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Ehemalige Tannerin ist „Bücherfrau 2016“

Das zurückliegende Jahr war für die aus Tann stammende Anita Djafari, geborene Jörges ein besonderes: Die nun im Taunus lebende Rhönerin ist auf der Frankfurter Buchmesse als „Bücherfrau des Jahres“ ausgezeichnet worden. Der Garten ihrer verstorbenen Eltern samt kleinem Ferienhäuschen lockt sie und ihre drei Geschwister immer wieder mal zu Treffen in ihr altes Heimatstädtchen.

Bücher spielen im Leben der 63-Jährigen eine entscheidende Rolle: Als Kind, aus einem „buchfreien“, bäuerlichen Haushalt stammend, verbrachte sie jede freie Minute in der Tanner Stadtbibliothek. „Die Werke von Astrid Lindgren, Michael Ende und Enid Blyton haben mich geprägt“, sagt sie. In den 1980er  Jahren betrieb sie einen Buchladen  in Sachsenhausen. Am Büchertisch lernte sie auch ihren Mann kennen, mit dem zusammen sie heute noch ganze Urlaubstage lesend und über Literatur diskutierend auf dem Sofa verbringt. An den Schulen ihres Sohnes setzte sie sich für die Einrichtung von Schülerbüchereien ein.

Ausgezeichnet wurde sie als Geschäftsführerin von Litprom, der Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika, sowie als Chefredakteurin der Zeitschrift „LiteraturNachrichten Afrika- Asien-Lateinamerika“. Als Gründungsmitglied von Litprom begann sie 1980 während ihres Studiums „in einer Ära der Befreiungsbewegungen in Südamerika, des Apartheidskampfs in Südafrika und der postkolonialen Aufbrüche in Afrika“, sich ehrenamtlich für die Literatur aus Ländern der  „Dritten Welt“ zu engagieren. Auch ihren Buchladen betrieb sie mit diesem Schwerpunkt. „Mein Interesse für die Thematik speiste sich zum einen aus Solidarität und zum anderen aus dem Drang, den eigenen Horizont zu erweitern.“

Neugier „und immer wieder Glück“ bescherten Anita Djafari eine abwechslungsreiche Vita: Nach einer „wegen Langeweile“ abgebrochenen kaufmännischen Ausbildung arbeitete sie als Sekretärin in einem Reisebüro in Frankfurt und geriet so vom Zonenrandgebiet in die weite Welt. „Das weckte in mir den Wunsch, das Gesehene besser zu verstehen“, begründet sie, weshalb sie in Abendschule ihr Abitur machte und Anglistik, Germanistik sowie Literatur zu studieren begann. Mit ihrem Mann, der in der Entwicklungshilfe tätig war, lebte sie drei Jahre lang in Peru, wo sie eine noch heute renommierte Sprachschule  gründete. Zurück in Frankfurt arbeitete sie freiberuflich als Übersetzerin und Literaturvermittlerin. 2006 erhielt sie eine Festanstellung bei Litprom, 2009 wurde sie dort Geschäftsleiterin – „wieder ein Glücksfall“.

Das Jahr 2016 setzt für sie nicht nur wegen der Wahl zur Bücherfrau einen Markstein, sondern auch, weil sich für sie „ein Kreis schloss“: Im November besuchte sie nach 40 Jahren erstmals wieder Singapur, jetzt als  Litprom-Vertreterin anlässlich eines Writer-Festivals. „Diesmal hatte ich besser verstanden, wo ich eigentlich war“, merkt Djafari an und lacht.

Auch in Teheran und Korea war sie in diesem Jahr beruflich unterwegs. Auf eine mögliche Furcht vor terroristischen Anschlägen angesprochen, betont sie, dass sie sich vielmehr darum sorge, wenn Islam mit Terrorismus gleichgesetzt werde. Sowohl sie als auch ihr Mann mit seinen persischen Wurzeln seien nicht religiös, während ihre Schwiegermutter gläubige Muslimin sei.

„Unsere Arbeit ist im Moment wichtiger denn je“, äußert sie sich über Litprom. „Ich halte Literatur für eines der besten Mittel, um Interesse, Empathie und Verständnis zu wecken. Sie bewahrt davor, Gruppen von Menschen, wie zum Beispiel aktuell Flüchtlinge, über einen Kamm zu scheren.“  Ein Auseinanderdriften der christlich und der islamisch geprägten Welt könne sie nicht wahrnehmen: „Ich kenne überall weltoffene Menschen.“ Im Grunde seien wir längst zusammengerückt: „Jeder Betrieb reist in der Welt umher. Es würde uns guttun, einander zuzuhören“, konstatiert Djafari. Deshalb organisiert Litprom seit 2010 alljährlich auf der Buchmesse in Frankfurt den „Weltempfang – Zentrum für Politik, Literatur und Übersetzung“ mit Autoren aus aller Welt sowie über das Jahr verteilt vier weitere Diskussionsveranstaltungen mit internationaler Beteiligung. Gerne würde sie damit noch mehr  – „und nicht immer nur die gleichen“ –  Menschen ansprechen.

Außerdem hat sich die Geschäftsführerin mit ihrem vierköpfigen Team auf die Fahnen geschrieben, den LiBeraturpreis, den Litprom vergibt, „zur kleinen Schwester des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels zu machen“. Mit dem LiBeraturpreis wird jedes Jahr das Buch einer Autorin aus dem Süden ausgezeichnet. „Ich halte nichts davon, als Deutsche für die Emanzipation von Frauen beispielsweise in Nigeria einzutreten. Das können diese selbst glaubwürdiger. Aber ich hätte gerne ein Budget, um beispielsweise im Heimatland einer ausgezeichneten Afrikanerin eine Schreibwerkstatt für Frauen zu ermöglichen“, berichtet Djafari von einer ihrer Ideen.

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