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Bischof Algermissen hielt traditionellen Neujahrsempfang in Fulda ab

Fulda. „Wir müssen unseren Glauben notwendig offensiv in eine offene, säkulare Gesellschaft einbringen und dürfen auf den christlichen Wahrheitsanspruch nicht verzichten“, betonte der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen am Dienstag, 1. Januar, beim traditionellen Neujahrsempfang im Fuldaer Priesterseminar.

Fotos (57): Elisabeth Miller

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Wenn der Glaube nur noch punktuell als mitunter diffuses Gefühl und als religiöse Folklore auftrete, verliere er seine salzende Kraft. Er tauge zu nichts mehr und werde von den Leuten zertreten. Der Oberhirte wies in seiner Ansprache darauf hin, daß Christen, die die Menschwerdung Gottes feierten und die Auferstehung des Gekreuzigten vom Tode bekennten, klar Stellung beziehen müßten, wenn die Menschenwürde gefährdet sei und sich gefährliche gesellschaftliche Entwicklungen auftäten.

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Die Antwort auf die Frage, was den Menschen heute wichtig sei, gebe laut Algermissen „Auskunft über unsere Lebenskultur“. Vor einigen Jahren habe man zu vermittels der Europäischen Wertestudie festgestellt, daß Dinge in Deutschland höher im Kurs stünden als das Leben. In Hamburg stünden jedem Kind vier Autos gegenüber, in München gar fünf – da stehe „unscheinbares“ Leben gegen eine Übermacht aus Blech. „Unsere Wertehierarchie ist auf den Kopf gestellt“, so der Bischof, und dies müsse man mitbedenken, wenn man über Familienpolitik und das große Problem der demographischen Entwicklung nachdenke.

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Die Sonntagskultur verteidigen

Während seiner jüngsten Visitation in den Gemeinden des Altdekanates Johannesberg habe er beim Gespräch mit den Pfarrgemeinderäten und Verwaltungsräten eine „deutliche Empörung wegen der verkaufsoffenen Sonntage“ feststellen können, so der Bischof. „Man war allgemein der Meinung, solche Öffnungen würde die schon schwach gewordene Sonntagsheiligung als Kulturgut auf Dauer vollends zerstören.“

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Sehr bedenklich seien ihm Wut und Ohnmacht der Versammelten erschienen, die sich von den Politikern überfahren fühlten. Die Christen lebten nicht aus sich selbst heraus und aus dem, was man sich kaufen und leisten könne, „sondern von Jesus Christus, dessen Auferstehung der eigentliche Grund des Sonntags ist“. Die Feier des Sonntags sei die „große Tankstelle für Lebenskraft und Lebensmut“, die einem im Alltag oftmals abgehe. „Wenn wir also Sonntag und Alltag nivellieren, fehlt am Ende die Quelle, aus der wir leben können“, gab der Bischof zu bedenken.

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„Wenn viele heute einen immer dichteren Vorhang vor den Himmel ziehen und die Emanzipation von Gott zum Programm erklären, sind wir zur Gegenbewegung aufgerufen“, rief Algermissen dann auf. Solche Bewegung beginne mit der deutlichen Pflege des christlichen Sonntags in den Familien und drücke sich aus in der radikalen Verweigerung, am Sonntag einen offenen Laden zu betreten. Empörung allein jedenfalls reiche nicht, man müsse vielmehr in der eigenen Familie anfangen, die Sonntagskultur wieder mehr zu pflegen.

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Warnung vor Legalisierung der aktiven Sterbehilfe

Die umstrittene Schweizer Sterbehilfe-Organisation „Dignitas“, die seit zwei Jahren einen Ableger in Hannover habe, „verhalf“ im Jahr 2006 195 Sterbewilligen zum Tode, rief Bischof Algermissen in Erinnerung. Sie strebe eine Legalisierung aktiver Sterbehilfe in Deutschland an. In der Tat erlebe man bereits fatale Auswirkungen: in einem skandalösen Artikel in der „Welt am Sonntag“ am Sonntag, 25. November, sei in einer völligen Verkennung der Situation die aktive Sterbehilfe als „Liebesdienst“ beschrieben worden.

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„Im Plan der sogenannten Dignitas kommen für mich blanker Zynismus und eben eine Kultur des Todes zum Ausdruck“, stellte Algermissen heraus. „Es werden Grenzen überschritten, die uns in den Bereich der von den Nationalsozialisten betriebenen Euthanasie führen.“ Der Oberhirte rief alle gesellschaftlich relevanten Gruppen, besonders die Ärzteschaft, auf, den Plan der „Dignitas“ konsequent abzulehnen und auf eine Stärkung der Hospizarbeit und der Palliativmedizin zu setzen. In einer so grundsätzlichen Frage wie dem menschenwürdigen Sterben gelte es zunächst festzuhalten, daß jeder Mensch Anspruch auf ein Sterben habe, das die letzte große Lebensaufgabe des Menschen sei. „Diese Aufgabe kann ihm niemand abnehmen, wohl aber kann und muß ihm dabei geholfen werden.“

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Das besage in erster Linie, daß die Leiden des Kranken, auch unter Anwendung von schmerzstillenden Mitteln, so gelindert würden, daß er seine letzte Lebensphase menschlich bewältigen könne. Das bedeute weiterhin, daß dem Kranken die bestmögliche Pflege zuteil werden solle. Dabei gehe es nicht nur um die optimale medizinische Versorgung, sondern vor allem auch um die menschlichen Aspekte dieser Pflege.

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„Zur Sterbehilfe nach christlichem Glauben gehört, daß der Schwerkranke in seiner seelischen Not nicht alleingelassen wird“, so Algermissen weiter. Gerade im Sterben würden die Fragen nach dem Woher und Wohin des Lebens bewußt. Diese letztlich religiösen Fragen dürften weder ausgeklammert noch verdrängt werden. „Dabei ist der Glaube eine wirksame Hilfe, die Angst vor dem Tod durchzustehen, ja zu überwinden. Er schenkt dem Sterbenden eine feste Hoffnung. Der Glaube gibt auch dem Leiden, das uns unverständlich erscheint, seinen Sinn: Denn es ist Teilnahme am Leiden Jesu Christi selbst.“

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Aktive Sterbehilfe bezeichnete Bischof Algermissen als einen tragischen Irrtum, weil es eine Alternative gebe: statt das Töten zur Therapie zu erheben, die umfassende Zuwendung als Antwort auf den Schrei nach Hilfe bei der letzten Etappe des Lebens. Die Deutschen, die sich für Euthanasie aussprächen, wüßten gar nicht, wofür sie da einträten. Die Haltung der katholischen Kirche sei demgegenüber unaufgebbar eindeutig und werde sich niemals ändern: „willentliche Euthanasie, gleich in welcher Form und aus welchen Beweggründen, ist Mord“.

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„Ich wünsche und bete dafür, daß wir das Evangelium des Lebens als Botschaft der Hoffnung und Zuversicht jeweils neu in unseren Herzen wiederfinden und in diese Gesellschaft hinein als Sauerteig geben können“, so der Oberhirte zum Schluß. Er sprach allen Menschen seinen herzlichen Dank aus, die in Gemeinden und Verbänden, in Dekanaten und auch in den Abteilungen des Bischöflichen Generalvikariates „spürbar helfen, die fuldische Kirche auf dem Weg zu Gott und in seine Zukunft weiterzubringen“. Ein besonderer Dank galt Oberbürgermeister Gerhard Möller für das enge Verhältnis von Stadt und Bistum. (bpf)

Generalvikar Domkapitular Prälat Peter-Martin Schmidt hatte zu Beginn des Neujahrsempfangs die anwesenden Gäste aus Kirche und öffentlichem Leben begrüßt. „Im kommenden Jahr kommt nach den besonderen Jubiläen der Jahre 2002, 2004, 2005, 2006 und 2007 ein normales Jahr – wir dürfen aber nicht die Hände in den Schoß legen“, betonte der Generalvikar zu Beginn seiner Ansprache. Wie der hl. Bonifatius die Kirche in Deutschland organisiert und die hl. Elisabeth darauf das zarte Gewächs der Nächstenliebe gepflanzt habe, so gelte es auch heute, missionarisch Kirche zu sein. Der vom Bischof initiierte Pastorale Prozeß werde nur dann Frucht bringen, wenn vor Ort gut und beharrlich weitergearbeitet werde. Die christliche Botschaft, „die beste Botschaft der Welt“, müsse von den Gläubigen bis an die Enden der Erde getragen werden, hob Schmidt hervor und erinnerte zum Schluß besonders an die im vergangenen Jahr verstorbenen Priester.

Oberbürgermeister Gerhard Möller übermittelte für die Stadt Fulda, für Landrat Bernd Woide und auch im Namen der Vertreter des öffentlichen Lebens Neujahrswünsche an die Kirche und hob in seiner Ansprache hervor, daß im Jahr 2007 viel über gesellschaftliche Gerechtigkeit vor allem bei den Kinderkrippen geredet worden sei, daß aber kaum einer nach dem Wohl des Kindes gefragt habe, für dessen Erziehung laut Verfassung zunächst ja nun einmal die Eltern da seien. „Die Gerechtigkeitsdebatte sollte sich denen zuwenden, die Erziehungsleistungen erbringen“, forderte Möller. Kirche und Gemeinwesen seien in der Region Fulda von innerem Zusammenhang gekennzeichnet, und hier wie auch anderswo habe die christliche Einstellung Alltagsrelevanz, selbst für der Kirche Fernstehende, denn auch diese Menschen wünschten sich, daß sie christliche Werte, zumal in einem Einwanderungsland, aufrecht erhalte und für Bedürftige da sei. Der Oberbürgermeister zeigte sich dankbar für das konkrete Wirken der Kirche in der Region.

Katholikenratsvorsitzender Richard Pfeifer (Biebergemünd) unterstrich in seiner Ansprache, die Katholiken müßten sich mit ihren Werten besser bemerkbar machen und ihre Finger in die sozialen Wunden der Gesellschaft legen. Man müsse bedenken, daß Jugendliche nicht mehr erreicht würden, daß nur noch die Wirtschaft zähle, daß weniger Glaubenserziehung stattfinde und viele in der Kirche nicht mehr erreicht würden. „Vor allem ist eine Rückbesinnung auf die Familie notwendig“, so Pfeifer. Erziehung der Kinder sei ebenso wichtig wie die Vermittlung von Glaubenserfahrung. „Die Kirche muß neue Wege der Präsenz suchen und auch die Fernstehenden erreichen, die lediglich Kirchensteuer zahlen, aber nicht am Gemeindeleben teilnehmen.“ Allen, die im vergangenen Jahr im christlichen Geist den Menschen gedient hätten, sprach der Katholikenratsvorsitzende seinen Dank aus.
 

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