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FULDA-MOSOCHO-PROJEKT jetzt auch in Nachbarregionen – 
Ein Fuldaer Erfolgsrezept in Kooperation mit Afrika      

In Hessen stehen Schulbänke gerade einsam und vergessen in sommerferienruhigen Schulgebäuden. In den kenianischen Regionen Marani und Kisii-South stehen die Menschen Schlange, um einen Platz an einem der Tische in den Seminaren des FULDA-MOSOCHO-PROJEKTES zu bekommen. Entschlossenheit, Neugier, Leidensdruck – aus vielen Gründen haben sich die Menschen in den Nachbarregionen von Mosocho auf den Weg gemacht, um auch ihre Töchter, Enkelinnen oder Nichten vor Weiblicher Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation/ FGM) zu schützen. Sie haben schon viel vom Projekt gehört, welche unglaublichen Veränderungen die Menschen in Mosocho geschafft haben und dass es da eine „Guest of Honour“ geben soll.

Um so viele Männer und Frauen wie möglich in den ländlichen Gegenden im Hochland Kenias zu erreichen, finden bald erneut Dorfversammlungen (Baraza) statt, auf denen das tief kulturell verankerte Ritual FGM öffentlich diskutiert wird. Bisher konnten in Marani und Kisii-South auf diese Weise mehr als 3.000 Männer und Frauen erreicht werden, die neues Wissen über das Wunder des weiblichen Körpers mit nach Hause in ihre Familien nehmen konnten. Die Betrachtungsweise ist von grundlegender Wichtigkeit: Erst mit dem Selbstverständnis von Gleichwertigkeit von Mann und Frau kann der weibliche Körper in seiner Unversehrtheit geschätzt und geschützt werden.

„Viele Leute an vielen Orten können das Gesicht der Welt verändern“

„Viele Leute an vielen Orten können das Gesicht der Welt verändern“, sagt ein afrikanisches Sprichwort. Im FULDA-MOSOCHO-PROJEKT treten die Menschen in Mosocho, Marani und Kisii-South jeden Tag erneut den Beweis dazu an. Ihr Antrieb und Ansporn ist die Rettung von Mädchen vor Weiblicher Genitalverstümmelung. „Mein Verstand sagte mir: Du kannst dein Feld nicht alleine lassen, das ist dein täglich Brot. Mein Herz sagte mir: Du musst etwas tun, andere müssen davon erfahren, unsere Töchter sollen nicht mehr so unter Beschneidung leiden!“, schildert Phyllis Abunda ihre Beweggründe, sich als Ansprechpartnerin öffentlich den Gemeindemitgliedern vorzustellen. Das erfordert in einer Region, in der noch über 90 Prozent der Bevölkerung FGM befürworten, Mut und die Sicherheit, in schwierigen Gesprächen über Genitalverstümmelung passende Worte zu finden. Auch Joseph Onyancha und Priscah Monyenye sind wichtige Pfeiler der ehrenamtlich Aktiven vor Ort. Als angesehene Persönlichkeiten erreichen sie die Menschen, die in die Anlaufstelle in Kisii-South kommen. Dort finden Ratsuchende kompetente Ansprechpartner/-innen, die sie nicht verurteilen, sondern Antworten auf ihre Fragen haben und mit viel neuem Wissen zu ihren Familien heimkehren lassen. In Gesprächen mit ihren Lieben finden sie zwar viele Herausforderungen, doch auch den größten Lohn: Die gute Entscheidung, die Tochter nicht beschneiden zu lassen und ihr ein Leben in Unversehrtheit zu ermöglichen.

Erste Erfolge – Nachfrage wächst

In 36 Gemeinden konnten in den vergangenen zwei Jahren in den beiden Projektregionen Marani und Kisii-South 55 Baraza veranstaltet werden. Diese Versammlungen sind Treffpunkt, Informationsveranstaltung und Diskussions- und Lernforum für Bürgermeister, die „Ältesten“ und Bürger/-innen einer Gemeinde – das Herzstück des sozialen Lebens. Es folgten pro Region drei 1,5-jährige Ehrenamts-Schulungsreihen (Wert-Zentrierte Volunteers-Trainings) für 200 Freiwillige, durchgeführt vom FULDA-MOSOCHO-TEAM unter Leitung der Anti-FGM-Fachkraft Kerstin Hesse des Trägervereins Lebendige Kommunikation mit Frauen in ihren Kulturen e.V.(LebKom). So konnten bereits 600 akut bedrohte Mädchen vor der Genitalverstümmelung geschützt werden. Für die kommenden Seminare übersteigen die Nachfragen bereits jetzt das Angebot.

Noch sind 9 von 10 Mädchen in Marani und Kisii-South von FGM bedroht. Je mehr Menschen Zugang zu den Wert-Zentrierten Baraza und Volunteers-Trainings erhalten, die für 2 Jahre von der ALTERNAID Stiftung für Menschen in Not finanziell unterstützt werden, desto mehr Mädchen können vor der Tortur bewahrt werden. Dass es funktioniert, haben die Menschen in Mosocho vorgemacht: Die „Guest of Honour“, die Klitoris, ist dauerhafter Ehrengast in dieser wandlungsfähigen Gesellschaft. Weit über 30.000 Mädchen sind dort mittlerweile nachhaltig vor Genitalverstümmelung geschützt.

Die Entwicklungszusammenarbeit

Die UNICEF zeichnete das FULDA-MOSOCHO-PROJEKT als eines der weltweit besten zur Überwindung von Weiblicher Genitalverstümmelung aus. In Marani, Kisii-South und Mosocho stehen Menschen Schlange, um Teil des Fuldaer Projektes zu sein. Das Angebot des Vereins LebKom mit Sitz im osthessischen Fulda basiert auf innovativen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Der Wert-Zentrierte Ansatz, entwickelt von der Fuldaer Professorin Dr. Muthgard Hinkelmann-Toewe vom CENTER FOR PROFS, ist wegweisend für den gesellschaftlichen Wandel und der Erfolgsgarant der nachhaltigen Strategie für ein äußerst drängendes Problem, denn 200 Millionen Mädchen und Frauen sind weltweit betroffen. Zur Finanzierung der für die Fortführung des Entwicklungsprozesses so wichtigen Dorfversammlungen ist der Verein auch auf Spenden angewiesen, damit so viele anfragende Menschen wie möglich aus den 36 Gemeinden der erweiterten Projektregion in den Entwicklungsprozess eingebunden werden können.

Afrika – das Miteinander im Fokus

„Reformchampions“ sucht Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Zur Eröffnung der G20-Afrika-Konferenz der Bundesregierung Mitte Juni hatte der Minister von Anreizen gesprochen, die er setzen wolle. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte mehr Dynamik von Afrika. Eine wunderbare, beispielhafte Umsetzung für Reformchampions und Dynamik gibt es bereits. Dazu Hinkelmann-Toewe: „Die Champions des FULDA-MOSOCHO-PROJEKTES sind zu Tausenden zu finden in den kenianischen Regionen Mosocho, Marani, Kisii-South mit insgesamt 350.000 Einwohnern: Männer wie Frauen, Alte und Junge, Analphabeten und Akademiker/-innen. Der beste ‚Anreiz‘, Champion zu werden, ist eine qualifizierte Ausbildung zur flächendeckenden Implementierung von Menschenrechten für Frauen in Familie und Community“. Im osthessischen Fulda gibt es seit Jahren Antworten auf Fragen, die anlässlich der G20-Präsidentschaft und dem von Deutschland gesetzten Motto „Compact with Africa“ neu beantwortet werden sollen. Unterstützen Sie die Arbeit von LebKom e.V. durch Ihre Kooperation, tragen Sie zum weiteren Bekanntwerden/ Gelingen der Projekte des FULDA-MOSOCHO-TEAMS bei!

Infokasten
Spendenkonto
Lebendige Kommunikation e.V.
IBAN: DE45 5305 0180 0043 5102 03 BIC: HELADEF1FDS
Stichwort: Genitalverstümmelung überwinden
Telefon: 0661–64125, E-Mail: info@fulda-mosocho-project.com
www.fulda-mosocho-project.com

Hintergrundinformationen

Was ist FGM?

Die Verstümmelung weiblicher Geschlechtsorgane (englisch: Female Genital Mutilation/ FGM) ist kulturell tief verankert. Entgegen weit verbreiteter Auffassungen ist es nicht religiös begründet. In den Ethnien ist tabu, über die Praktik FGM und ihre Folgen zu sprechen. Ihre Konsequenzen sind weitreichend: Der Eingriff selbst wird gewaltsam, i.d.R. ohne Betäubung, an jungen Mädchen vorgenommen. Beschneiderinnen benutzen (Küchen-)Messer, platt geschlagene Nägel, Glasscherben oder Rasierklingen, um dem Opfer das weibliche Geschlechtsorgan, die Klitoris, herauszuschneiden. Jährlich erleiden 3 Millionen Mädchen diese qualvolle Tortur – jede 11 Sekunden eins. FGM ist in 28 Ländern Afrikas und in einigen asiatischen Ländern verbreitet.

Viele Mädchen (5 – 10 %) verbluten, viele infizieren sich mit tödlichen Krankheiten oder sterben aufgrund unglaublicher Schmerzen.
Die lebenslangen physischen und psychischen Folgen der Praktik sind unerträglich: Das Ritual zu erleiden, führt zu radikalem Vertrauensverlust und schweren Traumata. Diese können aufgrund der Tabuisierung des Themas nicht einmal ansatzweise aufgearbeitet werden. Die Beschnittene verliert durch das Herausschneiden der Klitoris ihr sexuelles Empfindungsvermögen. Sie erleidet besonders bei der Geburt eines Kindes sowie beim Geschlechtsverkehr aufgrund des vernarbten oder zugenähten Gewebes höllische Schmerzen, nicht wenige sterben bei der Geburt. Selbst das Urinieren wird zur Qual.

Gesellschaftliche Verankerung eines Tabus

Die Ursache für FGM ist gesellschaftlich verankert. Sie liegt in den gesellschaftlichen, patriarchalen Strukturen, in denen Frauen als minderwertig angesehen werden und Männer ihnen das Recht auf eine eigene, selbst bestimmte Sexualität absprechen.
Die Rollenverteilung in FGM-praktizierenden Ethnien ist sehr rigide: Frauen müssen Kinder bekommen und ihrem Mann gehorchen. In der patriarchalen Gesellschaftsstruktur ist es für einzelne Frauen aus ihrer Position heraus fast unmöglich, etwas an ihrer Lage zu verändern.

Gesellschaftlicher Druck, Familienhierarchien und Zukunftsängste – unbeschnittene Frauen werden als unverheiratbar angesehen und sind somit der absoluten sozialen Ausgrenzung ausgeliefert – sollen den Fortbestand des Rituals sichern. Es herrscht ein großes Tabu, überhaupt darüber zu sprechen.

Erst nach der Verstümmelung werden Frauen als ehrbar, anständig und gehorsam angesehen. Eine unversehrte Frau zerstöre die Ehre und das Ansehen der ganzen Familie durch ungezügelten Sexualtrieb, so der Mythos.

Das FULDA-MOSOCHO-PROJEKT

Das FULDA-MOSOCHO-PROJEKT startete seine Arbeit in 2002 in der Mosocho-Region Kenias. Im Mittelpunkt stehen Schulungen / Seminare/ Aus- und Fortbildung aller Zielgruppen vor Ort nach dem Wert-Zentrierten Ansatz, auf deren Nachfrage hin. Bislang konnten mehr als 30.000 Mädchen in einer Region von rund 130 000 Einwohnern/-innen vor der Praktik bewahrt werden. Erklärtes Ziel ist, der Verstümmelung von Mädchen und Frauen weltweit ein Ende zu setzen. Vor 15 Jahren waren 98 Prozent der Mädchen in der Projektregion Mosocho/Kenia bedroht. Heute sind 80 Prozent von ihnen nachhaltig geschützt. Das Projekt wird wissenschaftlich getragen vom CENTER for PROFS und auf der Umsetzungsebene vom gemeinnützigen Verein Lebendige Kommunikation, in Zusammenarbeit mit den Aktiven in Mosocho/Kenia. Aufgrund der starken Nachfrage wurde die Arbeit des FULDA-MOSOCHO-Teams auf weitere Regionen – Marani und Kisii-South – in Kenia ausgeweitet.

Die Ausbildung in Kenia

Den Anfang bildete von 2002 bis 2005 eine berufsbegleitende Intensivausbildung für Lehrerinnen und Lehrer sowie für Schulleitungen aus allen Schulen der Projektregion. Durchgeführt wurde die Intensivausbildung von hierfür speziell geschulten Mitarbeiterinnen – Anti-FGM-Fachkräfte – des Vereins Lebendige Kommunikation aus Fulda, vor Ort unterstützt von einem deutsch-kenianischen Team. Die Ausbildung umfasste insgesamt 210 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, von denen 50 Prozent Männer waren. Männer als Entscheidungsträger in den Ethnien sind Hauptzielgruppe dieser Arbeit. Seither folgen aufgrund großer Nachfrage aus der Bevölkerung weitere Wert-Zentrierte Schulungen und Seminare, auch in Wert-Zentrierten Elternschulen.

Im Mittelpunkt der Schulungseinheiten stehen neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Bereichen Sexuelle und Reproduktive Gesundheit, Wissen zur Anatomie und Funktionsweise des weiblichen Sexualorgans, der Klitoris, zudem Fakten zu FGM, Sensibilisierende Inhalte zu Themen wie Gleichberechtigung, Situation von Mädchen und Frauen, Familienleben. Und Elemente der Pädagogik, wie Reflexionsfähigkeit, Kommunikationsskills, Teamarbeit. Die Umsetzung des Gelernten in die Praxis wird begleitet und durch regelmäßige Weiterbildungen fortgeführt.
Jede Zielgruppe benötigt individuelle Ansprache, einen individuellen Umgang mit den Themenbereichen. Die Anti-FGM-Fachkräfte von Lebendiger Kommunikation e.V. sind dafür qualifiziert, sich auf die jeweiligen Bedürfnisse einzustellen.

CENTER for PROFS

Das CENTER for PROFS ist ein unabhängiges Forschungs- und Praxisinstitut, hervorgegangen aus der Hochschule Fulda, geleitet von Prof. Dr. Muthgard Hinkelmann-Toewe. Es betreibt Grundlagen- und anwendungsbezogene Forschung. Auf Basis dieser Forschungserkenntnisse entwickelt es innovative Strategien, Ansätze und Modelle, die zur Verwirklichung der Gleichberechtigung / Gleichstellung / Gleichbehandlung von Mann und Frau und zur Verwirklichung der Menschenrechte für Frauen global und lokal anwendbar sind. Dabei geht es insbesondere um die Lösung solcher Probleme, die den Bereichen „Gewalt gegen Frauen“ und „Sexualität und Fortpflanzung“ zuzurechnen sind, wie traditionelle Praktiken, Weibliche Genitalverstümmelung/FGM, HIV/Aids, Überbevölkerung, etc.
Zudem bildet das CENTER for PROFS Männer und Frauen auf Nachfrage darin aus, auf der Basis des Wert-Zentrierten Ansatzes individuell entwickelte Vorhaben und Modelle in ihrer Berufspraxis umsetzen zu können. Ein Ergebnis seiner Grundlagenforschung ist der Wert-Zentrierte-Ansatz, der aktuell im Kampf gegen Weibliche Genitalverstümmelung in Kenia zum Einsatz kommt.

Die internationale Studie des Innocenti Research Centre von UNICEF aus 2010 zeichnet nicht nur das FULDA-MOSOCHO-PROJEKT als eines der besten weltweit im Kampf gegen FGM aus, sondern vor allem den Wert-Zentrierten Ansatz als Schlüssel für diesen Erfolg.

Der organisatorische Hafen Lebendige Kommunikation e.V.
Um die Arbeit in Kenia zu ermöglichen, werden auf Einladung der jeweiligen Ethnie speziell geschulte Anti-FGM-Fachkräfte aus dem osthessischen Fulda nach Kenia entsandt, die vor Ort in Seminaren, Schulungen und Workshops Professionelle, wie Lehrer/-innen, Schulleitungen, Bürgermeister, Clanälteste für den von ihnen angestrebten gesellschaftlichen Wandel ausbilden und solche, die sich ehrenamtlich für das Ende von FGM in ihrem Kontext engagieren wollen.

Bei allen Schritten und Maßnahmen des FULDA-MOSOCHO-PROJEKTES ist gewährleistet, dass sie durch hohe Beteiligung und Einsatz der Menschen vor Ort realisierbar sind. Alles, was angegangen und geleistet wird, führt nicht zu bilateralen Abhängigkeiten, sondern ist Ausbildung Hilfe zu direkter nachhaltiger, flächendeckender Umsetzung (Hilfe zur Selbsthilfe). Die gesamte Kooperation mit den Menschen vor Ort, Hand in Hand und auf gleicher Augenhöhe, ist dem Ziel verpflichtet, vorhandene Potentiale zu wecken, zu aktivieren und zum Wohle des/der Einzelnen und der gesamten Community zum Einsatz zu bringen, mit dem Ergebnis, dass sich die Lebensbedingungen ganzer Gemeinden vor Ort qualitativ – und somit auch in ökonomischer Hinsicht – verbessern.

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