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Wandern und regionale Identität – hat die Rhön eine Seele?

Schönes aus Gersfeld. Die Arbeitsgemeinschaft der Rhöner Landkreise (ARGE Rhön), der Rhönklub und der Verein Natur- und Lebensraum Rhön (VNLR) hatten am 16. Juni 2007 zum Symposium „Wandern und regionale Identität“ nach Gersfeld eingeladen.

Im mit 100 Teilnehmern voll besetzten Saal referierte Dr. Christoph Engl, Geschäftsführer der Südtirol Marketinggesellschaft. In seinem Vortrag kommt Engl rasch zur Sache: Wanderregionen sind nur dann erfolgreich, wenn sie Seele haben! Auf die Ausstrahlung der Landschaft, aber auch auf die Ausstrahlung der Menschen kommt es an. Glaubwürdigkeit und Authentizität sind zentrale Kriterien. Dabei macht Engl an die Adresse der Touristiker deutlich, dass es ein Fehler sei zu glauben, man könne Landschaft oder Produkte einer Landschaft verkaufen.

Träume und Sehnsüchte wecken

„Destinationen verkaufen Träume. Viele Regionen prostituieren sich, indem sie anbieten, was der Kunde will.“ Engl meint, dies sei der falsche Weg. Man müsse im Angebot führen, was beim Gast Träume und Sehnsüchte weckt. Vor allem komme es auf das Alleinstellungsmerkmal an. Warum soll der Gast im Urlaub etwas kaufen, was er überall auf der Welt bekommt?

Dem Wandern prognostiziert Engl eine große Zukunft. Die Sehnsucht nach Zeit, nach Gemeinschaft und Gesundheit, aber auch das naturnahe Genießen und das authentische Erfahren bezeichnet Engl als die Luxusgüter der Zukunft. Wie kaum eine andere Natursportart kann mittels Wandern diesen Megatrends Rechnung getragen werden. Wandern hilft, unser Leben zu entschleuningen, zu entspannen.

„Softangebote“ statt „Gipfelstürmen“

Mit Blick auf die Fremdenverkehrsangebote macht Engl deutlich, dass sich die Vorstellungen der Wanderer in den letzten Jahren gründlich verändert haben. Das „Kilometerfressen“ und „Gipfelstürmen“ ist nicht mehr angesagt. Wichtig sind so genannte „Softangebote“. Der Wanderer von heute liebt aussichtsreiche Touren auf nicht asphaltierten Wegen. Er schätzt die Einkehr in der Hütte, will Menschen treffen und sehen und gesehen werden. Der Austausch und die Gesellschaft mit Gleichgesinnten sind dabei zentrale Anliegen.

Befragungen in Südtirol zeigen, dass für die Gruppe der Wanderer unter 39 Jahren Fitness und Gesundheit die wichtigsten Motive für das Wandern sind. Bei den über 39-Jährigen stehen Gesundheit und Naturerlebnis im Vordergrund. Engl: „Wandern ist keineswegs Altbacken, Wandern bringt die Seele in Bewegung!“ 

Authentisches Erleben von Landschaft 
 
Wanderdestinationen müssen dem Rechnung tragen und ein authentisches Erleben von Landschaft ermöglichen. Dabei müssen sich die Menschen der Region und die Kulturlandschaft im Einklang mit dem Gesamtleitbild der touristischen Destination präsentieren. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass man sich auf seine Alleinstellungsmerkmale besinnen muss und auf andere Dinge bewusst verzichtet. Für Südtirol gilt: „Wir sind kein Hullygully-Land“. Kritik übt Engl an Werbefotos mit Wanderern. Nach seiner Ansicht werden Wanderer oft viel zu hausbacken dargestellt, Nordic Walking betrachtet er als kurzfristige Modeerscheinung.

„Regionale Identität“

In einem zweiten Referat beleuchtet Dr. Gerrit Himmelsbach vom Spessartbund das Thema „Wandern und regionale Identität“ aus der Sicht der Wanderverbände. Er stellt fest, dass sich die Deutschen Gebirgs- und Wandervereine intensiv mit dem Thema „Regionale Identität“ am Bespiel von Trachten, Mundart, Kulturarbeit, aber auch im Hinblick auf Essen und Trinken beschäftigen. Vielen ist bewusst, dass sie in die Vergangenheit blicken, um Zukunft zu gestalten. Dabei reicht die Traditionspflege vergangener Jahrzehnte mit Singen, gesellschaftlichen Aktivitäten und Festen nicht mehr aus. Himmelsbach resümiert, dass die in der Gründungsphase der Deutschen Gebirgs- und Wandervereine lebhafte Heimatdiskussion in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erstarrte.

In vielen Wandervereinen führte die Unberechenbarkeit der modernen Lebenswelt zur Ratlosigkeit. Dabei ist, davon ist Himmelsbach überzeugt, Heimatpflege in erster Linie Menschenpflege, und diese wiederum führt zu Identität. Eine wichtige Hilfe kann dabei die Forschung leisten. Forschung macht Heimat attraktiv und hilft die Bevölkerung zu mobilisieren.

Impulse aus der Wissenschaft

Durch Impulse aus der Wissenschaft konnten im Spessart eine Reihe von identitätsstiftenden Projekten initiiert werden. Dabei müssen Heimat und Identität täglich neu gewonnen werden. Die Beschäftigung mit der Heimat schafft Wissen, es erwächst daraus Neugier. Dies gibt Charakter und kann zur Identität und Heimatliebe führen. Dazu gehört aber eine lebendige Geschichte und regionale Geschichten.

Als dritter Referent stand Jürgen Krenzer, Gastwirt des Rhönschafhotels „Zur Krone“ in Ehrenberg, dem Publikum Rede und Antwort. Mit einem Erfahrungsbericht vom neuen Premiumwanderweg „Hochrhöner“ stellte er Licht und Schatten des Weges in den Fokus seiner Betrachtungen. Krenzer lobt die schöne Landschaft und das angenehme Gehen auf überwiegend grasbewachsenen Wegen.

Vielleicht auch aus Unachtsamkeit ist er auf seinem Weg von Bad Salzungen nach Bad Kissingen das ein oder andere Mal in die Irre gegangen. Für ihn weniger erfreulich war, dass die Übernachtungsmöglichkeiten sehr weit auseinander liegen. Die Ruhetage der Gasthöfe sind nicht aufeinander abgestimmt. Erfreulich ist die Vielfalt regionaler Speisen und Getränke, insbesondere in den Gaststätten der thüringischen Rhön. Krenzer wünscht sich, dass manche gastronomische Einrichtungen ihre Öffnungszeiten optimieren. Dies gilt auch für die eine oder andere Berghütte. Krenzer meint, die Gastronomie entlang des Hochrhöners habe sich bislang kaum auf dieses neue Premiumangebot eingestellt.

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