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Unterschiedliche Betreuungskonzepte für Kinder nach einer Trennung ihrer Eltern

Bisher gab es keine Grundlage, auf der die Familiengerichte gegen den Willen eines Elternteils ein paritätisches Wechselmodell hätten anordnen können. Nachdem nun aber ein Vater Rechtsbeschwerde eingelegt hat, entschied der Bundesgerichtshof jedoch, dass dies zukünftig nicht mehr ausgeschlossen sein soll.

Ein „paritätisches Wechselmodell“ liegt vor, wenn die Betreuungsleistung annähernd gleich (50:50) aufgeteilt ist. Dies gilt aber auch, wenn die Betreuung um bis zu zehn Prozent vom rechnerischen Mittelwert abweicht. Im Gegensatz dazu spricht man von einem „Residenzmodell“, wenn das Kind seinen überwiegenden Lebensmittelpunkt (70:30) bei einem Elternteil und einen (regelmäßigen) Umgang mit dem nicht anwesenden Elternteil hat. Eine dritte eher seltene Option, bei der die Kinder „alleine“ in der Familienwohnung leben und dort abwechselnd von ihren Eltern betreut werden, nennt man „Nestmodell“. Auch hier ist häufig eine Betreuungsverteilung wie bei einem Wechselmodell üblich.

Keines der Modelle stellt ein gesetzliches Leitbild dar. Es gibt keinerlei Vorgaben, wie Eltern die Betreuung ihrer Kinder aufzuteilen haben. Auch die Frage, wie Eltern bei einem Residenzmodell den Umgang ihres Kindes mit dem nicht anwesenden Elternteil organisieren, bleibt ihnen selbst überlassen. Eltern sind in ihren Entscheidungen einzig an das Wohl ihrer Kinder gebunden.

Die Mehrzahl der von Trennung und Scheidung ihrer Eltern betroffenen Kinder lebt in Deutschland in einem Residenzmodell. Diese Kinder haben ihren Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil und mit dem anderen, nicht anwesenden Elternteil meist regelmäßigen Kontakt. Zunehmend entscheiden sich jedoch Eltern auch für ein paritätisches Wechselmodell. Die Initiative dabei geht oft von den Vätern aus. Es gibt Länder, da legt das Recht die paritätische Betreuung der Kinder als Regelbetreuungsmodell fest (z. B. Belgien seit 2006). In Staaten wie Schweden, Norwegen und Frankreich ist ein paritätisches Wechselmodell verbreitet. Für Deutschland kann man Zahlen im mittleren einstelligen Prozentbereich annehmen.

Nach Aussage von Reinhard Baumann, Diplom-Sozialpädagoge bei der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Landkreises Fulda, könne das Wechselmodell gleichsam das beste und das schlechteste Modell für ein Kind sein. Das Betreuungskonzept selbst stehe in keinem Zusammenhang mit dem Wohlbefinden eines Kindes. „Nicht die Quantität der Kontakte mit einem Elternteil bestimmt sein Wohlbefinden, sondern die Qualität.“ Wenn Eltern ihre Konflikte gut miteinander regulierten, sei das Wechselmodell ein gutes Modell. Stritten die Eltern aber häufiger, könne das für ein Kind problematischer sein als ein Beziehungsabbruch zu einem Elternteil. Kinder im Säuglingsalter sowie ältere Kinder und Jugendliche seien eher durch ein Wechselmodell belastet. Pflichtbewusste Kinder, die in der Lage seien, ihre Aufgaben selbständig zu regeln, würden jedoch profitieren.

Eltern, die sich trennen, sollten sich nicht von vornherein auf ein Betreuungskonzept festlegen, rät Reinhard Baumann. „Besser ist es, lösungsoffen miteinander das Gespräch aufzunehmen, ehrlich die Situation der Familie zu analysieren, auszuprobieren und zu sehen, was funktioniert.“ Jeder Plan sich entwickeln und dürfe verändert werden. Dabei sei es grundsätzlich sinnvoll, die betroffenen Kinder mit zunehmendem Alter mehr an Entscheidungsprozessen zu beteiligen.

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