Logo

Rüdiger Sielaff über die Bedeutung der Stasi in beiden Teilen Deutschlands

Leute. Bekanntlich legt die Zeit ein „Mäntelchen des Vergessens“ über vieles. Leider! Die Diktaturerfahrungen verblassen und gerne werden die Errungenschaften des Sozialismus verklärt. „Aufgabe unserer Behörde ist es, in der Aufklärung nicht nachzulassen“, betont Rüdiger Sielaff, Leiter der Außenstelle Frankfurt/Oder der Bundesbeauftragten für die Aufarbeitung der Stasiunterlagen vor Journalisten.

Selbst hatte Sielaff noch zu DDR-Zeiten dem System den Rücken gekehrt. In verschiedenen Funktionen hat er im Westen gearbeitet. Inzwischen trägt er, der selbst mit der alten DDR in Konflikt geraten ist, dazu bei, vor allem auch die junge Generation über die Machenschaften der Staatssicherheit und der SED zu informieren. Sielaff tut dies mit Leidenschaft, denn gerade jetzt, wo die Erinnerung zu verblassen beginnt, ist es wichtiger denn je, Fakten auf den Tisch zu legen. Das will auch die Ausstellung „Staatssicherheit – Garant der SED-Diktatur“ die derzeit im Vonderau Museum zu sehen ist.

Die Zahlen, die Sielaff nennt, sind erschreckend und sprechen für die offenbar deutsche Gründlichkeit, mit der der Überwachungsapparat funktioniert hat. Unter Minister Erich Mielke sei die Stasi zum Monster mit 91.000 hauptamtlichen Kräften und 174.000 inoffiziellen Mitarbeitern mutiert. Ihre „Spürnasen“-Ergebnisse füllen sage und schreibe 173 Regalkilometer an Akten. Die Klarnamendatei (F 16) der Bespitzelten umfasst 5,4 Mio. Namen. 

Ein drittel der Überwachten waren Bundesbürger und Bewohner Westberlins. Gemäß dem Mielke-Motto „Wir müssen alles wissen!“ habe die Stasi täglich 90.000 Briefsendungen kontrolliert. In Fulda, so Sielaff, seien die militärischen Einrichtungen der Amerikaner oder verschiedene Wirtschaftseinrichtungen für die Staatsicherheit von Interesse gewesen. So galt deren Aufmerksamkeit unter anderem einer Fuldaer Spedition, die es mittlerweile nicht mehr gibt. Ebenso Einzelpersonen waren im Fokus der Überwacher.

So verwundert es den Mitarbeiter der Bundesbehörde kaum, dass 635 Fuldaer einen Antrag auf Akteneinsicht bei seiner Behörde gestellt haben. Bis heute haben die Zentralstelle in Berlin die 13 Außenstellen 6 Millionen Anträge angenommen, davon 2 Millionen mit dem Wunsch nach Akteneinsicht. Obwohl die DDR seit 17 Jahren nicht mehr existiert, gehen Monat für Monat durchschnittlich 7.000-8.000 Anträge bei der Bundesbehörde ein. Das zeigt, wie wichtig nach wie vor die Vergangenheitsbewältigung ist. Sielaff ergänzt: „Die Unterlagen sind schließlich dazu da, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung herzustellen.“

Trotz der Fülle des Materials gibt es Probleme. Viele Akten konnten durch Stasimitarbeiter noch kurz bevor sie beschlagnahmt werden konnten, vernichtet werden. Statt im Heizkraftwerk zu enden, warten 10.000 Säcke mit vorvernichtetem Material auf die Sichtung. Diese Stasiunterlagen werden entweder computergestützt oder auch per Hand wieder zusammengesetzt.

Unglaublich ist aus Sielaffs Sicht, dass die HVA der Stasi sich sogar alleine auflösen durfte. Folglich gibt es über deren Arbeit die wenigsten Unterlagen. Für Sielaff ist der Termin der Ausstellung in Fulda ein besonderer Moment der Erinnerung. „Vor 23 Jahren fuhr ich die Strecke in diese Richtung schon einmal. In Hessen habe ich damals die erste Begegnung mit der Demokratie gemacht.“

Categories:

Alle Nachrichten, Bildung & Jobsuche, Politik & Wirtschaft