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PalliativNetz Osthessen engagiert sich für unheilbar Kranke

070823_pno.jpgSchönes aus Fulda. Große Resonanz erfuhr die Einladung des Palliativ Netzes Osthessen am gestrigen Mittwochnachmittag: mehr als 200 Ärzte, Pflegende und Interessierte kamen in die Cafeteria des Fuldaer Antoniusheims, um sich dem Thema „Therapeutische Perspektiven am Lebensende“ zu widmen. Referenten und Anwesende haben dabei eines herausgestellt: In dieser schwierigen Phase bedarf es weit mehr als der medizinischen Versorgung.

Dinge wie Gespräche über die persönliche Lage, Symptomkontrolle oder Trauerarbeit sind wichtig für Patienten und Angehörige. Im Palliativnetz Osthessen arbeiten Ärzte, ambulante und stationäre Strukturen Hand in Hand für eine umfassende Versorgung in der Region. „Ein gutes Zusammenspiel aller, um sich sinnvoll zu ergänzen“, erklärt Dr. Peter Fehrenbach vom Palliativ Netz Osthessen. So hat der Zusammenschluss innerhalb der letzten 7 Monate 140 Menschen betreut.

Die so genannte Palliativmedizin versorgt Menschen mit unheilbaren Erkrankungen und setzt da an, wo die herkömmliche Medizin aufhört. „Wir versuchen nicht mehr den Patienten zu heilen, sondern möchten ihn auf seinem Weg begleiten“, erklärt Dr. Peter Fehrenbach vom Palliativ Netz Osthessen. „Es wird nur das behandelt, was nötig und sinnvoll ist, um die Lebensqualität zu erhalten.“ Somit wird nicht nur die medizinische Betreuung abdeckt, Betroffene und Angehörige werden über all da wo nötig sinnvoll unterstützt.

Die Auswirkungen einer schweren Diagnose hat Ingrid Gröning hautnah miterlebt. Bei ihrer 49 jährigen Nichte wurde ein unheilbarer Hirntumor festgestellt. „Meine Nichte stand immer voll im Leben“, erklärt sie. „Sie hatte immer soviel Energie und Lebensfreude. Wir konnten damit überhaupt nicht umgehen – waren überfordert.“ Das Thema wurde zunächst tabuisiert, die Angehörigen litten, die Patientin selbst wurde depressiv, ihr Zustand verschlechterte sich dramatisch.

„Menschen kämpfen zunächst gegen die Erkrankung und gegen das Sterben an“, weiß Mechthild Buchner vom ambulanten Hospizdienst „Da sein“ in Fulda. „Das Leben fest halten wollen, aber doch loslassen zu müssen, bestimme dabei den Alltag von Kranken und Angehörigen.“ In ihrer Arbeit wird Mechthild Buchner dabei immer wieder mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert. Sie und ihre 28 ehrenamtlichen Mitarbeiter werden in besonderem Maße gefordert. „In Schulungen und Gesprächen möchten wir unsere Mitarbeiter auf die Herausforderungen ihrer Tätigkeit vorbereiten“, erklärt Buchner.

„Dabei können Patienten und Angehörige, die sich mit der Unheilbarkeit abgefunden haben, noch etwas ganz Besonderes aus der Lebensendphase machen“, weiß Dr. Alfred Simon, von der  Akademie für Ethik in der Medizin in Göttingen. „Das Sterben ist nach wie vor ein Tabuthema und hat viel mit Ethik und Würde zu zun.“ Der Philosoph und Theologe beschäftigt sich intensiv mit ethischen Grenzfragen. „In der herkömmlichen Medizin ist das Sterben ein technischer Vorgang, das soziale Umfeld wird nicht mit einbezogen.“ Die Palliativmedizin geht hier einen wichtigen Schritt weiter.

Prof. Dr. Eberhard Klaschik vom Malteser Krankenhaus in Bonn-Hardtberg war der erste Lehrstuhlinhaber für Palliativmedizin. Aus seiner Erfahrung weiß er: „Unser Gesundheitswesen ist ein Reparaturbetrieb, es geht immer darum noch eine Möglichkeit für den Patienten zu finden, um gesund zu werden. Die Tatsache die Unheilbarkeit zu akzeptieren und zu versuchen ihn bestmöglich zu begleiten, ist nicht vorgesehen.“ Allerdings fände durch viel Aufklärungs- und Informationsarbeit ein Umdenken statt. „In der Palliativmedizin steht der Patient im Mittelpunkt der Betreuung und man definiert gemeinsam ein Behandlungsziel.“

Die Palliativversorgung sei ein sich ständig wandelnder Prozess ergänzt Thomas Sitte. Auch er ist Arzt im Palliativ Netz Osthessen. „Ich als Arzt nehme mich immer mehr zurück, höre auf den Wunsch des Patienten.“. Derzeit sterben in Deutschland nur ein Drittel der Menschen zu Hause, obwohl 70 – 90 Prozent den Wunsch haben. Das Palliativnetz kann für die Region Fulda in ihrer Arbeit dabei eine erste erfreuliche Bilanz ziehen: „Alle Patienten, die wir in der Integrierten Versorgung betreuten, sind in ihrer gewünschten Umgebung gestorben“, sagt Thomas Sitte.

Auch Dr. Petra Müller, Geschäftsführerin des Hospiz St. Elisabeth in Fulda, wünscht den Patienten zu Hause sterben zu können. „Da wo das nicht mehr möglich ist, betreuen wir die Patienten im Hospiz“. Auch die 15 Mitarbeiter des Hospizes wissen um die Bedeutung von ethischen Gesichtspunkten, Gesprächsführung, Schweigepflicht, Trauer und das Verständnis für Familie und Angehörige in ihrer Tätigkeit. „Wir können nicht die Ängste nehmen oder wichtige Entscheidungen für den Patienten treffen, aber wir können zuhören und alles dafür tun ihm einen würdevollen Abschied zu geben“, sagt Müller.

Ingrid Gröning und ihre Nichte haben die Diagnose inzwischen angenommen. „Irgendwann haben wir darüber gesprochen und danach waren wir beide sehr erleichtert“, sagt sie. Ein Etappenziel, das sie nur mit der Hilfe des Palliativ Netzes Osthessen erreichen konnten. Die mentale Unterstützung und das Wissen, mit der Situation nicht allein zu sein, habe sehr geholfen.

„Meine Nicht tut jetzt nur noch das, was gut für sie ist. Ihr Zustand hat sich dadurch enorm verbessert.“  Auch hier macht sich die Erfahrung des Palliativ Netzes bemerkbar: „Aufgrund unserer langjährigen Arbeit können wir gut beurteilen, welche Behandlung die Lebensqualität des Patienten noch verbessern kann und welche vielleicht mehr Schaden zufügt, als sie nutzt“, sagt der behandelnde Arzt Dr. Joachim Kleinert.Die Patientin hat kürzlich ihren 50. Geburtstag gefeiert.

Weitere Informationen zum Palliativ Netz Osthessen unter http://www.palliativnetz-osthessen.de/.

Zum Foto (vlnr): Prof. Eberhard Klaschik, Dr. Alfred Simon, Dr. Petra Müller, Ingrid Gröning, Mechthild Buchner, Thomas Sitte, Dr. Peter Fehrenbach, Dr. Joachim Kleinert

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