Spielerisch die Natur begreifen – Krippenkinder auf Entdeckungsreise
Schönes aus Fulda. Wie fühlen sich Kieselsteine unter den Füßen an? „Die pieksen“, sagt Jenny. Und Gras? „Das kitzelt.“ Und wie riechen Bellis? „Schön.“ Das weiß die Dreijährige so genau, weil sie die Gänseblümchen mit den roten Blüten selbst gepflanzt hat. Nicht im Garten der Eltern, sondern auf der Terrasse des Kinderhauses St. Luise in Fulda.
Fotos (83): Max Colin Heydenreich
Die Pflanzaktion war Bestandteil eines besonderen Kinderkrippen-Projektes, das von Mareike Orth und Anika Waida, Erzieherinnen im Anerkennungsjahr, umgesetzt wurde. Das Motto lautete: „Natur entdecken und be-GREIFEN lernen“. Zwei Monate lang waren die angehenden Erzieherinnen mit den Kleinsten auf Entdeckungsreise. „Es gab keinen Tag, an dem wir nicht draußen waren“, sagt Anika Waida. Ausstaffiert mit Matschhosen und Gummistiefeln ging es im Gänsemarsch in die Fuldaauen oder in den Schlossgarten.
Kaum zu glauben, was da alles auf der Wiese los war. „Da krabbelten ganz viele Käfer und Ameisen“, erinnert sich der dreijährige Justus. Und da gab es auch Gras, Erde und jede Menge Steine – Materialien, die sich bestens für ganzheitliche Sinneserfahrungen eignen.
„In den ersten Lebensjahren erobern die Kinder die Welt mit ihren Sinnen. Deshalb wollten wir mit unserem Projekt Impulse geben und die Phantasie der Kleinen anregen“, sagt Mareike Orth. Die Kreativität der Ein- bis Dreijährigen entfaltete sich vor allem beim Malen mit Sand und Erde. Da durften sie, was zu Hause meistens nicht erlaubt ist: Alles dreckig machen und nach Herzenslust mit Erde und Kleister auf und sogar neben dem Papier matschen.
„Berührungsängste“, sagen die Berufspraktikantinnen, „gab es überhaupt nicht.“ Weder bei den Kindern noch bei den Eltern. Sabine Henky, die Mutter des kleinen Justus, erinnert sich: „Mein Sohn kam immer ganz begeistert nach Hause. Er war richtig glücklich, dass er so viel selber machen und ausprobieren durfte.“
Justus, Jenny und die anderen 18 Krippenkinder durften nämlich auch Brot backen, mit selbst gesäter Kresse einen leckeren Kräuterquark anrühren und an der Taststraße mal ganz genau hinfühlen. Die Straße hatten die Kinder aus Holzkisten und den gesammelten Naturmaterialien gebaut. „Die Einjährigen, die noch nicht sicher laufen oder stehen können, haben wir einfach in die Kisten hineingesetzt. So konnten auch sie problemlos alles fühlen und riechen“, berichtet Waida.
Vom tollen Duft der schönen bunten Blumen, die im Garten der Vinzentinerinnen wachsen, waren alle Kinder begeistert. Weil das Kinderhaus St. Luise von den Vinzentinerinnen betrieben wird und in der Nachbarschaft des Mutterhauses der barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul liegt, durften die Kinder dort mit ihren kleinen gelben Gießkannen die Beete gießen und den Pflanzen beim Wachsen zuschauen.
„Unsere beiden Berufspraktikantinnen haben da etwas Tolles auf die Beine gestellt“, sagt die Leiterin des Kinderhauses Sabine Anderka. „Mit ihren guten Ideen konnten sie die Kleinen richtig begeistert.“ Und auch die Eltern haben mit diesem Projekt etwas begriffen. Sabine Henky weiß: „Wir Erwachsenen haben verlernt, plan- und ziellos durch die Natur zu laufen. Zum Glück gehen unsere Kinder mit offenen Augen durch die Welt.“ Das weiß sie, seit Justus einen ertrinkenden Käfer in einer „dramatischen Hilfsaktion“ aus einer Pfütze gerettet hat. (Dorit Heydenreich)
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