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Rechtstaatlichkeit als deutscher Exportschlager

071219_fuldaer-abend-reimer.jpgFulda. Unabhängige und unparteiische Richter, das Recht auf einen fairen Prozess und gut ausgebildete, in Fachgebieten spezialisierte Anwälte – zentrale Aspekte des Rechtsystems, die wir in Deutschland als selbstverständlich ansehen. In Georgien, Armenien, Aserbaidschan sieht diese Realität anders aus. Wolfgang Reimers, den Hochschulpräsident Roland Schopf als „einen der höchsten Richter Hessens“ begrüßte, arbeitet neben seiner Richtertätigkeit seit Jahren mit an dem Ziel, demokratische Strukturen in den Rechtssysteme dieser postsowjetischen Staaten zu verankern. Er ist als Rechtsberater im Südkaukasus tätig.

Prinzipien wie das Gewaltmonopol des Staates oder die Gewaltenteilung müssten laut Reimers nach Jahren sowjetischer Herrschaft auf dem Kaukasus erst wieder internalisiert werden. Man müsse Entscheidungsträgern vermitteln, „dass ein Richter sein Urteil nicht davon abhängig machen kann, dass der Präsident bei ihm anruft“, erläuterte er anschaulich.

Organisiert und finanziert wird das Projekt der Rechts- und Justizberatung im Südkaukasus durch die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), welche als entwicklungspolitisches Bundesunternehmen Transformationsprozesse in den verschiedensten Regionen der Erde unterstützt.

Reimers betonte, dass die Förderung von Rechtstaatlichkeit und Sicherheit zentrale Aspekte innerhalb der Arbeit der GTZ seien, die seit 1992 auf dem Südkaukasus aktiv sei. Um die genannten Ziele zu erreichen, entsende die Organisation Kurzzeitexperten, welche beim Entwurf von Gesetzen oder bei der Ausbildung von Richtern in der Region Unterstützung leiste.

Reimers erläuterte politisch-historische Aspekte, wie das Problem der von Georgien und Armenien seit Jahrzehnten umstrittenen Enklave Bergkarabach, die teils schwierigen nachbarschaftlichen Beziehungen in der Region, bedingt durch armenisch-türkische Spannungen oder den Einfluss des Iran. Genauso anschaulich wurden globale Zusammenhänge dargelegt; etwa die Bestrebungen der  armenischen Diaspora in den USA auf die Region einzuwirken.

Gleichzeitig berichtete er aus der Praxis seiner Beratertätigkeit: Er erklärte die Bedeutung neuer Kader, die die alten Eliten ablösen und frischen Wind in Justizsystem und Gesellschaft bringen könnten; und sprach von der wichtigen Erkenntnis, dass regionale Besonderheiten nicht gänzlich ignoriert, und strukturelle Reformen letztendlich in Eigenverantwortlichkeit durchgeführt werden müssten.

„Sie wollen das deutsche System nicht einfach übernehmen,“ berichtete Reimers, aber viele Aspekte hätten sie angenommen. Historisch und politische seit langem durch die Interessen fremder Mächte – Osmanen, Russen, Europäer – geprägt, sei die Region anfällig für das Wiederaufflammen alter Konflikte und Spannungen.

Es sei noch ein langer Weg, beschloss der Verwaltungsrichter seinen Vortrag. „Aber es gibt Hoffnung“, betonte er. Man mache viele, kleine positive Erfahrungen.

Am 15. Januar 2008 wird Dr. Otti Stein vom Deutschen Entwicklungsdienst in Bonn zum Thema „Entwicklungszusammenarbeit und Kultur“ sprechen.

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