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Im Landkreis Fulda finden sich zahlreiche Werke des Metallbildhauers Dr. Ulrich Barnickel

Metall ist der Stoff, mit dem Dr. Ulrich Barnickel seine Kunstwerke gestaltet: manche bis neun Meter groß, andere eher klein wie der Vogel m Hof vor dem Atelier in Schlitz.    Foto: S. Limpert

Metall ist der Stoff, mit dem Dr. Ulrich Barnickel seine Kunstwerke gestaltet: manche bis neun Meter groß, andere eher klein wie der Vogel m Hof vor dem Atelier in Schlitz.
Foto: S. Limpert

Schlitz/Landkreis Fulda. Heute ist der letzte Tag eines Monats, der im Zeichen der Erinnerung an die Grenzöffnung stand. Als Künstler, den die DDR kurz nach Beendigung seines Studiums der Bildhauerei und Metallplastik im November vor 30 Jahren ausgebürgert hatte, war Dr. Ulrich Barnickel gefragter Redner und Gast verschiedener Podiumsdiskussionen anlässlich des 25-jährigen Mauerfall-Jubiläums.

 „Dabei hatte ich meine DDR-Geschichte bereits fast vergessen und verdrängt“, bemerkt er mit einem leichten Seufzer. Intensiv damit beschäftigt hat sich der Metallbildhauer vier Jahre lang, während er bis 2010 an den Skulpturen für den „Weg der Hoffnung“ bei der Mahn- und Gedenkstätte Point Alpha in Rasdorf arbeitete. Dabei handelt es sich um einen zeitgenössisch interpretierten Kreuzweg, der an jeder der 14 Stationen das Leiden Christi mit den Erfahrungen in Diktaturen in Zusammenhang bringt. Die Verurteilung Jesu durch Pontius Pilatus beispielsweise ist mit „Willkür“ betitelt, der Raub der Kleidung mit „Entwürdigung“, andere Stationen stehen für „Unterdrückung“, „Zwang“ oder „Gewalt“.

Damit habe er vieles abgearbeitet, was ihn bedrückt habe, erläutert der 59-Jährige. „Der Staat mit seiner Partei hat uns gehasst, weil wir gesagt haben, was wir dachten.“ Ein Kollege sei in Dunkelhaft genommen worden. Zur Entwicklung nach der Wiedervereinigung sagt Barnickel: „Ich bin traurig, dass viele Leute nicht verstanden haben, worum es ging: um Freiheit und Demokratie.“ Deshalb kann er seinen 1976 ausgebürgerten Künstlerkollegen Wolf Biermann gut verstehen, der jüngst im Bundestag seinem Zorn auf die Linkspartei freien Lauf ließ.

Barnickel möchte mit seinem Werk auf Probleme aufmerksam machen, „ohne so vermessen zu sein, eine Lösung anzubieten“. Im Mittelpunkt seines Werks steht der Mensch, allerdings nicht als Porträt, sondern als Gestalt, oft als Großplastik (seine größte ist neun Meter hoch), und immer wieder so abstrahiert, dass die Form an Strichmännchen erinnert. „Ein Porträt ist nichts weiter als eine Momentaufnahme“, erklärt der Künstler. Seine Gestalten dagegen können als Psychogramme verstanden werden, wie etwa die Bonifatiusskulptur, die er für den Außenbereich des Dommuseums stiftete: Sie zeigt einen „Suchenden, Tastenden, Zögernden“ und hebt sich ab von den gewohnten Darstellungen des Heiligen mit Kreuz und durchbohrter Bibel oder als machtvollen Fäller der Donar-Eiche.

Auch in dem Drachenkämpfer Georg, der vor dem Lüderhaus in Großenlüder steht, oder dem gegen den Wind anfliegenden Engel kann der Betrachter sich selbst mit den Herausforderungen des Lebens wiederfinden. Das Schweißtuch, das Jesus von Veronika an der fünften Kreuzwegstation („Mitleid“) erhält, ist ein Spiegel. Da kann sich der Vorbeigehende fragen: „Hätte ich geholfen?“ Solche indirekten Dialoge möchte der Künstler erzielen.

Dass er vornehmlich mit Metall gestaltet, hat sich aus Barnickels Biographie ergeben. Der Schmied entwickelte sich zunächst zum Kunsthandwerker, um sich danach an der Burg Giebichenstein in Halle zum freien Künstler weiterzubilden. Als Basis der Kunst sieht er nach wie vor, dass der Schaffende sein Handwerk beherrscht. Auch dem ursprünglichen Arbeitsmaterial ist er treu geblieben: „Wegen seines Farbwechsels passt Eisen hervorragend in die freie Landschaft. Und als zerborstenes Material kommt es der Natur des   Menschen nahe.“

Zahlreiche Figuren aus der antiken Mythologie hat Barnickel geschmiedet und geschweißt. Doch vor allem stellt er sich die Frage: „Wie kann ich durch religiös geprägte Kunst die Politik beeinflussen?“ Jüngstes Projekt war die Darstellung der Zehn Gebote; das Ergebnis kann bis zum 24. Dezember 2014 in der Galerie Artenwerk Schlitz und vom 18. Februar bis 4. April 2015 im Priesterseminar in Fulda begutachtet werden. Derzeit arbeitet er an einer Weihnachtskrippe und am Thema Apokalypse. Mittels seiner modernen Darstellungsweise setzt er die alten Motive in Bezug zur Gegenwart.

Bei der Bearbeitung des Materials respektiert Barnickel auch zufällig entstandene Resultate und macht sie zur Grundlage des weiteren Vorgehens, „sogar wenn dies erfordert, die ursprüngliche Intention aufzugeben“. So wie er dem Eisen und Stahl „Freiheiten“ lässt, besteht Barnickel auch auf seiner eigenen künstlerischen Freiheit. Etwa bei seiner Interpretation des Faschismus-Mahnmals: Als im Zuge der Sanierung des Hünfelder Bahnhofs mit einem Kunstwerk an die Opfer der Nazi-Zeit – unter anderem Häftlinge, die von Hünfeld ins KZ Buchenwald transportiert worden waren – erinnert werden sollte, bezog Barnickel mittels eines an die Schienen geschweißten Hammers und Zirkels zugleich die Opfer der kommunistischen Diktatur in das Gedenken mit ein. Denn als gebürtigem Weimarer war ihm präsent, dass auch nach dem Zweiten Weltkrieg das Morden im nahegelegenen Buchenwald weiterging. „Wir brauchen weder rechte noch linke Extremisten. Die Demokraten müssen zusammenhalten“ – so Barnickels in Worte gefasste Mahnung nicht nur für diesen November.

Ulrich Barnickels Werke im Landkreis Fulda

Im kommenden Jahr steht Dr. Ulrich Barnickels 60. Geburtstag an; dies nimmt die Kunststation Kleinsassen 2015 zum Anlass für eine Retrospektive über den bundesweit etablierten Metallbildhauer, der auf zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen vertreten war. Zwar befindet sich sein Atelier in Schlitz, doch bezeichnet er Fulda neben seiner Geburtsstadt Weimar als seinen Lebensmittelpunkt. Im Landkreis Fulda trifft man auf folgende seiner Werke:

Bernhards: Mehrere sakrale Objekte in der Kirche

Fulda: „Baum der Weisheit“ mit Uhu und Fuchs vor der Genossenschaftsbank -Bonifatius beim Dommuseum – Bonifatius, Einradfahrer und Fassadengestaltung beim Arte Altstadthotel – fünf Stahlskulpturen am Aschenbergplatz – „Hubschrauber“ im Kreisverkehr und Skulptur „Integration“ vor der Astrid-Lindgren-Schule in Fulda Galerie – Betonguss „Anlehnung“ vor dem Städtischen Klinikum – „Flötenspieler“ bei Firma Mollenhauer

Gersfeld: „Skiläufer“ am Simmelsberg
Großenlüder: Georg und der Drache
Hünfeld: Skulptur im Foyer der Sparkasse – verschiedene Hauszeichen an Fassaden – Tabernakel im Altenstift St. Ulrich -Faschismus-Mahnmal am Bahnhof
Kleinsassen: Metallinstallation „Erstehung“ und eine Holzskulptur
Poppenhausen: „Lebensbaum – „Arsch mit Ohren“ – Holzskulpturen entlang der Kunstmeile
Rasdorf: „Weg der Hoffnung“ am Point Alpha

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