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Studenten entwerfen Meßgewänder für Wallfahrt in Trutzhain

071119_gewander-projektstar.jpgSchönes aus Trutzhain/Kassel/Fulda. Ein besonderes Projekt wurde jüngst in der Kasseler Werkakademie für Gestaltung in Kassel begonnen. Studierende der Werkakademie werden unter der Projektleitung des Textildesigner Reimer Hennings für die Quinauer Wallfahrt in Trutzhain (Schwalm-Eder-Kreis) Meßgewänder entwerfen und nähen. Der Stoff für die Gewänder wird nach den entstandenen Entwürfen exklusiv für die Wallfahrt von der Trutzhainer Weberei Rudolf Egelkraut hergestellt.

Der Trutzhainer Stoffhersteller ist eine der letzten mechanischen Webereien in Deutschland. Er fertigt hochwertige Paramentenstoffe sowie Stoffe für Bühnen, Trachten, Karneval und historische Dekorationen. Die Näharbeiten übernimmt Schneidermeisterin Ingeborg Bechstedt (Kassel) mit den Studenten. Theologisch wird das Projekt von dem Ortspfarrer Diethelm Vogel begleitet. Zur Wallfahrt am 6. Juli 2008 zum Fest Mariä Heimsuchung sollen die Meßgewänder erstmals in Trutzhain getragen werden.

Das Bistum Fulda wurde beim Projektstart von Bischofsvikar Domkapitular Prof. Dr. Gerhard Stanke vertreten, der betonte, daß das Meßgewand vom Taufgewand herkomme und im Zusammenhang mit der Gemeinschaft mit Gott in der Liturgie zu verstehen sei. „Der Priester handelt in der Eucharistiefeier im Auftrag Gottes, und Christus ist die eigentliche Mitte des Gottesdienstes“, so Prälat Stanke.

Die Wallfahrt nach Trutzhain zur Pfarrkuratiekirche Maria Hilf finde vor allem deshalb statt, weil die Gottesmutter als „Hilfe der Christen“ mit den Menschen solidarisch sei und auf ihren Sohn Jesus Christus verweise. Wie bei anderen Wallfahrtsorten handle es sich auch bei Trutzhain um einen „Ort des Friedens und der Versöhnung“, vor allem zwischen Deutschen und Tschechen sowie Deutschen und Franzosen.

„Der Zeitplan ist knapp, aber wir werden es schaffen. Design für die Kirche ist eine echte Herausforderung. Unsere Studenten müssen sowohl traditionelle Bindungen als auch emotionale Zugänglichkeit miteinander verbinden“, sagte Barbara Eiffert, Leiterin der Kasseler Werkakademie für Gestaltung. Neben den Entwurfsarbeiten wird vor allem die Herstellung der Stoffe und das anschließende Nähen ein Wettrennen mit der Zeit. Zudem ist die Auseinandersetzung mit dem Thema „Quinauer Wallfahrt in Trutzhain“ nicht ganz einfach.

Die Wallfahrt ist die einzige Wallfahrt in Nordhessen und steht stellvertretend für viele katholische Kirchengemeinden in Nordhessen. In der nordhessischen Diaspora entstanden viele katholische Gemeinden, ebenso wie die Trutzhainer Gemeinde, erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach Flucht und Vertreibung fanden die Menschen in Nordhessen eine neue Heimat. So gelangte auch die Quinauer Wallfahrt, die ihren Ursprung 1372 im böhmischen Komotau hat, nach Trutzhain. Seit 1949/1950 wird die Quinauer Madonna in Trutzhain verehrt.

Ungewöhnlich ist dabei, daß Trutzhain aus dem Kriegsgefangenenlager STALAG IX A Ziegenhain entstand. Eben diese Flüchtlinge und Heimatvertriebenen machten aus dem Lager ein Dorf und feierten bereits die Wallfahrt, als das Lager noch Siedlung war. Als einziger Ort im Altkreis Ziegenhain mit einer katholischen Bevölkerungsmehrheit wurde Trutzhain 1951 zur jüngsten hessischen Gemeinde.

Zunächst in einer Barackenkirche untergebracht, wurde 1964/1965 die Trutzhainer Wallfahrtskirche in der Form eines Zeltes gebaut. Die Form der Kirche soll an die Dreifaltigkeit Gottes erinnern. Dabei steht das Zelt als Symbol für das Unterwegssein durch das Leben. Auch soll die markante Kirche im Umfeld der Baracken an das Schicksal der Erbauer erinnern. In Trutzhain ist die Gottesmutter als „mater gravida“, als schwangere Madonna, mit dem Jesuskind im Bauch zu sehen. Dies sei eine eher seltene Darstellungsform der Gottesmutter, erklärte Pfarrer Vogel.

2006 wurde der Pfarrverbund Maria Hilf, Schwalmstadt errichtet. Er umfaßt vier Pfarrkuratien und drei Seelsorgestellen mit rund 5.300 Mitgliedern. Der Verbund erhielt den Namen Maria Hilf, bezugnehmend auf das Marienpatronat der Trutzhainer Wallfahrtskirche. Die dort jährlich stattfindende Quinauer Wallfahrt ist die zentrale Veranstaltung der Schwälmer Katholiken. 2007 nahmen fast 300 Pilger aus nah und fern an der Wallfahrt in Trutzhain teil.

Als einer der ältesten Wirtschaftsbereiche sei das Handwerk traditionell tief mit der Kirche verbunden, sagte Heinrich Gringel, Vizepräsident der Handwerkskammer Kassel, und das nicht nur, weil die Kirche für viele Betriebe wichtige Auftraggeber seien. „Wie in der Kirche steht auch im Handwerk der Mensch im Mittelpunkt, egal ob als Kunde oder als Mitarbeiter.“ In einer immer globaleren Welt schafften Handwerk und Kirche Überschaubarkeit und Identität. Mit seinem Fachwissen und technischen Können bewahre das Handwerk nicht nur Kulturgüter, auch die, die der christliche Glaube hervorgebracht habe, sondern schaffe auch neue kulturelle Werte. „Für diese vielfältigen Verbindungen zwischen Handwerk und Kirche steht dieses Projekt als ein schönes Beispiel.“  (ws/bpf).

Zum Bild: v.l.n.r. Schneidermeisterin Ingeborg Bechstedt, Vizepräsident Heinrich Gringel, Webmeister Helmut Egelkraut, Studentin Maria Siebert, Textildesigner Reimer Hennings, Gemeindereferentin Gabriele Döll, Wolfgang Scholz und Pfarrer Diethelm Vogel, Kirchengemeinde Maria Hilf, Studentin Larissa Peters, Prälat Prof. Dr. Gerhard Stanke, Gudrun Weisbrich-Fink, Fa. Egelkraut, Barbara Eiffert, Leiterin der Werkakademie
Foto: Barbara Scholz
 

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