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Bildung von Anfang an – 450 Gäste auf der Regionalkonferenz zum Bildungs- und Erziehungsplan

Fulda. Alle 450 Plätze im Künzeller Gemeindezentrum waren bis auf den letzten Platz besetzt, als der Vater des von den beiden Bundesländern Hessen und Bayern gemeinsam entwickelten Bildungsplans für Kindergärten und Grundschulen, Prof. mult. Dr. Wassilios Fthenakis, das zukunftsweisende Konzept des neuen Billdungs- und Erziehungsplans vorstellte.

Fotos (15): Max Colin Heydenreich

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Überwiegend Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen und –lehrer, aber auch zahlreiche Bürgermeister, waren zu der Veranstaltung des hessischen Sozial- und Kultusminsteriums gekommen, die auf Initiative von Schulamtsdirektor Dr. Michael Imhof für die Region Osthessen im Künzeller Gemeindezentrum stattfand.

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Eindrucksvoll und systematisch aufeinander aufbauend entwickelte Prof Fhtenakis das Konzept aus den Defiziten des gegenwärtigen Bildungssystems. Fehlende Bildungsgerechtigkeit im deutschen Bildungssystem, in dem soziale Herkunft, Migrationshintergrund und das Geschlecht des Kindes die Bildungskarriere des Einzelnen erheblich bestimme, mache einen Paradigmenwechsel im Bildungsdenken und politischen Handeln zwingend. Die Bundesrepublik, so Prof Fhtenakis habe leider bisher die Chance versäumt, als de facto Einwanderungsland die hohe kulturelle Vielfalt für die nachkommenden Generationen im Bildungssystem zu nutzen.

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Es gehe vor allem darum, schon früh die Stärken eines Kindes zu stärken, das Lernen zu lernen und das Risiko des Scheiterns zu minimieren. Um dies zu erreichen, plädiere der Bildungsplan für ein Lernen durch Zusammenarbeit, in dem Lernprozesse von Kindern und Fachkräften, dies sind Eltern, Erzieherinnen und Lehrer, gemeinsam entwickelt werden.

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In diesem Lernprozess ist die soziale Interaktion, das Miteinander, der Schlüssel zur „Wissens- uns Sinnkonstruktion“ zur Erschließung von Bedeutung. Die bloße Aneignung von Fakten sei noch keine Bildung, so Fthenakis. Erst in der „Ko-Konstruktion“ von entdecken, erkennen, erforschen, sich mit anderen austauschen entwickle sich für das Kind eine neue Sinndeutung des Gesehenen und Erlebten, werden die momentanen Verstehenshorizonte erweitert. Hierbei sei der Erwachsene als Partner wichtig.

Im Mittelpunkt des neuen Bildungsplans steht das Kind, eigentlich ein uralter Anspruch der Pädagogik. Die kindlichen Kompetenzen zu stärken, ihm den Zugang und Umgang mit der Vielfalt des Lebens und der Welt zu weisen und es gleichzeitig widerstandsfähig und belastbar zu machen auch mit Enttäuschungen umzugehen und dennoch nicht aufzugeben, sei eine der Grundintentionen des Bildungsplans.

Um verantwortungsvolle und wertorientiert handelnde Kinder zu erziehen, sei es wichtig, das Selbstwertgefühl der Kinder und Heranwachsenden nicht zu beschädigen. Wenn 37 % von Hauptschülern und 20% aller Kinder im Alter von 10 bis 15 Jahren sich in der Schule herabgesetzt fühlen, müsse dies aufhorchen lassen und mache zugleich deutlich, dass die Investitionen gerade in Personal in Kindergärten und Schulen erheblich verbesserungswürdig sei.

„Schule, die selektiert, die ausschließt und nicht integriert, kann nicht zur Identifikation mit Lernen führen,“ so der Konstrukteur des Bildungsplans. Die Armutsberichte einzelner hessischer Städte zeigten deutlich den Zusammenhang von Armut, gesundheitlicher Belastung, Bildungsrisiken und sozialer Gefährdung auf. Dem müsse ein entsprechend ausgestattetes Bildungssystem entgegenwirken. Gleichzeitig plädierte Fthenakis für eine Vernetzung der Bildungsinstitutionen. Wenn Kinder Vierfünftel ihres Könnens außerhalb der Schule erwerben, dann sei es notwendig, diese im Sinne von Bildungspartnerschaften und Lernkooperationen als lernortorientierte Bildungskonzepte in den Prozess des Lernens einzubeziehen.

Gleichzeitig greife der Bildungsplan die Erkenntnisse in die Bedeutung der frühen Kindheit für das Lernen auf. Die maßgebliche Bedeutung der Erfahrungen und der Lernprozesse der Kinder schon von Geburt an für deren gesamte Entwicklung sind zentrale Grundlage des Bildungsplans.

Abschließend formulierte Prof Fthenakis als Credo des Bildungsplans: „Wir alle wissen, dass die Zukunft eines Landes unmittelbar mit der Qualität der Antworten zusammenhängt, die wir heute auf die Fragen nach Bildung unserer Kinder bereithalten. Und nur ein Land, in dem die Anliegen und Bedürfnisse seiner Kinder ganz oben auf der politischen Agenda stehen und bereit ist, in die Bildung der Kinder zu investieren, kann seiner Zukunft mit Zuversicht entgegensehen.“

Die Umsetzungsschritte, Qualifizierungsangebote und Unterstützungen stellten Heike Hofmann-Salzer und Christine Schaffer vom Hessischen Sozialministerium und Brigitte Görg-Kramß vom Hessischen Kultusministerium vor. In den nächsten drei Jahren werden 50.000 Fachkräfte in Hessen für die anstehenden pädagogischen Neuerungen und Herausforderungen qualifiziert; 107 Multiplikatoren sind bereits ausgebildet und werden in regionalen Tandems zur Beratung zur Verfügung stehen, wobei neben dem Fachpersonal in Kindergärten und Schulen auch die Elternschaft in den Prozess einbezogen werden soll.

Wie erfolgreich das Konzept bereits in der Pilotphase von den beteiligten Institutionen und Personen aufgenommen wurde, darüber konnte Dr. Dagmar Berwanger vom Staatsinstitut für Frühpädagogik in München berichten. Neben der „gemeinsamen Sprache“, die Erzieherinnen und Lehrer/innen über die Kommunikation und Kooperation gefunden haben, war es auch die gemeinsame Verantwortung für die jeweilige Bildungsregion und die sich entwickelnde corporate identiy für den gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsauftrag, der die Teams in der neuen Aufgabe stärkte, aber es war auch das angstfreiere und selbstbewusstere Auftreten der Kinder beim Übergang vom Kindergarten zur Grundschule, das die Mühen belohnte. Lang andauernder Applaus zeugte nach den einzelnen Beiträgen für das hohe Maß an grundsätzlicher Zustimmung zu den Ausführungen der Referenten der Regionalkonferenz.

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