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Alphabetisierung und Grundbildung: Wie wichtig ist lesen, rechnen und schreiben für künftige Fachkräfte?

Fulda. Für den HESSENCAMPUS Fulda, dem regionalen Zusammenschluss öffentlicher, freier und privater Bildungsanbieter im Landkreis Fulda, ist das Thema Alphabetisierung wichtig. Vor allem mit Blick auf den wachsenden Bedarf an Fachkräften lohnt es sich, auch in die Grundbildung von Arbeitslosen und Beschäftigten an einfachen Arbeitsplätzen zu investieren, um ihnen dadurch den Zugang zu fachlichen Qualifizierungen zu öffnen.

Eine bundesdeutsche Studie belegt, dass 7,5 Millionen Menschen aus der erwerbsfähigen Bevölkerung, also zwischen 18 und 64 Jahren, nicht ausreichend lesen, schreiben und rechnen können. Über die Hälfte davon sprechen Deutsch als Erstsprache, drei von fünf arbeiten in einem Unternehmen. Manche verfügen sogar über einen Berufsabschluss. Trotz Schulpflicht oder gar Ausbildung ist es diesen Menschen nicht möglich, vollständige Sätze zu schreiben oder kürzere Texte zu lesen und zu verstehen.

Bei Erwachsenen rechnet niemand damit, dass lesen, rechnen und schreiben ein Problem sein könnte, daher ist es für viele dieser funktionalen Analphabeten möglich, unerkannt zu bleiben. Ist man sensibel, weiß worauf zu achten ist und beobachtet die vielen kleinen Signale, offenbaren sich diese fehlenden Kompetenzen jedoch recht schnell, wie ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sensibilisierungskurse an der VHS Landkreis Fulda bestätigen.

Dass Menschen mit geringen schriftsprachlichen Kompetenzen trotzdem ihren familiären und beruflichen Alltag gut bewältigen, öffentliche Verkehrsmittel nutzen, einen Schulabschluss oder den Führerschein haben, führt immer wieder zu Verwunderung. Dabei sollte es eher Bewunderung sein, denn es zeugt auch von kreativen Problemlösungen, einem ausgeprägten Durchhaltevermögen, persönlicher Überzeugungskraft, Anpassungsfähigkeit und einer enormen Merkfähigkeit – Fähigkeiten, die bei Unternehmen auf der Suche nach Auszubildenden und Fachkräften sehr gefragt sind.

Auch wird es mit der steigenden Technisierung an den Arbeitsplätzen immer schwieriger, mit mangelnden Lese- und Schreibfähigkeiten den steigenden Anforderungen im Beruf gerecht zu werden: das Lesen von Displays, die Eingabe von Daten in mobile Endgeräte oder eine schriftliche Dokumentation der Arbeit. Hier erkennen viele betriebliche Ausbilder bereits, dass eine Problemwelle auf sie zukommt, denn auch durch das mitgebrachte Schulwissen wächst die Heterogenität der Auszubildenden, und durch Selektion im Auswahlprozess lässt sich in vielen Unternehmen bereits heute dieses Problem nicht mehr beherrschen.

Was daraus folgt ist absehbar: Risiken von Fehlbedienungen, steigende Fehlerhäufigkeit, sinkende Qualität, … Risiken, mit denen sich die Mitarbeiter/innen in Bereich Service oder Reklamation beschäftigen müssen und welche direkte, finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen haben. Es liegt daher auch im Interesse der Betriebe, die fachliche Qualifizierung geeigneter Arbeitskräfte aus den eigenen Reihen zu fördern, die häufig über mehrjährige, berufsspezifische und praktische Berufserfahrung verfügen. Und wenn nötig, auch die Voraussetzungen für diese fachlichen Qualifikationen nachholen zu lassen, denn ohne gut genug lesen, rechnen und schreiben zu können bleibt der Zugang zur beruflichen Aus- und Weiterbildung meist verschlossen.

Während ein Arbeitsplatz in der Reklamationsabteilung zunehmend stressig ist, gilt er aber als recht sicher. Für Menschen mit eingeschränkten Lese-, Rechen- und Schreibkompetenzen sowie fehlenden Computerkenntnissen dagegen sinkt die Beschäftigungsfähigkeit drastisch ab. Ohne solche Basiskompetenzen sind die Türen zu beruflichen Aus- und Weiterbildungen fest verschlossen. Zwar können funktionale Analphabeten heute noch keine Qualitätshandbücher oder Betriebsanleitungen, Arbeitsanweisungen oder die Arbeitsschutzhinweise lesen, können schriftliche Arbeitsaufträge kaum entziffern, ihre Stundenzettel meist nicht selbst ausfüllen oder Mitteilungen am Schwarzen Brett nicht verstehen, doch das muss nicht so bleiben: in ganz Deutschland gibt es Lernangebote für Erwachsene, die lesen und schreiben lernen oder ihre Grundbildung verbessern wollen.

Das Alfa-Telefon, erreichbar unter der Nummer 0800- 53 33 44 55, hilft Bildungswilligen, regional einen passenden Kurs zu finden, damit sie bald diese noch verschlossenen Türen öffnen können. Die regionalen „Schulen für Erwachsene“ bieten alle Schulabschlüsse und diese meist als berufsbegleitenden Unterricht an. Und auch im Internet sammeln sich viele Lerngebote, angefangen von kostenlosen Alphabetisierungskursen, z.B. unter www.ich-will-lernen.de, bis hin zu einer Reihe von speziellen beruflichen Weiterbildungen, die als Webinare, Blended-Learning-Angebote oder Videos bereits verfügbar sind.

Solche digitalen Angebote sind interessant für alle, die sich den weiten Weg in die nächstgrößere Stadt mit dem entsprechenden Lernangebot sparen wollen, keine Möglichkeiten zur Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln haben oder mangels Babysitter bzw. bezahlbarer Pflegekraft zuhause bleiben müssen. Das Internet ist aber auch ein Lernplatz für jene, denen es wichtig ist, dass ihr soziales oder berufliches Umfeld nichts von ihren spezifischen Lernaktivitäten mitbekommen, wie z.B. die 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten; sie wollen meist unerkannt bleiben und kündigen sogar lieber als ihre Probleme mit der Schriftlichkeit offen zuzugeben.

Im Bonifatiushaus Fulda präsentiert der HESSENCAMPUS noch bis Ende November 2014 die Posterausstellung „Alphabetisierung als Menschenrecht“, die über die Problematik des funktionalen Analphabetismus informiert. Hier ist jederman willkommen und kann seine Meinung auch im bereitliegenden Gästebuch eintragen. Für Bildungsinteressierte selbst, aber auch für Betriebe mit solchem Bildungsbedarf, sind die Bildungsberater des HESSENCAMPUS Fulda sowie der Qualifizierungsoffensive im Landkreis Fulda ansprechbar. Die Kontaktdaten sind zu finden unter www.hessencampus-fulda.de sowie unter www.quali-fulda.de.

 

 

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