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Serie „Palliativ Care“ – heute: Basale Stimulation in der Palliation

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Serie. Anfang Mai hat die Redaktion in Zusammenarbeit mit dem Palliativnetz Osthessen die Serie „Palliativ Care“ gestartet. Bis Mitte November geben Palliativmediziner Thomas Sitte und Krankenschwester Manuela Straub immer mittwochs Tipps zur Pflege schwerstkranker Patienten geben. Tipps, die nicht nur den pflegenden Angehörige helfen, sondern auch die Lebensqualität der Patienten deutlich verbessern können. Heute informiert Annette Gaul-Leitschuh über die Basale Stimulation in der Palliation.

In der letzten Lebensphase kommt es häufig zu Bewussteinsbeeinträchtigungen. Diese können sich durch Verwirrtheitszustände, Verständnisproblemen bis hin zu Bewusstseinsverlust darstellen. Für die Nahestehenden ist die Kontaktaufnahme erschwert und die Pflege der Beziehung mit Unsicherheiten und Ängsten belastet.

Wertvolle Hilfen um die Begegnung zu gestalten, anstatt aus Unsicherheit sich zurückzuziehen, gibt das Konzept der Basalen Stimulation. Die Basale Stimulation, ehemals für behinderte Kinder entwickelt, bietet an der Basis menschlicher Wahrnehmung Ideen der Stimulation. Die sieben Wahrnehmungsebenen und ihre Fördermöglichkeiten werden kurz mit einigen Ideen, die auch für Laien durchführbar sind, beschrieben:

Somatische Wahrnehmungsförderung
Unser Körper mit der Haut, als unsere Grenze zur Umwelt, ist mit vielfältigen Empfindungseindrücken von unserer frühesten Entwicklungsphase an vertraut. Hier bieten sich vielfältige Möglichkeiten wie Teilmassagen (Hand, Fuß, Nacken, Bauch…) Streichungen, eine Geste der Berührung zur Begrüßung, passiven Bewegungen uvm. an.

Taktil-haptische Wahrnehmungsförderung

Der Tast und Greifsinn lässt uns identifizieren und differenzieren. Gegenstände die in die Hand gegeben werden wecken Erinnerungen. Das Fell des geliebten Haustieres kann noch mal zum Augen öffnen veranlassen, das Glas in der Hand den Mund zum Trinken öffnen, der Rosenkranz das Gebet verdeutlichen uvm.

Vestibuläre Wahrnehmungsförderung

Unser Gleichgewichtsorgan steuert Wahrnehmungs.- und Bewegungsabläufe. Es verkümmert in der Bewegungslosigkeit. Deshalb wird bei Bettlägerigen durch erhöhen des Kopfteils, Aufrichten des Oberkörpers, drehen im Bett auf die Seite, sitzen an der Bettkante, eventuell ein bisschen schaukeln oder wippen, die Kommunikation/ Wachheit gefördert.

Vibratorische Wahrnehmungsförderung

Das Sprechen und das Gehen sind uns aus der vorgeburtlichen, vibratorisch reichhaltigen Zeit geblieben. Sprechen, singen und summen bei engem Körperkontakt, sowie vibrierende Massagegeräte beispielsweise nur auf die Matratze gehalten erinnern uns an sorgenlose Zeiten, können beruhigend und entspannend wirken.

Orale Wahrnehmungsförderung

Kann durch geliebte, vertraute Speisen und Getränke erreicht werden. Letztere können zur Mundbefeuchtung/-pflege auf entsprechende Pflegestäbchen aufgetragen werden, womit die Mundhöhle ausgewischt wird. Auch gefroren als Eislutscher haben sie einen wunderbar erfrischenden Effekt.

Nasale Wahrnehmung
Gerüche wecken unsere Erinnerung und beeinflussen unsere Gefühle. Vertraute Gerüche wie das getragenes Hemd eines geliebten Menschen, ein bedeutsames Parfüm oder Körperpflegemittel oder spezielle Duftölkompositionen bringen zum Ausdruck, was auf andere Art und Weise nicht mehr möglich erscheint.

Auditive Wahrnehmung
Wir wissen nicht genau wie Gehörtes verarbeitet wird, allerdings dass es Menschen die stark Bewusstseinsbeeinträchtigt sind wahrnehmen gilt als gesichert. Deshalb ist unser freundliches, zugewandtes sprechen mit klarem sinnvollem Inhalt, auch kombiniert mit Berührung, eine wichtige Kontaktmöglichkeit. Weitere Möglichkeiten sind Singen, Beten, Vorlesen und Musikangebote.

Für was man sich auch entscheidet, es sollte zu der Person, seinen Vorlieben, Gewohnheiten und Interessen passen. Ob es letztendlich die beabsichtigte Wirkung hat lässt sich durch eine gute Beobachtung von Gestik, Mimik, Muskelspannung und vieles andere wie beispielsweise Veränderung der Atmung eruieren.

Einen interessierten, führsorglichen und einfühlsamen Mitmenschen an der Seite – für viele ein letzter Wunsch – fördert das Wohlbefinden und somit die Lebensqualität. Die auf verschiedene Sinneskanäle gelenkte Aufmerksamkeit und das Spüren von Geborgenheit verringern sogar belastende Symptome. Den Nahestehenden hilft durch das Tun und damit verbundenes Greifen die Situation zu begreifen und anzunehmen. Hier kann wichtige Trauerarbeit beginnen. (Annette Gaul-Leitschuh)

Wer weitere Fragen hat, kann sich an das Schmerz & PalliativZentrum Fulda unter Telefon 0661 – 9 01 50 16 wenden oder findet weitere Informationen im Internet unter www.palliativnetz-osthessen.de

Bislang veröffentlichte Themen der Serie:
1. Schmerzlinderung
2. Durchbruchschmerzen
3. Lagerung
4. Mundpflege und Hilfe bei Durstgefühl
5. Wundliegen & Hautpflege
6. Atemnot
7. Ängste
8. Unruhe
9. Schwäche
10. Müdigkeit
11. Hunger
12. Durst
13. Unangenehme Wunden
14. Verstopfung
15. Juckreiz
16. Düfte/ätherische Öle

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Alle Nachrichten, Gesundheit & Medizin