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Kunst und Kirche – „Getanzte Vesper“ verkündet die Pfingstbotschaft

Am Pfingstwochenende fand in der Fuldaer Stadtpfarrkirche eine „getanzte Vesper“ statt, an der über 200 Besucher teilnahmen. Unter dem Leitwort “Aus dir strömt Leben, Licht und Glut” wurde das liturgische Abendgebet der Kirche gestaltet, in das Musik, Sprache, Tanz und Licht einflossen. Idee und Konzept entwickelte die Tänzerin und Choreographin Dorothée Bretz aus Fulda, die zusammen mit den Tänzerinnen Laila Clematide aus Düsseldorf und Verena Piwonka aus Kassel die darstellerischen Parts übernahm. Die musikalische Gestaltung übernahmen Prof. Hans-Jürgen Kaiser (Orgel), Olaf Pyras (Schlagwerk) und Gudrun Stute (Gesang). Das Lichtdesign kreierte Benedikt Kaiser. „Eine klare Liturgie, gefüllt durch diese Elemente von Musik, Licht und Tanz nehmen uns mit hinein in das Pfingstgeschehen“, erläuterte Dechant Stefan Buß aus Fulda, der diesem besonderen Vespergebet vorstand.

Zum Klang von Plattenglocken riefen die Mitwirkenden zunächst außerhalb des Kirchengebäudes Menschen auf, sich ihnen für diese außergewöhnliche, künstlerisch gestaltete Gebetszeit anzuschließen. Sie trugen den Klang sodann weiter in den Kirchenraum und brachten diesen zum Schwingen. Zu zarten Klängen des Vibraphons bewegten sich die Tänzerinnen gleich einem stärker werdenden Wind durch den Mittelgang nach vorne und entfachten vor dem Altar mit züngelnden Armbewegungen ein lebendiges Feuer, das durch den Einsatz von Licht noch verstärkt wurde. Nach der feierlichen Eröffnung des Priesters interpretierten die Tänzerinnen Bretz, Clematide und Piwonka den zunächst lateinisch vorgesungenen Hymnus, die Pfingstsequenz, in harmonische, leicht schwingende und fließende Formationen, um der Sammlung Raum zu geben.

Einen ersten Höhepunkt bot der von L. Clematide choreographierte und getanzte Psalm 147, in dem ein Kleid mit meterlanger Schleppe sowohl Last, aber auch Anker versinnbildlicht. Die verschiedenen von Gudrun Stute rezitierten Bilder wurden theatralisch umgesetzt und vom Schlagwerk eindringlich und dramatisch einfühlsam untermalt.

Als 5 Flammen begeisterten die Mädchen der Förderklasse für zeitgenössischen Tanz mit einer quirligen und variationsreichen Choreographie zur Toccata über Maurice Duruflé – Veni creator – und den „tongues of fire“ aus der Pfingstmesse von Olivier Messiaen. Als Gesamtgruppe, sowie in kleinen Duetten und Soli trugen die jungen Künstlerinnen das Feuer zu den Gottesdienstbesuchern und ließen so das eigentliche Pfingstereignis tänzerisch anschaulich erfahrbar werden.

Ein weiterer Höhepunkt folgte nach der Schriftlesung mit einer Betrachtung zur Musik von Petr Eben für Schlagwerk und Orgel. Unter dem Titel ´Sprachenwunder´ etablierten die drei Tänzerinnen, zunächst räumlich voneinander isoliert, ihre eigene Bewegungssprache – aber sie können sich nicht gegenseitig verstehen. Erst beim Einsatz der Glocken (von den Mädchen der Förderklasse angeschlagen) geschieht das Wunder des heiligen Geistes und gemeinsame Kommunikation wird möglich. Die Tänzerinnen nutzten abstrakte Bewegungsmotive und dynamische Wechsel, um dieses Ereignis lebendig werden zu lassen.

Im Responsorium wurde der weite Kirchenraum mit klingenden Steinen akustisch befragt. Der Wechselgesang zwischen Vorspielern und Gemeinde ließ eine akustische Welle aus Steinklängen durch den Raum schwingen und umgab einen jeden mit feinem Brausen.

Den Lobpreis Mariens im Magnifikat zu Johann Sebastian Bachs ´Et exultavit´ machte Verena Pivonka mit einem selbstchoreographierten Solo zu einer Augenweide. Luftig und verspielt setzt sie die von Gudrun Stute einfühlsam und brillant gesungenen musikalischen Motive um, die durch häufiges Wechseln der Ebenen eine Frische und Lebendigkeit widerspiegeln.

Ein Duett, vorgetragen und choreographiert von Dorothée Bretz und Laila Clematide ließ den Weihrauch der Fürbitte zum Himmel emporsteigen. Ein ständiges vereinen und wieder lösen, ruhen und wieder ineinander wirbeln, lässt den inneren Blick gen Himmel wandern, Veränderndes und Wiederkehrendes, mit der Ewigkeit verschmelzen.

Domorganist Prof. Hans-Jürgen Kaiser trug nicht nur als Begleiter sondern auch als Solist und wesentlich durch seine Improvisationen zum Gelingen des Programmes bei. Diese aus dem Stehgreif auf die jeweilige Situation hin entwickelten musikalischen Gedanken, passten sehr gut zur Dynamik der Tänzer. Gerade die unterschiedliche Begleitung der Lieder, sei es in der Begleitung der Vorsängerin oder der Gemeinde, die auch zum Mitsingen eingeladen war, geben bei solchen Veranstaltungen eine besondere, nur dem Augenblick geschuldete Akzentuierung.

Den Auszug gestalteten die 7 Tänzerinnen, ebenso wie den Einzug, wieder gemeinsam. In vier Standbildern, in die sich jede individuell einbaut, wird ein Ausblick auf die Kirche dargestellt, in der jede charismatische Gabe zählt und so das Ganze gebaut wird und symbolisiert. Die kleine „Taube“ in der Abschlusshebung, ein bildhaftes Zeichen für den heiligen Geist, schwebt mit aus dem Raum: die Kirche ist berufen hinaus zu gehen.

Begeistert und berührt zeigten sich die Besucher der Vesper von den Anregungen zu Gedanken und Gebet am Pfingstfest durch die Darbietungen der Tänzerinnen sowie der Musiker und dem Gesang. Besonders beeindruckte auch das Farbenspiel, in das die Stadtpfarrkirche während des Gottesdienstes von Benjamin Kaiser getaucht wurde.

Der Referent für Neuevangelisierung im Seelsorgeamt des Bischöflichen Generalvikariats und Mitinitiator des Projektes Thomas Bretz beschreibt: „Die Kunst ist fähig, das Bedürfnis des Menschen, über das Sichtbare hinauszugehen, zum Ausdruck zu bringen und sichtbar zu machen. Sie kann zu Gebet und Reflexion einladen, was wir gerade auch heute Abend an den vielen Reaktionen von kunst- und kulturinteressierten Besuchern erlebt haben. Das Vespergebet korrespondierte so in seiner Gestaltung hervorragend mit den Erwartungen und Möglichkeiten der Teilnehmenden, auch derer, die zum ersten Mal dieses Gebet der Kirche mitfeierten.“ Eine ´getanzte Adventsvesper´ wird es in diesem Jahr in Kassel und in Marburg geben.

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