Logo

Modell für intensive Integrationsarbeit Interview mit der Leiterin des LebKom-Begegnungscafés in Hofbieber

„Wer nach Deutschland kommt, der muss sich an unsere Regeln, wie die Gleichberechtigung der Geschlechter, halten“, lautet eine Feststellung in der Flüchtlingsdebatte. Vergessen wird dabei oft, dass diese Wertvorstellung – die zugleich ein Menschenrecht ist – in unserer Gesellschaft mehrere Generationen gebraucht hat, um sich weitgehend durchzusetzen. Damit Menschen mit anderer kultureller Prägung unsere Auffassung von der Gleichwertigkeit von Mann und Frau verstehen und danach leben können, hat der Verein „Lebendige Kommunikation“ (LebKom) vor zwei Jahren in der Hofbieberer Flüchtlingsunterkunft „Georgshöhe“ das Begegnungscafé ins Leben gerufen. Nun ist diese Einrichtung vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt“ (BfDT) in einem bundesweiten Wettbewerb als einziges hessisches Projekt ausgezeichnet worden. Sozialpädagogin Claudia Wegener, die im Hofbieberer Ortsteil Wiesen wohnt, leitet das Begegnungscafé.

Geht es in dem Projekt um die Begegnung zwischen Einheimischen und geflüchteten Menschen?
C.W.: Auf jeden Fall; doch wir gehen einen anderen Weg als zum Beispiel bei Angeboten wie Spiele- oder Kochabenden . Wir haben in Gesprächen mit den Geflüchteten festgestellt, dass sich die Bewohner untereinander kaum kannten. Durch Gesprächsrunden haben wir zu einem friedvollen Miteinander in der Unterkunft beigetragen. Vor Begegnungen mit Deutschen scheuten die meisten erst einmal zurück; ihnen war vieles unverständlich; sie hatten großes Interesse, zunächst mehr über unsere Kultur zu erfahren. Nach einer Weile suchten sie dann von sich aus Kontakt zu Einheimischen, je nach persönlichen Interessen die einen im sportlichen, die anderen im kulturellen Bereich.

Wie gelingt es Ihnen, das Gespräch zu so privaten Themen wie Partnerschaft zu eröffnen?
C.W.: Dabei spielt das Vorgehen nach dem Wert-Zentrierten Ansatz (WZA) eine wesentliche Rolle, den Prof. Muthgard Hinkelmann-Toewe entwickelt und an der Hochschule Fulda gelehrt hat. Wichtig ist, nichts überzustülpen, sondern die Impulse der Anwesenden aufzugreifen ; Familie und Sexualität beschäftigen die Menschen in allen Kulturkreisen. Auch wurde ein Raum geschaffen, in dem jeder sich vertrauensvoll äußern darf, ohne dass seine Aussagen bewertet werden. Das führt dann zu neuen Fragen, bezogen auf sich selbst und auf das Miteinander und auf kulturelle Gepflogenheiten.

Kommen zu diesen Gesprächsrunden nicht nur die Menschen, die sowieso aufgeschlossen sind?
Ich erinnere mich an ein lebhaftes Gespräch zum Thema Polygamie. Eine Afghanin sagte, sie wolle für sich keine Vielehe. Eine hitzige Diskussion zwischen Anwesenden aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Iran und Pakistan begann. Doch am Ende überwog die Erkenntnis, dass es eine freie Entscheidung ist, Traditionen auch infrage stellen zu dürfen, wenn viele Menschen – in dem Fall vor allem Frauen – darunter leiden.

Können Sie sich eine Ausweitung des Projektes vorstellen?
C.W.: Der Bedarf ist zweifellos vorhanden. Doch bräuchte es politische und finanzielle Unterstützung, damit für diese Art der Integrationsarbeit mehr Integrationshelfer im WZA geschult werden können.
Wie verwenden Sie das Preisgeld in Höhe von 2000 Euro?
C.W.: Ein Teil fließt ins Fulda-Mosocho-Projekt (FMP). Das BAMF propagiert die Verzahnung von Integrations- mit Entwicklungszusammenarbeit, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Genau das tut unser FMP, indem es die Stellung der Frau in Afrika stärkt.

Infokasten: Zur Person
Claudia Wegener stammt aus Grevenbroich im Rheinland und studierte an der Hochschule Fulda Sozialpädagogik. Dort begeisterte sie sich für den Wert-Zentrierten Ansatz, den Prof. Dr. Muthgard Hinkelmann-Toewe entwickelt hat. Gemeinsam mit anderen Studentinnen nahm sie mit der Professorin an mehreren UN-Konferenzen zum Thema Entwicklungszusammenarbeit teil, arbeitete später als Leiterin eines Caritas-Heimes, baute in Kenia das Fulda-Mosocho-Projekt mit auf, und widmet sich heute mit viel Engagement neben der Projektarbeit im Begegnungscafé der Begleitung ihres schwerbehinderten Kindes.

Categories:

Alle Nachrichten