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Sommerreise I: Umweltministerin Priska Hinz besuchte Pilotbetrieb im Landkreis Fulda – „Biodiversität und Landwirtschaft – Potentiale erkennen und produktionsintegriert umsetzen“

Anlässlich ihrer Sommerreise besuchte Umweltministerin Priska Hinz die landwirtschaftliche Betriebsgemeinschaft Schneider / Jestädt in Kleinlüder im Landkreis Fulda. Ministerin Hinz äußerte sich positiv darüber, „dass ein konventioneller Betrieb in der Biodiversitäts-Beratung eine solch´ wichtige Rolle einnimmt. Damit steht die LLH-Biodiversitäts-Beratung für das Miteinander aller landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsformen.“ Andreas Sandhäger, Direktor des LLH, zeigte sich sehr erfreut, dass „mit Betriebsleiter Dr. Marco Schneider ein leitender Mitarbeiter des Landesbetriebs Landwirtschaft die im Beratungsteam Pflanzenbau vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse unmittelbar in die Praxis umsetzt.“ Er ergänzte, dass die Familien Schneider und Jestädt mit gutem Beispiel als Pilotbetrieb im Rahmen der vom Land Hessen neu aufgelegten Biodiversitäts-Beratung für landwirtschaftliche Betriebe voran gingen: „Ihr Vorbild findet hoffentlich viele Nachahmer. Auch können wir hier sehen, wie problemlos landwirtschaftliche Betriebe mit keinem bis geringem produktionstechnischen Aufwand und ohne finanzielle Einbußen die Artenvielfalt vor Ort erhöhen können.“

Vorbildrolle: LLH-Biodiversitätsberatung für landwirtschaftliche und gartenbauliche Betriebe
Ministerin Hinz fand es nutzbringend, „dass mit der Beratung aus Mitteln des Ökoaktionsplans auch konventionelle Betriebe erreicht werden.“ Sie führte aus: „Ein Ziel unseres Ökoaktionsplans ist, die Landwirtinnen und Landwirte zu beraten, wie sie in ihren betrieblichen Abläufen auf den Erhalt und den Schutz der Biodiversität achten können.“ Dafür brauche es Vorbilder wie in Kleinlüder. Denn: „Einen positiven Beitrag zur Artenvielfalt können alle landwirtschaftlichen Betriebe leisten – egal ob sie konventionell oder ökologisch wirtschaften, denn die Beratung des LLH richtet sich an alle landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Betriebe.“

Fazit: Win-Win
„Mit der landwirtschaftlichen Betriebsgemeinschaft Schneider / Jestädt zeigt einer der ersten Pilotbetriebe, die sich am LLH-Beratungsprojekt Biodiversität in der Landwirtschaft beteiligen, dass eine gute und umfassende gesamtbetriebliche Planung zu einer erhöhten Artenvielfalt führen kann“, zeigte sich Sandhäger überzeugt. Es müssen allerdings dabei die jeweiligen agrarumweltlichen Strukturen berücksichtigt werden. Das Gießkannenprinzip habe ausgedient. Er gratulierte Dr. Schneider und wünschte auch weiterhin Erfolg für den durchlässigen Theorie-Praxis-Bezug.
Ministerin Hinz sah die Landesmittel sehr gut eingesetzt. „Ich begrüße es umso mehr, als dass sich Betriebe wie die Betriebsgemeinschaft Schneider/Jestädt finden, die bereit sind, neue Ansätze auszuprobieren, um andere an ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen.“ Nicht zuletzt brauche es das Engagement aller, um die Vielfalt an Tieren und Pflanzen zu erhalten – dies war und ist für die hessische Umweltministerin sicher.

Das Land Hessen fördert dieses Projekt mit rund 210.000 Euro für den Zeitraum von drei Jahren und stellt insgesamt eine Million Euro jährlich im Ökoaktionsplan zur Verfügung.

Erfolgreiche und praktikable Praxisbeispiele
In einer Feldrundfahrt wurde anhand von vier produktionsintegrierten Beispielen gezeigt, wie die Biodiversität vor Ort – unter den jeweiligen betriebsspezifischen Bedingungen – vom Landwirt relativ einfach und kostenneutral gefördert werden kann. Denn dies sind genau die Ziele der Landwirtschaftlichen Biodiversitäts-Beratung des LLH wie Martina Behrens vom Beratungsteam Pflanzenbau im Laufe der Veranstaltung kompetent ausführte: „Es geht um die Berücksichtigung und Integration folgender Aspekte: naturschutzfachliche, betriebsorganisatorische und betriebswirtschaftliche. Dabei wollen wir zu praxistauglichen Lösungen kommen, die von den Betriebsleitern gut angenommen und umgesetzt werden können“, verdeutlichte die Agrarwissenschaftlerin. „Dabei müssen die Opportunitätskosten der Biodiversitätsförderung gering gehalten werden, um die Akzeptanz zu erlangen“, veranschaulichte Dr. Schneider mit Blick auf die Landwirtschaftskollegen.

Ackerecken blühen auf
An der ersten Station erläuterten die beiden Experten unter welchen Bedingungen im Betrieb am besten zusätzliche Blühaspekte und Strukturen geschaffen werden können. Dabei diskutierten sie die Alternativen Blühstreifen und -flächen vs. Förderung von seltenen standorttypischen Ackerwildkräutern. Die Praxis zeige, dass die Bewirtschaftung von Teilflächen mit geringer Bodengüte oder ungünstigem Zuschnitt aus betriebswirtschaftlicher Sicht wenig Sinn mache, so dass sich insbesondere hier die Anlage von Blühflächen empfehle. Dabei beobachtete Dr. Schneider, dass sich vielfältige Blühmischungen erfahrungsgemäß als Insektenmagnet erwiesen – einen an dem Tag mit herrschendem Kaiserwetter besonders gut zu beobachtenden Effekt.

Die Beratung unterstütze die erfolgreiche Etablierung der blühenden Bestände insbesondere mit Hinweisen zur Mischungsauswahl und Saatbettbereitung. Doch könnten Saatmischungen nicht als Ersatz für heimische Ackerwildkraut-Flora dienen. Hier empfehle sich ein Herbizid- und Düngeverzicht am Ackerrand, ggf. in Verbindung mit einem Management eventueller Problemgräser. Außerdem solle die höhere Wertigkeit mehrjähriger Blühmischungen Berücksichtigung finden. Aus seiner Erfahrung biete sich für Höfe insofern der Naturschutz besonders gut auf denjenigen Flächen an, als sie eine vernachlässigbare Lage hätten oder vom Ertrag eher uninteressant seien – nicht jedoch auf produktiver Gesamtfläche. Jedoch müsse die Kommunikation mit der unmittelbaren Umgebung stärkere Berücksichtigung finden, beispielsweise wenn mehrjährige Blühflächen in späteren Standjahren einen ungepflegten Eindruck erweckten. So könnten Informationstafeln über den hohen Biotopwert der Flächen informieren, auch wenn kein für das menschliche Auge attraktiver Blühaspekt mehr vorhanden sei.

Es lebe das Rebhuhn – ein gesamtbetriebliches Konzept
Die zweite Station demonstrierte Maßnahmen zur Förderung spezieller Zielarten am Beispiel von Rebhühnern, denn: Eine Zielart als Sympathieträger auszuwählen stellt eine große Chance für den Landwirt dar. Ein praxistaugliches, gesamtbetriebliches Konzept zur Unterstützung der wenig mobilen Tiere müsse zunächst die artspezifischen Bedürfnisse auf vergleichsweise engem Raum berücksichtigen, so Biodiversitätsberaterin Behrens. Dazu gehörten beispielsweise Deckung zur Ruhe und zur Brut sowie offene Bereiche zum Aufwärmen und ein ausreichendes Nahrungsangebot, insbesondere an Insekten für die Jungtiere.
Als Maßnahmen wählte die Hofgemeinschaft eine Blühfläche mit spezieller Vegetationsstruktur aus. Diese wurde ergänzt durch Schwarzbrachestreifen, unbefestigte Graswege und eine vielfältige Fruchtfolge mit zum Beispiel Kartoffeln und Ackerbohnen. Zusammen mit zahlreichen extensiven Grünlandflächen ergebe sich so eine förderliche heterogene Vegetationsstruktur. Im Winterhalbjahr diene eine Hochschnitt-Stoppelbrache als Habitat.

Dr. Schneider hob hervor, dass die hohe Fuchsdichte am Standort einer erfolgreichen Förderung der Rebhühner entgegenstehe. Hier müsse gemeinschaftlich und innovativ mit der örtlichen Jagdgenossenschaft kooperiert werden. Als Landwirt bekannte er sich dazu, dass für ihn Maßnahmen zur Förderung einer bestimmten Zielart vorwiegend aus persönlicher Überzeugung erfolgen müssten und „nicht so sehr die staatliche Förderung zur Kompensation im Vordergrund steht.“

Grünland ist nicht gleich Grünland
Wie können konkurrierende Ansprüche von Futterproduktion einerseits und Förderung der Biodiversität andererseits zeitgleich realisiert werden? – dieser Frage gingen Biodiversitätsberaterin Martina Behrens und Dr. Richard Neff, stellvertretender Leiter des LLH Fachgebietes Futterbau und Grünland, an der dritten Station nach. Da der Betrieb bereit ist, geringwertigere Flächen im Sinne des Naturschutzes zur Verfügung zu stellen, finde sich ein vielfältiges Nutzungsmosaik. Feuchte Senken und trockene Kuppen böten Lebensräume auch für spezialisierte Arten. Ein später Schnitt und verlängerte Mahdintervalle ermöglichten es Insekten, Feldhasen oder bodenbrütenden Vögeln, sich erfolgreich fortzupflanzen. Eine angepasste Düngung fördere die Ausbildung einer vielfältigen Vegetation. Jedoch würde die „Kuh nicht von Blumen satt“. Neff wies darauf hin, dass es vielfältige Zusammenhänge zwischen Grünlandnutzung, Bestandesentwicklung und Futterqualität gebe. Eingeschränkte Futterverwertbarkeiten könnten in Hessen im Rahmen von Agrarumweltmaßnahmen (HALM: Hessisches Programm für Agrarumwelt- und Landschaftspflege-Maßnahmen zur Förderung einer besonders nachhaltigen Landbewirtschaftung) ausgeglichen werden. Dr. Schneider sieht sich bei den geförderten Flächen vor der Herausforderung sicherzustellen, dass alle Bewirtschafter die Auflagen kennen würden und somit keine Bewirtschaftungsfehler passierten. „Die Extensivierung erreicht ihre Grenze, wenn das Futter im Betrieb nicht mehr verwendet werden kann. Ein besonderes Augenmerk erfordern in diesem Zusammenhang die künftigen, veränderten Rahmenbedingungen für Milchviehhalter in Verbindung mit der Entwicklung der Grünlandflächen in der Region“, so der Experte.

Bodenbearbeitung: Ein „sowohl-als-auch“, kein „entweder-oder“
Nicht nur die Nachahmung traditioneller Wirtschaftsweisen, sondern auch der Einsatz moderner Technologien kann zur Förderung der biologischen Vielfalt im landwirtschaftlichen Betrieb beitragen. An der letzten Station demonstrierten Walter Zerr und Dr. Fabian Jacobi, ehemaliger und derzeitiger Leiter des Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (Bad Hersfeld), wie sich unterschiedliche Bearbeitungsverfahren auf das Bodenleben auswirken. Insbesondere konservierende Bodenbearbeitungsmethoden, wie beispielsweise das Strip-Till-Verfahren für Mais, zeigten einen deutlich positiven Effekt auf bodenbiologische Parameter. Der Förderung einer vielfältigen Bodenzönose (Moose, Pilze, Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere) erbringe auch einen direkten Nutzen für die Landwirtschaft, indem wichtige Funktionen wie die Speicherung und Bereitstellung von Wasser und Nährstoffen gewährleistet werde. Für den Landwirt Dr. Schneider ein doppelter Nutzen: Es können zusätzlich Arbeitskosten eingespart und witterungsbedingte Ertragsrisiken sowie Bodenerosion vermindert und somit Gewässer geschützt werden.

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