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„Anders feiern“ – Gemeinsame Aktion des Kreises und der Gemeinden gegen Alkoholmissbrauch

Vogelsbergkreis. Schwere Vergiftungen und Gewaltausschreitungen durch Alkoholmissbrauch von Jugendlichen: der Vogelsbergkreis gehört bei diesem bedrückenden Thema zur „Spitzengruppe“ in Hessen. Die Zahl der Alkohol-Intoxikationen (Vergiftungen, die im Krankenhaus stationär behandelt werden müssen) liege im Vogelsberg doppelt so hoch als im Landesdurchschnitt, berichtete Dr. Henrik Reygers, stellvertretender Leiter des Gesundheitsamts. „Drei oder vier Promille sind keine Seltenheit mehr.“ Flatrate-Parties, Komasaufen und Kampftrinken haben nach Auffassung von Landrat Rudolf Marx und aller Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Kreis in einem Maße zugenommen, dass nun – und zwar gemeinschaftlich und miteinander abgestimmt – gehandelt wird.

Es reiche ganz offensichtlich nicht aus, an die Vernunft und die Fürsorgepflicht von Veranstaltern zu appellieren und die gesundheitlichen Risiken ein ums andere Mal zu beklagen. Daher enthielten von jetzt an die für die Veranstaltungen erforderlichen „Gestattungen“ klare Auflagen, wenn die Gefahr bestehe, dass dem Alkoholmissbrauch Vorschub geleistet werde. Wenn sich die Veranstalter nicht an die Auflagen halten, sind  Ordnungswidrigkeitsverfahren die Folge, unterstreicht der Landrat. Auf Anregung des Landkreises sei ein schlüssiges Konzept gemeinsam mit allen Kommunen entwickelt worden, das ab sofort überall im Kreis umgesetzt werde.

Die Kreis-Ordnungsbehörde und alle 19 Ordnungsämter der Kommunen sowie die Polizei ziehen also an einem Strang. Dieses abgestimmte Vorgehen soll zum einem dem Jugendschutz konkret und direkt dienen, zum anderen einen „Trink-Tourismus“ unterbinden, weil überall im Kreis die gleichen Bedingungen herrschten, zum Beispiel klare Einlasskontrollen für Minderjährige und die Verkürzung der Sperrzeit auf drei Uhr. Mit farbigen Bändchen, die der Veranstalter ausgeben muss, wird altersmäßig eingeteilt, wer auf keinen Fall Alkohol ausgeschenkt bekommen darf. In einigen Kreisen Hessens wird diese Praxis bereits mit Erfolg in der Praxis umgesetzt.

Landrat Rudolf Marx stellte im Kreishaus vor wenigen Tagen gemeinsam mit Bürgermeister Jürgen Ackermann, der im Auftrag aller 19 Rathauschefs anwesend war, Vertretern des Kreis-Ordnungsamts und der Polizei einen Flyer mit dem Titel „Anders feiern“ vor. Dieser dient dazu, die verantwortlichen Veranstalter und das von ihnen eingesetzte Personal über das Konzept zu informieren und Tipps für ein Gelingen der Veranstaltung zu geben. Die Flyer sind ab sofort in allen Gemeindeverwaltungen verfügbar. „Wir sind in unserer Verantwortung alle in einem Boot“, hob Bürgermeister Ackermann hervor.

„Ab 2.00 Uhr wird es richtig schlimm“

Kriminaloberrat Matthias Wanninger machte den klaren Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und der Zunahme an Gewaltbereitschaft deutlich. „Ab 2.00 Uhr wird es richtig schlimm“, berichtet er aus der Praxis. Daher sei eine Begrenzung der Sperrzeit ein erster wichtiger Schritt, der nicht nur der Gesundheit, sondern auch der Gewaltprävention und damit der Verhinderung von Straftaten diene. „Erschreckend, bedrückend, entsetzlich“ – das waren die Attribute, die der Landrat und die Polizeichefs von Lauterbach und Alsfeld, Erster Polizeihauptkommissar Peter Muth und Erster Polizeihauptkommissar Harald Bartel, für die grassierenden Exzesse bereithielten. Gewiss gelte das Risiko von Vergiftungen und Gewalttätigkeiten nicht gleichermaßen für alle Veranstaltungen.

Aber die Veranstalter würden künftig auf keinen Fall mehr aus ihrer Verantwortung für die Gesundheit junger Menschen entlassen werden, machte Landrat Marx deutlich. Es gehe nicht um Reglementierung, sondern um das Vermeiden von Leid. Harald Bartel sagte: „Das Programm spricht dem Wollen der Polizei aus der Seele.“ Gut sei auch die geforderte stärkere Präsens von Ordnungskräften des Veranstalters. Und: „Nur wenn alle mitmachen, werden wir Erfolg haben.“ Landrat Marx lobte ausdrücklich das hohe Engagement bei der konzeptionellen Arbeit von des Polizei-Jugendkoordinators, Polizeihauptkommissar Matthias Krönung, und von Wolfgang Weiser als Vertreter der Suchthilfe im Vogelsbergkreis.

„Flatrate-Parties von vornherein verbieten“

Zum Inhalt des Konzeptes machte der Leiter des Amtes für Aufsichts- und Ordnungsangelegenheiten, Leitender Verwaltungsdirektor Siegfried Simon, auf die Genehmigungsfunktion des kommunalen Ordnungsamts aufmerksam: Wenn der Verwaltung bekannt werde, dass eine sogenannte „Flatrate-“, „All-Inclusive-“ oder „Ballermann-Party“ stattfinden solle, so sei diese von vorneherein abzulehnen. Denn Veranstaltungen, bei denen für einen Festpreis eine unbegrenzte Menge Alkohol konsumiert werden könne oder der Preis so niedrig sei, dass er zu einem unkontrollierten Alkoholkonsum anreize, dürften nicht stattfinden.

Bei sonstigen Veranstaltungen, bei denen die Gefahr bestehe, dass dem Alkoholmissbrauch Vorschub geleistet werde, wie dies zum Beispiel bei Jugendfeten, Disko-Parties, Jahrgangsfeiern, Kirmes und Burschenschaftsveranstaltungen für hauptsächlich Jugendliche der Fall sein könne, werde durch Auflagen in den zur Durchführung erforderlichen Gestattungen reagiert.

Ampel-Bändchen, mehr Ordnungskräfte, Veranstaltungsende 3.00 Uhr

Besonders drei Auflagen seien wesentlich. So werde grundsätzlich das Veranstaltungsende auf 3.00 Uhr festgesetzt. Die Vorgabe, „Ampelbändchen“ (Rot, Gelb, Grün) oder nach Altersgruppen unterschiedliche Stempel zu verwenden, helfe den Veranstaltern auch in deren Interesse, die Altersbestimmungen nach dem Jugendschutzgesetz einzuhalten. So sei es dem Personal des Veranstalters möglich, schnell zu erkennen, bis zu welcher Uhrzeit sich der Besucher aufhalten und welche Art von alkoholischen Getränken er konsumieren dürfe. Zum Dritten sei der sichere und ordnungsgemäße Ablauf einer Festveranstaltung auch von der Anzahl und den Fähigkeiten des eingesetzten Ordnungspersonals abhängig. Deshalb sehe eine Auflage vor, dass im Regelfall pro 100 zu erwartende Besucher eine Sicherheitskraft erforderlich sei, wobei mindestens jedoch immer vier Ordner anwesend sein müssten.

Wichtig: Frühzeitiger Antragstellung

Bürgermeister Jürgen Ackermann erläuterte, dass die Gestattung beim Ordnungsamt der zuständigen Gemeinde oder Stadt mindestens drei Wochen vor der geplanten Veranstaltung erfolgen solle. In dieser Vorbereitungsphase könne das Ordnungsamt nützliche Informationen und Hilfestellungen für einen reibungslosen Veranstaltungsverlauf geben. Jeder Veranstalter erhalte Informations-Flyer mit dem Titel „Anders feiern“, und zum Aushang geeignete Informationstafeln über die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes. Auch müsse die Verwaltung rechtzeitig wissen, wer ihr verantwortlicher Ansprechpartner sei.

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