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Ansätze gegen den Fachkräftemangel von Dr. Christa Larsen und der Vogelsberg Consult GmbH

Es war ein Abend für die Vogelsberger Unternehmerschaft, eine Möglichkeit zum Austausch, eine Gelegenheit aktuelle Arbeitsmarkttrends in der Region zu diskutieren und nicht zuletzt den einen oder anderen Lösungsansatz mit nachhause zu nehmen. Eingeladen hatte das UnternnehmensNetz Vogelsberg, eine Einrichtung der Vogelsberg Consult GmbH; als Referentin war Dr. Christa Larsen vom IWAK (Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur der Goethe-Universität Frankfurt) nach Alsfeld in die Villa Raab gekommen. Ihr Institut liefert seit 2010 regelmäßig Zahlen zur regionalen Beschäftigungsprognose und zur Bedeutung des demographischen Wandels. Ein Thema, das auch die Vogelsberger Firmen beschäftigt: Gut sechzig Unternehmerinnen und Unternehmer, Geschäftsführende und Betriebsinhaber waren der Einladung gefolgt, ebenso wie Dr. Jens Mischak, Erster Kreisbeigeordneter und Wirtschaftsdezernent.

Matthias Steckenreuter von Vogelsberg Consult führte mit anschaulichen Zahlen über die Arbeitsmarktentwicklung im Vogelsberg in das Thema ein: Prognosen im Jahr 2010 gingen davon aus, dass der Bevölkerungsrückgang die Arbeitslosenquote schrumpfen ließe, was sich bei der Verlaufsbetrachtung von 2010 bis 2019 mit einem Rückgang von 7,7% auf 4,8% bestätige. Damit einher gehe jedoch ein eklatanter Fachkräftemangel, auf den die Referentin im Anschluss detailliert einging. Dabei legte sie das Augenmerk wie bei den Vorerhebungen auf kurzfristige Prognosen, die den gegenwärtigen Verlauf miteinbeziehen und Lösungsansätze bieten. Eine Karte der Region und der umliegenden Kreise machte deutlich, dass insbesondere auch die nördlich und nordöstlich angrenzenden Gebiete genauso wie der Vogelsberg unter einem kritischen Arbeitskräftemangel leiden. Von dort also Arbeitskräfte abwerben zu wollen, werde eine schwierige Aufgabe sein, so Larsen. Daher gelte es, die Potenziale im Kreis zu nutzen. In Zahlen stellte sich ihre Prognose für den Vogelsbergkreis wie folgt dar: Bis 2024 werden 6.450 Arbeitskräfte fehlen, der größte Teil – 5.240 Arbeitnehmer – mit Berufsausbildung, ein kleinerer Teil ohne Berufsausbildung und ebenfalls ein kleiner Teil mit Hochschulabschluss. Bemühungen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssten sich also offensichtlich auf Personen mit Berufsabschluss fokussieren. Als Ursachen für die Engpässe machte die Expertin zu einem großen Teil den altersbedingen Ersatzbedarf aus. Diese Zahl habe sich im Lauf der Betrachtung seit 2010 von 3.190 auf zu erwartende 8.270 sehr dynamisch entwickelt, führte Larsen aus – ihr Fazit: „Die Grundkoordinaten des Arbeitsmarktes sind alarmierend. Die Lücke ist groß.“ Waren frühere Fachkräftemängel konjunkturbedingt, so seien sie jetzt das Ergebnis der Verrentung. Kreisweite Anstrengungen seien erforderlich, damit die Region lebensfähig bleibe.

Als Möglichkeit, dieser Entwicklung Herr zu werden, müssten die Unternehmen ihr betriebliches Verhalten ändern, lautete ein Rat der Expertin. Zusätzlich zu großen Anstrengungen im Ausbildungsbereich könnten Menschen mit verschiedenen Arbeitszeitmodellen länger in Arbeit gehalten werden, so ein Vorschlag Larsens. Man müsse sich darum bemühen, Akademiker wieder zurückzuholen. Die Familienphase, in der es darum gehe, Lebensqualität für die Familie zu schaffen, biete sich hier an. Mit Blick auf die einzelnen Branchen wie beispielsweise die Logistik, in der viele Helfer beschäftigt sind, rät sie zur Weiterqualifikation der bereits beschäftigten Mitarbeiter. In den im Vogelsberg in Rede stehenden Berufen sind deutlich mehr Männer beschäftigt. Kontinuität könne daher auch mit der Beschäftigung von Frauen erreicht werden. „Frauen sind eine große Ressource“, appellierte die Rednerin an die Unternehmen, auch für Frauen passende Arbeitszeit- und Kinderbetreuungsmodelle bereitzustellen. Als besonders kritischen Bereich identifizierte Larsen die Pflege. Hier sei ein doppelter negativer Effekt zu erwarten: Die Menschen werden immer älter, auch Pflegekräfte steigen aus dem Beruf aus, und es gibt zu wenig Nachwuchs. Um hier vorzubeugen sei Ausbildung die zentrale Strategie. Man müsse Ausbildungsabbrüche vermeiden und Helfer nachqualifizieren. Mit Blick auf die zunehmende Akademisierung junger Menschen sprach Larsen sich für das Duale Ausbildungsintegrierte Studium aus. Grundsätzlich gelte es, abgewanderte Menschen wieder zurückzuholen, indem man die Region als den attraktiven Wohn- und Arbeitsort bewirbt, der sie ist. „Der Vogelsberg ist die Region für die perfekte Work-Life-Balance“, fand die Rednerin. An die Gäste des Abends gerichtet, schloss Larsen ihren Vortrag: „Lassen Sie sich nicht erschrecken von den Zahlen. Tun Sie sich zusammen!“

In einem zweiten Schritt stellten Matthias Steckenreuter und Katharina Barth den Handlungsansatz ProAbschluss vor, der genau da ansetzt, wo die Expertin Nach- und Weiterqualifizierung vorschlug: Über die Qualifizierungsoffensive des Landes Hessen können Betriebe und Arbeitnehmer die Nachqualifikation von Mitarbeitenden vorantreiben und Menschen ohne Berufsabschluss zu Fachkräften ausbilden. Die Bildungscoaches der Vogelsberg Consult stehen hierfür zur Verfügung, führte Barth aus. Sie und Matthias Steckenreuter koordinieren die Maßnahmen, suchen Kooperationspartner, vermitteln Fördergelder und sind Ansprechpartner für alle Fragen. „Eine solche Qualifikation ist ein Invest in die Zukunft“, so das Fazit der beiden Referenten.

Thomas Schaumberg, Geschäftsführer der Vogelsberg Consult, präsentierte im Anschluss weitere Handlungsansätze gegen den Fachkräftemangel, die sein Haus koordinieren kann, darunter QuABB, ein Programm zur Stabilisierung von (gefährdeten) Ausbildungsverhältnissen, und eine gerade angelaufene Facebook-Aktion zur Rückgewinnung abgewanderter Vogelsberger oder zur Anwerbung umzugswilliger Personen aus dem Rhein-Main-Gebiet. Innerbetrieblich riet Schaumberg zum Dialog mit Mitarbeitenden, um Stärken und Schwächen zu identifizieren und auszubauen bzw. zu minimieren. Es müssten Möglichkeiten für „Vollzeit statt Teilzeit“ geschaffen werden und zur Weiterbeschäftigung über das Rentenalter hinaus. Im besten Fall könnten Mitarbeitende zu Botschaftern ihres Unternehmens werden und neue Mitarbeitende werben.

Die regen Diskussionen am Ende des Abends zeigten, dass sich wohl alle Unternehmen im Kreis mit diesem Thema schon auseinandergesetzt haben und sich gerne mit anderen Firmen in der Region austauschen – laut Larsen und Schaumberg ein erster Schritt in die richtige Richtung.

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