Eingang der Notfallmeldung in der Rettungsleitstelle muss innerhalb von zehn Minuten das erste Rettungsmittel vor Ort eintreffen“, so Grüttner abschließend zur Bundesratsinitiative.

Weiterführende Informationen:
Der Hessische Krankenhausrahmenplan und der Hessische Rettungsdienstplan geben für den dargestellten Sachverhalt klare Vorgaben. So wird bei der Krankenhausplanung davon ausgegangen, dass ein Krankenhaus, das an der Notfallversorgung teilnimmt, in der Regel innerhalb von 20 Minuten, maximal jedoch innerhalb von 30 Minuten nach der Aufnahme des Patienten durch den Rettungsdienst zu erreichen sein muss. In Hessen ist diese enge Zusammenarbeit zum Wohle der optimalen Notfallversorgung für die Bürgerinnen und Bürger gewährleistet. Der Rettungsdienst fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder und ist in eigenständigen Rettungsdienstgesetzen geregelt. Diese Ländergesetze gehen alle von einem einheitlichen Begriff „Rettungsdienst (Notfallrettung und Krankentransport)“ aus. Dagegen wird im bisherigen SGB V der Rettungsdienst lediglich als Bestandteil der „Fahrkosten“ (§ 60) bzw. als „Versorgung mit Krankentransportleistungen“ (§ 133) angesehen.

Die bisherige Verknüpfung der Kostenübernahme in § 60 SGB V mit einer weiteren Leistung der Krankenkassen führt zu dem Fehlanreiz, dass in vielen Fällen ein Transport des Patienten ins Krankenhaus durchgeführt wird, ohne dass hierfür eine medizinische Notwendigkeit gegeben ist, nur um die präklinischen Leistungen ohne Probleme abrechnen zu können. Dadurch entstehen erhebliche zusätzliche und vermeidbare Kosten.

Die Aufgaben des Notarztes im Rettungsdienst und die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten  (ärztlicher Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung) werden häufig durch bestehende begriffliche Unklarheiten verwechselt. Es kommt damit nicht selten zu Fällen, in denen der Notarzt zu rein ambulanten Fällen hinzugezogen wird. Dies führt zu erheblichen Mehrausgaben. Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, d. h., dass zu einem Notfallpatienten meist mit erheblicher zeitlicher Verzögerung ein Arzt des ärztlichen Bereitschaftsdienstes kommt. Dies kann zu erheblichen gesundheitlichen Folgen bis hin zum Tod führen. Deshalb ist eine entsprechende Änderung von § 75 SGB V erforderlich.

Wesentliche Änderungen im SGB V:
Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB V folgende Nummer 4a „Leistungen des Rettungsdienstes“ und nach § 38 ein neuer § 38a „Leistungen des Rettungsdienstes“ eingefügt werden. Die Änderung des SGB V sieht vor, den Rettungsdienst aus dem Bereich „Fahrkosten“ (§ 60 SGB V) herauszunehmen und als eigenständigen Leistungsbereich zu regeln. Damit werden Fehlanreize bei der Abrechnung vermieden, mehr Transparenz und Trennschärfe geschaffen, und es werden fachliche und wirtschaftliche Synergien ermöglicht.

Darüber hinaus soll durch eine Änderung in § 75 SGB V künftig der ärztliche Bereitschaftsdienst in das System der Rettungsleitstellen nach Landesrecht mit einbezogen werden können. Damit kann durch Landesrecht eine einheitliche Vermittlung von vertragsärztlichem Bereitschaftsdienst und Rettungsdienst geschaffen werden. Wichtig ist auch die Feststellung, dass die Neuregelungen zu keiner Ausweitung der jetzigen Leistungsansprüche der Versicherten führen und somit keine Kostensteigerung bei den Krankenkassen zu erwarten sind.

Das im Auftrag des HSM erstellte Gutachten „Medizinische und volkswirtschaftliche Effektivität und Effizienz des Rettungsdienstes in Hessen“ von 2009 kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Anreizstrukturen aus den Vorgaben des SGB V zu ändern und die Melde- und Alarmierungsstrukturen zwischen Rettungsdienst und ärztlichem Bereitschaftsdienst zu koordinieren seien.

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