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Aufbruch nach Galiläa… von Bischof Heinz Josef Algermissen

Fulda. „Ich gehe fischen.“ (Joh 21, 3). Das ist gewissermaßen der Schlusspunkt unter eine Karriere, die für Petrus am See Genezareth ihren Anfang nahm und die dort wohl auch wieder enden sollte.

„Schuster, bleib bei deinem Leisten!“ oder eben: „Fischer, bleib bei deinen Netzen!“ So mag es ihm durch den Kopf gegangen sein, als er nach dem Jesus-Abenteuer wieder in seinem früheren Leben angekommen war. Mit welcher Begeisterung hatte Petrus sich doch diesem Rabbi und seiner neuen Lehre angeschlossen, bereit, die Welt aus den Angeln zu heben, ein Fels in der Brandung, auf den Gott seine Kirche bauen wollte, bis an die Grenzen der Erde. Weit waren sie nicht gekommen. Schon in Jerusalem gab es jede Menge Ärger mit den religiösen Autoritäten und natürlich mit der römischen Besatzungsmacht.
Was für Treueschwüre hatte Petrus nicht seinem Meister erklärt, den er dann doch im entscheidenden Augenblick verraten hat. Er hatte Angst, aber weglaufen vor sich selbst und vor allem, woran er geglaubt und wofür er gelebt hatte? Die Enttäuschung über sich selbst ist das Schwerste. Auch ein Petrus muss damit leben. Mit seinen hochfliegenden Plänen, seinen zerstörten Hoffnungen, dem eigenen Versagen. Er hatte nach den Sternen gegriffen und den Himmel berührt – und war doch wieder auf dem Boden der Realität aufgeschlagen. Das tat weh.

Vielleicht hätte Petrus mehr darauf setzen sollen, was Jesus ihm auf dem Höhepunkt der Krise versprochen hatte: „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder.“ (Lk 22, 32).

Petrus hätte wissen können, dass er gerade auch in der Krise, im Dunkel, im Selbstzweifel von Gott getragen ist. Und dass Jesus auch weiterhin zu ihm hält und auf ihn setzt, allen äußeren Prüfungen und inneren Anfechtungen zum Trotz.

„Ich gehe fischen.“ Anstatt in Lethargie und Selbstmitleid zu verfallen, geht Petrus an den Anfang seiner Berufung zurück. Und genau dort, am Ufer des Sees von Galiläa, findet er auch den, der ihn schon einmal zum Menschenfischer berufen hat. „Es ist der Herr“, der Auferstandene, der am Ufer seines Lebens steht und ihn auffordert, die Netze noch einmal auszuwerfen. Es ist gewissermaßen die „zweite Berufung“, die weniger von jener ersten Begeisterung und Leichtigkeit des Anfangs hat, die aber durch Krisen gereift ist und trägt.

Vielleicht war es auch nicht einfach Resignation, dass Petrus in sein früheres Leben zurückkehren will. Es mag wohl auch die leise Hoffnung mitgeschwungen haben, dass Jesus sein Versprechen hält, auch über den Tod hinaus: „Ich gehe euch voraus nach Galiläa. Dort werdet ihr mich sehen.“ (vgl. Mt 28, 7). Das ist weniger eine Ortsbezeichnung als vielmehr eine Richtungsangabe. Dorthin, wo Petrus „fischen“ geht, ins gewöhnliche Leben, da ist der Erfahrungsraum des Göttlichen – damals wie heute.
Dem Glauben geht es nicht um nostalgisch-wehmütige Erinnerungen an frühere Zeiten, da die Welt noch heil schien und der Kinderglaube ungebrochen war. Wir müssen vielmehr ankommen in unserem Galiläa, unserem Lebensalltag, wo der Auferstandene uns heute sehen und begegnen will, unaufgeregt und unspektakulär.

Ich wünsche uns allen Osteraugen, die im Alltäglichen all der Krisensymptome in Kirche und Gesellschaft Seine besondere Gegenwart erkennen können, in dem Gewöhnlichen den Anruf Gottes, in den Menschen, mit denen wir zusammen sind, die Schwester und den Bruder. Auch das wäre Ostern – ein Leben lang.

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