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6. Fuldaer Zukunftssalon mit Prof. Gerald Hüther zum Thema „Baustelle Gehirn“:

Fulda. „Das Gehirn wird so wie man es benutzt“ – das war eine der zentralen Aussagen von Prof. Gerald Hüther, der beim 6. Fuldaer Zukunftssalon zum Thema „Baustelle Gehirn – was wir sind und was wir sein könnten“ referierte. Der Neurobiologe und Leiter der Zentralstelle für Neurobiologische Präventionsforschung der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen und des Instituts für Public Health der Universität Mannheim-Heidelberg informierte die Zuhörer im ausverkauften Schlosstheater über die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung. Für die musikalische Untermalung der Veranstaltung, die von der Stadt Fulda in Zusammenarbeit mit der Hochschule Fulda vorbereitet wurde, sorgte Frank Tischer am Flügel.

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Begeisterungsstürme

Mit zahlreichen Beispielen verdeutlichte Prof. Hüther sehr anschaulich und auf unterhaltsame Weise, wie die Menschen ihre Potentiale zur vollen Entfaltung bringen können und was sie daran hindert. So werden unterschiedliche Netzwerke im Gehirn erst dann aktiviert, wenn man von den festen Vorstellungen abweicht und nicht mehr nur das wahrnimmt, was man sehen möchte. Im Mittelpunkt steht dabei die Begeisterung: Denn nur wenn der Mensch von etwas berührt ist, springen bestimmte Systeme in den emotionalen Zentren des Hirns an. Diese Ausschüttung von neuroplastischen Botenstoffen bewirkt dann, dass man diese Sache noch besser kann. „Das Hirn ist kein Muskel, wenn etwas hängen bleiben soll, muss es unter die Haut gehen“, so fasste der Neurobiologe dies zusammen. Da Kinder am Tag zahlreiche Begeisterungsstürme haben, entstehen viele Vernetzungen. Das Problem dabei sei, „dass wir uns im Laufe des Lebens immer weniger begeistern lassen“. Unserer Gesellschaft fehle die Begeisterung, Offenheit und Neugierde, so Prof. Hüther. Hirntechnisch gesehen könnte somit zum Beispiel auch noch ein 85-Jähriger Chinesisch lernen, wenn er sich dafür begeistern würde.

Erfahrungen strukturieren das Gehirn

Die Neurobiologie habe außerdem gezeigt, dass die Intelligenz nicht durch die Gene festgelegt sei. Das Hirn enthalte somit anfangs mehr Nervenzellen als man brauche, so dass sich bei jedem Menschen ein bestimmtes Muster herausbilde. Es entwickeln sich also diejenigen Fähigkeiten, die man in der jeweiligen Kultur benötigt.

„Amazonasindianer können 120 verschiedene Arten der Farbe Grün unterscheiden – wenn das für uns relevant wäre, könnten wir das auch“, erläuterte Prof. Hüther. An dieser Stelle setzt auch wieder die Begeisterung an: Da sich jeder für etwas anderes begeistert, haben die Menschen unterschiedliche Gehirne. Dabei stehen nicht die Wissensaneignung, sondern die gesammelten Erfahrungen im Vordergrund. Denn anhand dieser Erfahrungen, die individuell unterschiedlich sind und in Beziehung zu anderen Menschen entstehen, strukturiert sich das Gehirn. Der Neurobiologe wies dabei darauf hin, dass die Erwachsenen bestimmen, welche Erfahrungen die Kinder machen können. Diejenigen Gefühle, die bei einer Handlung gleichzeitig aktiviert worden sind, sind ein Leben lang im Gehirn miteinander gekoppelt. Daher sollte die Lerninhalte bei Kindern auch ein positives Gefühl auslösen, um im Gehirn verankert zu werden.

„Einladen, ermutigen und inspirieren“

Prof. Hüther stellte heraus, dass Einstellungen durch Erfahrungen entstehen und deshalb nicht durch emotionale (Bitten) oder kognitive Strategien (Belehrungen) geändert werden können. Ausschließlich aus neuen Erfahrungen können neue Haltungen entstehen. Prof. Hüter sprach sich damit gegen einen autoritären Erziehungs- und Führungsstil aus und warb für das so genannte „supportive leadership“. Dabei zeigt man den Menschen seine Unterstützung, stärkt dadurch deren Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten und vermittelt ihnen ein Zugehörigkeitsgefühl. „Wenn man etwas verändern will, muss man im eigenen Umfeld zum Potentialentfalter werden“, erklärte der Neurobiologe und rief die Anwesenden nach einer Fragerunde dazu auf, andere Menschen einzuladen, zu ermutigen und zu inspirieren, neue Erfahrungen zu sammeln.

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