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Fulda und die Weltchronik des Marianus Scotus

080302_palat2a.jpgFulda. Vor 950 Jahren, im Frühling 1058, erfuhr die Fuldaer Klostergemeinschaft einen Zuwachs der besonderen Art: Der Pilgermönch Marian, ein Asket, schloss sich ihr an. Er stammte aus Irland, das damals „Scotia Maior“ hieß. Von daher nannte man die Iren auf dem Festland „Scoti“. Und so kam Marian als Autor einer in lateinischer Sprache geschriebenen, bedeutenden Weltchronik, zu dem Namen „Marianus Scotus“.

Marian verfasste seine Weltgeschichte zu Teilen in Fulda, wo er sich für die Dauer von zehn Jahren einmauern ließ. Seine Klause war wohl der Kirche des Klosters angebaut, mit der sie ein kleines Fenster verband. Ein zweites, nach außen gerichtetes Fensterchen diente der Ver- und Entsorgung des Klausners.

Diese betraf auch die für Marians wissenschaftliche Tätigkeit unverzichtbaren Bücher. Die von ihm genutzten, aus dem Bestand der berühmten Fuldaer Klosterbibliothek stammenden Vorlagen lassen sich in seiner Weltchronik gut ausmachen. Interessanterweise flossen Notizen über den Lebensweg des Autors in das Werk ein. Die Bemerkungen zu seinem Aufenthalt im Kloster Fulda sind eine Fundgrube für die fuldische Geschichtsschreibung.

080302_kkbs9.jpgEine für Fulda besonders bedeutsame Nachricht betrifft das hiesige Herrschergrab: Der Chronist berichtet, dass König Konrad in der Fuldaer Klosterkirche beim Kreuzaltar bestattet sei. Dieses einzig verlässliche Zeugnis von der Lage der Grabes hat die Gestaltung der Gedenktafel bestimmt, die im Fuldaer Dom an die letzte Ruhestätte des ersten deutschen Königs erinnert. Das vom Künstler verwendete Zitat stammt aus dem Buch der dreiteiligen Weltchronik, das die Geschichte von Christi Geburt bis zum Todesjahr des Autors umfasst. Es erschien 1844 als Textausgabe, die insgesamt gesehen heutigen geschichtswissenschaftlichen Ansprüchen nicht mehr genügt.

Die damalige quellenkritische Bearbeitung beruht auf einem einzigartigen, handschriftlich angefertigten Exemplar der Weltchronik, das wohl in Mainz entstand, wo Marian nach seinem Aufenthalt im Kloster Fulda gleichfalls als Klausner lebte und als Geschichtsschreiber wirkte. An diesem Manuskript sind vier verschiedene Hände nachweisbar, die teils nach Diktat geschrieben haben. Das Geschriebene wurde jedoch vom Autor eigenhändig redigiert.

Diese außerordentlich wertvolle Handschrift befindet sich seit langem in der Vatikanischen Bibliothek. Deren Leitung entsprach unter strengen Auflagen der Bitte der bürgerschaftlichen INITIATIVE, die Herstellung eines Faksimiles zu gestatten, das im Stadtarchiv Fulda für Forschungszwecke genutzt werden darf.

Von daher besteht nun die Chance, in Fulda erstmals über eine Abbildung der originalen Weltchronik zu verfügen. Seine das Kloster Fulda betreffenden Passagen wären unter neuesten geschichtswissenschaftlichen Sichtweisen zu erschließen. Die hierbei zu gewinnenden Erkenntnisse würden dazu beitragen, jene spannenden Jahre Mitte des 11. Jahrhunderts, welche für die Geschichte des Klosters Fulda auf politischem wie kulturellem Gebiet eine Zäsur darstellten, noch besser zu verstehen.

Damit einhergehen könnte eine kritische Durchsicht der neueren Literatur zur Geschichte Fuldas: Bezieht diese sich doch häufig auf die Historiker Christoph Brower (1559-1617) und Johann Friedrich Schannat (1683-1739), welche wohl die im Jahre 1559 in Basel gedruckte, später als völlig unzuverlässig erkannte Fassung der Weltchronik des Marianus Scotus benutzt haben. Nicht zuletzt deswegen erscheint eine Erschließung des handgeschriebenen Originaltextes angezeigt.

Für die Finanzierung dieses kloster-beziehungsweise stadtgeschichtlich bedeutsamen Vorhabens will der Rotary Club Fulda Sorge tragen. Er lädt daher zu einem Benefiz-Orgelkonzert ein, das am 12. April 2008 im Dom zu Fulda stattfinden wird. In dessen Vorgängerbau trat der irische Pilgermönch Marian vor 950 Jahren an König Konrads Grab. Diese Inaugenscheinnahme fand Eingang in die Weltchronik des Marianus Scotus. Möge deren Faksimile schon bald im Stadtarchiv Fulda für Forschungszwecke zur Verfügung stehen.

Konrad I. – der König, der aus Hessen kam
– Eine bürgerschaftliche INITIATIVE –
info@koenigkonrad-aushessen.de

Bild 1
Auszug aus der Weltchronik des Marianus Scotus,
Biblioteca Apostolica Vaticana,
Codex Palatino lat. 830
Foto: Stadtarchiv Fulda
Bild 2
Gedenktafel im Dom zu Fulda,
Adam Kramer, Sandstein, 1878/79
Foto: Erich Gutberlet

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