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Biber erobern Spessart, Osthessen und Wetterau

Harald SchwarzBad Soden-Salmünster. „Meister Bockert“  erobert in Hessen ständig neues Terrain. Die im Ostspessart 1987/88 an Jossa und Sinn wieder eingebürgerten 18 Elbe-Biber haben sich in Hessen  auf mindestens 168 Exemplare vermehrt.  Das zweitgrößte Nagetier der Welt  baut bereits im Kinzigtal, in der Fuldaaue bis hin zum osthessischen Bebra und im Wetteraukreis seine charakteristischen Wasserburgen.  Darauf wies am Freitag der Biberbeauftragte von Hessen-Forst, Harald Schwarz, in Bad Soden-Salmünster (Main-Kinzig-Kreis) vor Journalisten hin. Der Bereichsleiter des Forstamtes Schlüchtern, das die Wiedereinbürgerung des Bibers hessenweit betreut, und der Präsident des Landesjagdverbandes Hessen (LJV), Dietrich Möller, zogen eine Bilanz des Projekts und stellten dessen Perspektiven vor.

66 Reviere

„66 Biberreviere wurden 2008 in Hessen gezählt, von denen 51 bewohnt sind“, berichtete Biberbeauftragter Schwarz. Im Durchschnitt besiedeln 3,3 Nagetiere eines der Reviere,  die an Flüssen, Bächen und Teichen liegen. Der Familienverband, der aus den beiden Elterntieren und zwei bis drei Jungbibern besteht, fällt mit den ständig nachwachsenden, meißelartigen Schneidezähnen bevorzugt Pappeln und Weiden, um in den Flußauen Fließgewässer zu stauen. Die Nager machen im Spessart aber auch vor stattlichen Eichen nicht Halt. Durch den Bau von Dämmen entstehen die Biberseen als typischer Lebensraum der bis zu einem Meter langen und über 30 Kilogramm schweren Nagetiere.  Sie bewohnen  verbreiterte Höhlen in selbst gegrabenen Erdröhren,  deren Decke oft mit Zweigen als weithin sichtbare Biberburg verstärkt wird.

„Der Biber schwimmt bevorzugt zu seinen Nahrungsquellen. Auf Land sind die plumpen Tiere recht unbeholfen“, erläuterte Schwarz. Auf dem Speiseplan des Vegetariers stehen Rinde und Blätter von Bäumen, krautige Pflanzen und Schilf, aber auch Obst und Feldfrüchte. Um Schäden im landwirtschaftlichen Bereich zu vermeiden hat das Land Hessen bis zum Jahr 2000 vorsorglich rund 80 Hektar Wiesen angekauft, die zum Lebensraum des Bibers zählen.

Straßenverkehr als einziger Feind

Schwarz erwartet, dass sich der Biber weiter ausbreitet und noch  zahlreiche hessische Gewässer  besiedelt. Der Straßenverkehr stellt allerdings für die Tiere, die in Hessen keine natürlichen Feinde haben, beim Landgang eine tödliche Gefahr dar. So wurden etwa 2007 zehn Fälle bekannt, in denen die Nager auf der Nahrungssuche beim Überqueren von Straßen Kraftfahrzeugen zum Opfer fielen.

„Der Biber unterliegt in Hessen nicht dem Jagdrecht“, sagte Jägerpräsident Möller. Der Jagdverband habe auch nicht die Absicht, dies zu ändern.  „Die Jäger begrüßen es, dass dieser   große Nager die Artenvielfalt bereichert und die Wiedereinbürgerung so erfolgreich ist“,  betonte Möller. Die Grünröcke, die in der Natur täglich flächendeckend präsent sind, registrierten meist als Erste die Ausbreitung von frei lebenden Tierarten und könnten quasi als „Biber-Meldesystem“ fungieren.

Lebensraum muss geeignet sein

Im Spessart, in dem auch schon der Luchs gesichtet worden ist, ergänzt der Biber nach Möllers Worten neben Rot-, Schwarz- und Rehwild die Palette der großen, frei lebenden  heimischen Säugetiere.  Entscheidend für den Erfolg des Biberprojektes  sei, „dass die Nagetiere wieder  einen geeigneten Lebensraum vorfinden und die Bevölkerung die Ansiedlung unterstützt, weil etwaige Schäden ausgeglichen werden.“ Möller: „Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt werden, handelt es sich bei Einbürgerungsbestrebungen schlichtweg um Tierversuche mit ungewissem Ausgang“.

Die Biber wurden im 19. Jahrhundert in Deutschland wegen ihres Fleisches, ihres Pelzes und des angeblichen Potenzmittels „Bibergeil“ sowie aufgrund von Lebensraumveränderungen  wie der Trockenlegung von Feuchtgebieten und  landwirtschaftlicher Nutzung von Flußauen nahezu ausgerottet. Die oberste hessische Naturschutzbehörde, die Landesforstverwaltung und die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) initiierten das Wiedereinbürgerungsprojekt im Ostspessart, das auch vom NABU unterstützt wird. Hessische Jagdvereine – wie der Kreisjagdverein Gelnhausen – führen das Projekt in der Jungjägerausbildung als beispielhaft für den Artenschutz und die gelungene Wiederansiedlung von frei lebenden Säugetieren vor.

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