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Im Vorfeld des 100-jährigen Jubiläums soll kulturhistorisches Erbe aufgearbeitet und gewürdigt werden – Loheland: Gelebte Utopie für Frauen

Im Jahr 1919 erwarben Hedwig von Rohden und Louise Langgaard ein 44 Hektar großes Gelände auf dem Herzberg bei Dirlos, um eine Lebens-, Lern- und Arbeitsgemeinschaft nach ihren Vorstellungen zu verwirklichen. In den Folgejahren entstanden dort Unterrichts- und Werkstattgebäude sowie Wohnhäuser, die zu einer weitläufigen Siedlung zusammenwuchsen. Auf dem Gelände befinden sich heute unter anderem eine Schule, ein Kindergarten und eine Tagungsstätte. 2019 feiert Loheland sein 100-jähriges Bestehen.

Für die damalige Zeit war Loheland ein in mehrfacher Hinsicht außergewöhnliches Experiment. Letztendlich ging es vor dem Hintergrund eines ganzheitlich-anthroposophischen Menschenbilds darum, junge Frauen zur Selbstbestimmung und eigenständigen Lebensführung zu befähigen. Hierzu diente in erster Linie eine fundierte berufliche Ausbildung. Mit der Produktion und dem Vertrieb der kunsthandwerklichen Erzeugnisse auf den damals bedeutenden Handelsplätzen wurde gleichzeitig die wirtschaftliche Existenz der Landkommune gesichert.

Im Hinblick auf die Heranbildung eines neuen Frauentypus nahmen Gymnastik und Bewegungsschulung bis hin zur künstlerischen Ausformung im Tanz einen zentralen Stellenwert ein. Auch wurden Landwirtschaft und Gartenbau auf ökologischer Grundlage betrieben, so dass ein Gesamtgefüge aus Körperbildung, Landbau sowie Handwerk und Kunst entstand. Ein lebhafter Austausch fand in der Aufbruchsstimmung nach dem Ersten Weltkrieg mit anderen zeitgenössischen Reformbestrebungen wie dem Bauhaus in Weimar statt.

Nach Auffassung des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen handelt es sich bei Loheland um ein großflächiges Kulturdenkmal mit interessanten Einzelobjekten. Oberkonservator Dr. Dieter Griesbach-Maisant spricht von einem herausragenden Zeugnis der Siedlungsarchitektur zu Beginn des 20. Jahrhunderts, auf das man erst in jüngerer Vergangenheit so richtig aufmerksam geworden sei. In diesem Jahr gewährt das Land aus Denkmalpflegemitteln 100.000 Euro für die Renovierung von zwei Gebäuden aus den Gründerjahren der Frauensiedlung.

Auch der Landkreis Fulda möchte der weit über die Region hinausgehenden Bedeutung von Loheland als Kultur- und Bildungsstandort Rechnung tragen, betont Erster Kreisbeigeordneter Frederik Schmitt. „Hier wurde an einem Kapitel Frauenemanzipation mitgeschrieben.“ In seiner Sitzung im Dezember hat der Kreistag einen Antrag verabschiedet, mit dem der Kreisausschuss beauftragt wird, die Vorbereitungen für das 100-jährige Jubiläum zu unterstützen. In welcher Form und Höhe dies geschehen kann, muss noch abschließend entschieden werden.

Elisabeth Mollenhauer-Klüber, Leiterin des Loheland-Archivs, beobachtet ein zunehmendes Interesse an der Aufarbeitung des kulturhistorischen Erbes von Loheland. Den Anfang hat eine Ausstellung 2004 im Vonderau Museum gemacht. Ausstellungen 2007 im Bauhaus-Archiv Berlin und 2012 in der Kunststation Kleinsassen sowie im Haus am Horn des Weimarer Bauhauses folgten. In 2015 fanden zwei Fachtagungen „Die Frauensiedlung Loheland im Kontakt der Moderne des 20. Jahrhunderts“ und „Lohelands Waggonia als technisches Denkmal und künstlerisches Atelier“ statt.

Bis zum Jubiläum 2019 soll die breitere Öffentlichkeit mit einer Reihe von weiteren Fachtagungen über die vielfältigen Aspekte der Entstehung und des Wirkens von Loheland informiert werden. So ist in diesem Jahr am 8. und 9. Oktober eine Fachtagung zu den Themenfeldern „Gestaltung“ und „ästhetische Bildung“ geplant. Am 11. September wird man sich wieder am bundesweiten Tag des Offenen Denkmals beteiligen und im November das Land Hessen auf der Europäischen Messe für Restaurierung, Denkmalpflege und Stadterneuerung in Leipzig vertreten.

Kontakt
Interessenten wenden sich an die Loheland-Stiftung, 36093 Künzell-Loheland, Telefon (0661)3920, E-Mail info@loheland-de, www.loheland.de. Bei speziellen Fragen zur Geschichte: archiv@loheland, http://archiv.loheland.de

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