Logo

Lehrermangel: Tausende Vertretungskräfte ohne pädagogische Ausbildung an den Schulen

Der Mangel an qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern in Hessen ist weit größer als die Statistiken vorgeben: So fehlten zu Schuljahresbeginn offiziell 100 Lehrkräfte alleine an den Grundschulen. Gleichzeitig sind an allen hessischen Schulen aber mehrere tausend Personen im Einsatz, die keinerlei pädagogische Ausbildung besitzen: sowohl Vertretungskräfte für den Unterricht sowie sogenannte externe Kräfte, die die Kinder betreuen und beaufsichtigen sollen. (Zur Unterscheidung von externen Kräften und Vertretungskräften siehe Seite 2)

Bei den offiziellen Zahlen sei also Vorsicht geboten, warnt Stefan Wesselmann, Landesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) Hessen: „Hinter den Vertretungskräften stehen in Wahrheit viele weitere Lehrerstellen, die eigentlich dringend mit ausgebildeten Kolleginnen und Kolleginnen besetzt werden müssten!“

Keine Reserve an qualifiziertem Personal
Das Problem: Durch den Lehrermangel gibt es aktuell keine Reserve an ausgebildeten, (noch) nicht angestellten Lehrerinnen und Lehrern, auf die die Schulen bei Bedarf zurückgreifen könnten. „Als Gewerkschaft sind wir natürlich froh, dass keine Kollegin und kein Kollege arbeitslos ist“, betont Wesselmann. „Doch in punkto Vertretung bringt uns diese Situation in die Klemme!“ Denn die Schulen müssen sehen wie – und mit wem – sie den Unterricht sicherstellen.

„Ohne Frage sind die Kolleginnen und Kollegen an den Schulen dankbar für jede Unterstützung. Denn ohne die Vertretungskräfte und die externen Kräfte würde das System häufig zusammenbrechen!“, erläutert Wesselmann. Und zweifellos gebe es Frauen und Männer, die ihre Aufgabe mit Herzblut und Engagement angehen und auch ohne pädagogische Ausbildung einen wertvollen Beitrag leisten. Doch zugleich warnt Wesselmann: „Wir dürfen den Anspruch auf Professionalität nicht zugunsten einer wie auch immer gearteten Unterrichtsversorgung aufgeben!“

Die hohe Zahl an Seiteneinsteigern aus anderen Berufen sei ein verheerendes Zeichen, da es suggeriere: Ein Studium ist für den Lehrerberuf gar nicht notwendig. Der VBE Hessen hält es dagegen für grundlegend, dass Unterricht nur von Profis gehalten wird. „Die Landesregierung muss also unbedingt weitere Anstrengungen unternehmen, für Lehrernachwuchs zu werben, Lehrkräfte auszubilden und dieses qualifizierte Personal an die Schulen zu bringen“, so Wesselmann.

Hintergrund-Information
Wer kommt an unseren Schulen zum Einsatz?

Neben den Lehrerinnen und Lehrerinnen, die als Beamte oder als Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes dauerhaft an den Schulen im Einsatz sind, gibt es:

Vertretungskräfte
Sie werden im Fachunterricht eingesetzt, zum Beispiel weil die eigentliche Lehrkraft absehbar auf längere Zeit krankgeschrieben ist oder sich in Mutterschutz bzw. Elternzeit befindet. Sie unterrichten und dürfen auch Noten geben.
Die Vertretungskräfte haben einen befristeten Tarifvertrag.

Externe Kräfte
Externe Kräfte springen kurzfristig ein, wenn eine Lehrkraft erkrankt oder aus anderen Gründen abwesend ist. Ihre Aufgabe ist primär die Betreuung und Beaufsichtigung der Kinder („Verlässliche Schulzeit“, früher: „Unterrichtsgarantie Plus“). Auch „unterrichtsergänzende Maßnahmen“ wie das Beaufsichtigen bei selbständigem Arbeiten, Üben und Anwenden des gelernten Stoffs sind möglich.
Die externen Kräfte werden auf Stundenbasis bezahlt: Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung erhalten aktuell 15 Euro, Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung sowie Lehramtsstudierende 20 Euro, fertig ausgebildete Lehrkräfte 26 Euro

Sowohl bei den Vertretungskräften als auch bei den externen Kräften gibt es Personen mit einem (abgeschlossenen) Lehramtsstudium oder einer pädagogischen Ausbildung. Die Mehrheit stellen jedoch Menschen mit ganz anderen Biografien, zum Beispiel zugewanderte Akademiker, deren Abschluss hier nicht anerkannt wird; Selbständige, die sich etwas dazuverdienen wollen oder engagierte Eltern.

Categories:

Alle Nachrichten