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Ehepaar Deschauer stiftet Stadt eine spätgotische Pieta

070503_pieta2.jpgSchönes aus Fulda. Wer die spätgotische Pieta, ein Werk von „hoher schnitzerischer Qualität“ geschaffen hat, werden wir wohl nie erfahren. Ebensowenig wer vor diesem Andachtsbild gestanden hat. In Zukunft jedoch wird das vermutlich aus der Region stammende ergreifende Bildnis Mariens mit dem toten Sohn im Vonderau Museum an „geeigneter Stelle“ einen würdigen Platz erhalten.

Feierstunde in der Museumskapelle

Das versprach Fuldas Oberbürgermeister und Kulturdezernent Gerhard Möller bei der Übergabe der Pieta durch das Stifterehepaar Maria und Hubert Deschauer. Auf Vermittlung des Fuldaer Kunsthauses Semler war die Schenkung an das Vonderau Museum zustande gekommen. Groß war das Interesse während der Feierstunde in der Museumskapelle an dem ausdrucksstarken Werk eines unbekannten Künstlers, das sich heute in der original erhaltenen Farbfassung des späten 18. oder frühen 19. Jahrhunderts präsentiert.

Sammler und ihre Leidenschaft

Der renommierte Münchner Kunsthistoriker Prof. Dr. Michael Stürmer würdigte die Mariendarstellung als ein „menschlich und religiös ergreifendes Bild, das anspricht“. In seinem Festvortrag „Handel, Sammler, Stifter“ beleuchtete der Publizist die Frage, welchen tieferen Sinn die Geschichte hat und was Sammler zu ihrer Leidenschaft bewegt. Mit Blick auf die Pieta sagte Stürmer, wer vor dem Andachtsbild gestanden habe, „müssen wir selbst herausfinden“. Geschichte sei demnach immer ein Selbstfindungsprozess. Was den Sammler treibt, sei ein „ewiges Mysterium“.

Der Stifter wachse über den Sammler hinaus, weil er abgeben könne, differenziert der Festredner. „Der Mäzen ist die höhere Form des Sammlers, weil er schenken und beschenken will“, stellte Stürmer fest und fügte hinzu, dass die „Kunstwelt ein Friedhof wäre ohne Sammler und Mäzene“. Für Stürmer gewinnt das Sammeln mehr und mehr Bedeutung. Denn je dramatischer der Fortschritt ist, desto größer sei die Trauer über das Untergegangene. Deshalb gebe es heute so viele Stiftungen und Sammlungen. Einen neuen Schub habe das Sammeln durch die Französische Revolution bekommen. In der Folgezeit seien die ersten großen Museen wie das British Museum, der Louvre oder das Kassler Fridericianum entstanden.

Besonderes bürgerschaftliches Engagement

Vor Stürmer hatte bereits der Oberbürgermeister das Sammeln als Aufgabe beschrieben, wozu man Auge, Gedächtnis und viel Geduld brauche. Am Beispiel der Pieta sei all das zusammengekommen, um „mit großem Herzen diese Stiftung vorzunehmen“. „Das Ehepaar Deschauer habe mit der Stiftung Zeichen gesetzt für besonderes bürgerschaftliches Engagement. Die Heimatverbundenheit sei es gewesen, die das Stifterehepaar animiert habe, die Fuldaer Bürgerschaft mit einem besonderen Kunstwerk zu beschenken. Nach seiner herausragenden Restaurierung entfalte es nun seine ganze Wirkung gerade auch als religiöses Kunstwerk, betonte Möller, der dem Ehepaar Deschauer und allen an der Stiftung Beteiligten dankte.

Eine Geschichte glücklicher Zufälle

Die Genese der Entdeckung zeichnete Stefan Semler, Inhaber des gleichnamigen Kunsthauses nach. Mit der Übergabe der Pieta an das Vonderau Museum gehe ein 15-monatiges Werk zu Ende, eine Geschichte von glücklichen Zufällen und Begegnungen. 1998 war die Mariendarstellung von Semlers Vater in einem 300 Jahre alten Haus am Eichsfeld entdeckt worden. Die Begutachtung der Skulptur durch Kulturamtsleiter Dr. Werner Kirchhoff, Museumsleiter Dr. Gregor Stasch sowie Restaurator Gisbert Seng ergab, dass die Pieta das „Kriterium des Herausragenden erfüllt“, sagte Semler.

Der schlechte Erhaltungszustand machte umfangreiche Restaurierungsarbeiten notwendig. 2005 schließlich kam der Kontakt zum Ehepaar Deschauer zustande, das im Februar letzten Jahres den Entschluss fasste, die Pieta zu erwerben und über die Münchner Firma Ernst restaurieren zu lassen. Aus Interesse sei bei den Deschauers Leidenschaft für die Skulptur entstanden, die nach der Bearbeitung durch die Firma Ernst wieder die „christliche Bedeutung als Andachtsbild“ deutlich macht. Die einzelnen Restaurierungsschritte skizzierte Dietrich Stalmann nach.

Kunstwerk von hoher schnitzerischer Qualität

Insgesamt 10 Farbfassungen konnten nachgewiesen werden. Die achte Ebene zeigte den besten Erhaltungszustand und ist deshalb wieder freigelegt worden. Von den ältesten Farbfassungen gibt es laut Stalmann leider keinen Nachweis mehr. Die achte Ebene ist auf das späte 18. bzw. frühe 19. Jahrhundert zu datieren. Die vermutlich aus Lindenholz geschnitzte Pieta, deren Hand einzeln angefertigt worden war, präsentiert sich nunmehr in einer ästhetisch überzeugenden alten Fassung und mache die hohe schnitzerische Qualität des Kunstwerks wieder sichtbar.

„Wir freuen uns sehr, mit dieser Stiftung einen kleinen kulturellen Beitrag für das Vonderau Museum geleistet zu haben“, betonte Rudolf Deschauer in seinem Schlußwort. Gerne hätten er und seine Frau der Sitftung zugestimmt, damit die künstlerisch wertvolle Pieta einen würdigen Platz erhält und der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Allen Beteiligten dankte Deschauer für die gute und erfolgreiche Zusammenarbeit bei diesem Projekt, das seinen Ausdruck unter anderem auch in der einer gelungenen Dokumentation zum Anlaß der Übergabe der Skulptur gefunden hat. (mb)

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