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Begegnung mit neuem Vorstand der jüdischen Gemeinde von Fulda sowie Daniel Neumann vom Landesverband: Zusammenarbeit intensivieren

DSC_0423Nach dem Horror der Nazi-Diktatur, von Krieg und Vernichtung hätte niemand zu glauben gewagt, dass jüdisches Leben in Deutschland wieder neu aufkeimen würde. Und doch ist es gelungen. Einige kehrten in ihre alte Heimat zurück, wie die Familie des heutigen Landesvorsitzenden der jüdischen Gemeinden in Hessen, Moritz Neumann. Jüdisches Leben in Fulda, das fand bis 1987 im Privaten, in den Wohnungen einiger weniger jüdischer Familien statt.

Dank der Initiative des früheren Oberbürgermeisters Dr. Wolfgang Hamberger hat die Gemeinde in der ehemaligen jüdischen Schule in der Von-Schildeck-Straße ein neues Zentrum mit Bet-, Versammlungs- und Jugendraum erhalten, in dem das Leben buchstäblich pulsiert. Aktuell gehören 410 Mitglieder der Gemeinde an, über deren Aktivitäten sich Fuldas Oberbürgermeister und Kulturdezernent Dr. Heiko Wingenfeld bei einer ersten Begegnung mit demVorstand um Bela Gusmann, Roman Melamed und Alina Sardlischwili sowie Landesverbands-Geschäftsführer Daniel Neumann informierte. Zwar ist die Zahl der Gemeindemitglieder von ursprünglich 560 auf das heutige Maß deutlich geschrumpft. Neumann spricht in diesem Zusammenhang jedoch von einem allgemeinen „Konsolidierungsprozess“. Viele der zwischen 1991 bis 2005 nach Deutschland gekommenen jüdischen Menschen waren schon älter gewesen. Auch jetzt noch ist gut ein Drittel der Fuldaer Gemeindemitglieder älter als 70. Jüngere oder junge Familien zieht es vorwiegend in die Großstädte, wo die Bildungsangebote und speziell jüdischen Angebote noch reichhaltiger sind.

Vitalspritze

In der von Bundeskanzler Helmut Kohl Anfang der 90er Jahre angeregten Initiative, Menschen jüdischen Glaubens aus der Sowjetunion in die Bundesrepublik zu holen, sieht Daniel Neumann angesichts der zurückliegenden Entwicklung eine „Vitalspritze“ für das jüdische Leben in Deutschland. Rund 200.000 Bewohner aus den verschiedensten Sowjetrepubliken waren dem Ruf zur Übersiedlung gefolgt, 100.000 fanden ihren Weg in die Gemeinden. „Ohne sie“, so urteilt Neumann rückblickend, „wäre manche jüdische Kultus-Gemeinde nicht mehr überlebensfähig gewesen.“ Denn damals gab es nur noch rund 30.000 Juden deutschlandweit (zwischen 2003 bis 2013 hat sich die Zahl der jüdischenGläubigen laut Internet-Statistik bei rund 100.000 eingependelt).

Zeitreise

Wingenfelds Besuch im Zentrum in der Von-Schildeck-Straße war nicht nur ein Kennenlernen der aktuellen Situation des Gemeindelebens, sondern auch eine kleine Zeitreise in die persönliche Geschichte seiner
Gesprächspartner. Daniel Neumanns Großvater Hans beispielsweise, der auf Umwegen nach Fulda gekommen war, verdankt einem guten Bekannten, der übrigens bei der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) war und ihn warnte, die rechtzeitige Flucht ins Ausland. Hans Neumann kämpfte im spanischen Bürgerkrieg gegen Francos faschistisches Regime und schließlich als Fremdenlegionär gegen die Wehrmacht. Nach dem Krieg lernte er wiederum in Fulda seine spätere Frau Frani kennen, die Mutter des Landesvorsitzenden Moritz Neumann, der in Fulda geboren wurde. Hans und Frani Neumann haben übrigens auf dem jüdischen Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden.

„Fulda ist sympathisch“

Vorstandsmitglied Bela Gusmann stammt aus einer kleinen Stadt unweit von Kiew und lebt seit 1994 in Fulda. In der alten Heimat in der Ukraine sei der „Antisemitismus ganz schlimm gewesen“, erinnert sie sich tief betroffen. Nur im Verborgenen, im engen Kreis der Familie, konnte die jüdische Kultur gelebt und gepflegt werden. Statt in Kiew zu studieren, hatte Gusmann ihr Studium in Charkow aufnehmen müssen, wo die antisemitischen Anfeindungen zwar spürbar, aber deutlich geringer ausgeprägt waren. Fulda hingegen sei eine „sehr sympathische Stadt“, urteilt die gelernte Mathematikerin.

Hier hat sie sich gut eingelebt. Und in Fulda sei sie, wie Bela Gusmann bekennt, „von der ersten Stunde an verliebt gewesen“, Roman Melamed kommt aus dem heute umkämpften Donezk. Nach dem Studium in Moskau war er als Administrator und Religionslehrer in der jüdischen Gemeinde der fünftgrößten Stadt der Ukraine im Einsatz. In Donezk lebten rund 20.000 Juden, die über eine eigene Synagoge und ein lebendiges Gemeindeleben verfügten. Mit amerikanischer Hilfe sei in der ukrainischen Metropole viel Neues entstanden. Dennoch zog es Melamed in den Westen. Seit 1998 ist er Vorbeter in der jüdischen Gemeinde von Fulda. Künstlerin Alina Sardlischwili hat es vom litauischen Wilna nach Fulda gezogen. Mit Bela Gusmanns Schwierigkeiten in der alten Heimat hatte sie jedoch nie zu kämpfen. Jüdisch zu sein, das war für sie in Litauen kein Problem. Jüdisches Leben gehörte zum Alltag und war anerkannt. In der Fuldaer Gemeinde gibt Alina Sardlischwili Malunterricht für Kinder. Die Jugend ist es auch, die dem Vorstand sehr am Herzen liegt. Zehn Kinder besuchen inzwischen regelmäßig den jüdischen Religionsunterricht. Ein Junge, dessen Vater Grieche und dessen Mutter Jüdin ist, kommt sogar aus dem entfernten Alsfeld nach Fulda. Dieser Unterricht ist staatlich anerkannt, wie Daniel Neumann unterstreicht. Wanderlehrer betreuen die Jüngsten. Den Dank des Gemeindevorstands und von Daniel Neumann für seinen Besuch erwiderte Fuldas Verwaltungschef
mit den Worten: „Für mich ist es eine Freude und wichtig, die jüdische Gemeinde zu unterstützen.“ Offen zeigte sich der OB für Überlegungen einer noch engeren Zusammenarbeit. Beispielsweise in Form einer jüdischen Kulturwoche, wie sie Landesverbands-Geschäftsführer Neumann anregte.

Info

Dem Landesverband Hessen der jüdischen Gemeinden gehören zehn Gemeinden mit rund 5.000 Mitgliedern an: Bad Nauheim, Darmstadt, Fulda, Gießen, Hanau, Kassel, Limburg-Weilburg, Marburg, Offenbach
und Wiesbaden. Vorsitzender: Moritz Neumann; Geschäftsführer: Daniel Neumann. Die Geschäftsstelle befindet sich in Frankfurt, Kontakt: info@lvjgh.de. Die Frankfurter Gemeinde mit rund 7.000 Mitgliedern ist eigenständig und zählt zu den vier größten der Bundesrepublik.

Bildunterschriften: Landesverbands-Geschäftsführer Daniel Neumann; Jüdisches Symbol: der siebenarmige Leuchter.

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