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Personalkonzepte für den demographischen Wandel – Diskussionsrunde an der Hochschule

Fulda. Aufzuhalten ist die Entwicklung nicht mehr, das steht fest. Unsere Gesellschaft altert. Spätestens ab 2020 werden die Unternehmen in Deutschland die demografische Entwicklung deutlich spüren. Belegschaften, die größtenteils aus Mitarbeitern zwischen 45 und 65 bestehen – heute noch die Ausnahme – werden dann an der Tagesordnung sein, auch in der Region.

Wie Unternehmen damit umgehen können, welche Handlungsfelder zu betrachten sind, war Thema einer Veranstaltung, zu der die Hochschule Fulda in der vergangenen Woche Vertreter aus regionalen Unternehmen und Institutionen eingeladen hatte. Dass sie damit den Nerv getroffen hat, zeigte die überaus gute Resonanz auf das Angebot. Oberbürgermeister Gerhard Möller, der die Teilnehmer begrüßte, ließ keinen Zweifel daran, dass auch die Stadtverwaltung sich mit diesem Thema auseinandersetzt.

Muss eine alternde Belegschaft überhaupt als personalpolitisches Problem betrachtet werden, fragte Prof. Dr. Dagmar Preißing, die am Fachbereich Wirtschaft lehrt und die Veranstaltung initiierte. Vermindert eine alternde Belegschaft die Wettbewerbsfähigkeit? Eine wissenschaftlich haltbare einheitliche Klassifikation von alt gebe es jedenfalls nicht. Und dann lenkte sie den Blick auf das, was Unternehmen laut einer Umfrage der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitsgeberverbände von ihren Mitarbeitern erwarteten. Erfahrungswissen, Loyalität, Urteilsvermögen, Arbeitsmoral stünden auf der Liste der wichtigsten Eignungs- und Leistungsfaktoren ganz oben. „Alles Merkmale, die gerade ältere Arbeitnehmer aufweisen“, so Preißing.

Nur 37 Prozent der über 55-Jährigen sind in Deutschland in Unternehmen beschäftigt. In Schweden sind es 68 Prozent. Zugleich ist das Land das innovationskräftigste in Europa. Für Preißing nicht verwunderlich. „Innovationskraft hängt mit Erfahrungswissen zusammen“, sagte sie und forderte:„Wir müssen von einem Defizitmodell hin zu einem Kompetenzmodell kommen und heutiges Karrieredenken durch eine neue Kultur ablösen. Aufgabenwechsel müssen für Ältere ohne Gesichtsverlust möglich sein und der Wert eines Mitarbeiters sollte sich aus seiner Funktion, nicht seiner Hierarchiestufe ergeben.“

Dass solch ein Ansatz tatsächlich funktionieren kann, zeigte Otmar Fahrion, Inhaber der Fahrion Engeneering GmbH Kornwestheim, die weltweit und branchenübergreifend Produktionsanlagen baut. Das Unternehmen, das in der Region Stuttgart Probleme hatte, Mitarbeiter zu finden, änderte seine Personalstrategie. Es fokussierte sich auf die Altergruppe zwischen 45 bis 65 Jahren. 5.000 Bewerbungen gingen ein, darunter 200 Top-Qualifizierte. Heute sind nur 8 Prozent der Mitarbeiter unter 40 Jahren. Alle haben unbefristete Verträge. Sie arbeiten in altersvermischten, interdisziplinären Teams. Projektleiter sind immer die Erfahrenen.

Statt der üblichen Karrieren, die nicht selten mit gravierenden gesundheitlichen Probleme enden, setzt Fahrion auf so genannte Bogenkarrieren. Das heißt, „Leistungen und Bezüge sind bei uns an die individuellen Lebenssituationen angepasst“. Und auch die Wirtschaftlichkeit des Modells belegte Fahrion: „Einen jungen Ingenieur müssen wir 12 bis 15 Jahre ausbilden, bis er selbstständig eine Fabrik planen kann. Bei Mitarbeitern über 50 sind es nur zwei bis drei Jahre.

Wie sich ältere Arbeitnehmer im Unternehmen halten lassen, stellte Karl-Heinz Brand vor, in der Tegut-Geschäftsleitung zuständig für das Ressort Mensch und Arbeit. „Zwischen 40 und 50 orientieren sich Menschen noch einmal neu. Genau diese Phase wollen wir nutzen“, beschieb er das Konzept von Tegut. Dabei geht es nicht nur darum, die Mitarbeiter im Unternehmen zu halten und mit ihnen ihr Wissen. „Wir wollen die Beschäftigungsfähigkeit nachhaltig sicher, und zwar bis zum Ruhestand“, betonte Brand.

Tegut bietet dazu Seminare an, die die Arbeitssituation verbessern sollen: von Rückengesundheit über Menschenkenntnis und Führung bis hin zur EDV.  Für die Wissensweitergabe setzt das Unternehmen auf so genannte Lernpartnerschaften. Die Jüngeren lernen von den Erfahrenen. Deshalb sind auch hier die Teams gemischt. Besonders gut kamen die Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements an: ein Arbeitsplatzcoaching durch Mediziner sowie eine Gefäß-Check-Aktion.

Die Praxisbeispiele überzeugten. Doch die Veranstaltung hat auch eines deutlich gemacht: Den Königsweg gibt es nicht. Es ist die Aufgabe eines jeden Unternehmens, seine Handlungsfelder zu identifizieren und gezielt Maßnahmen zu entwickeln. Die Hochschule Fulda wird deshalb das Thema in regelmäßigen Veranstaltungen vertiefen.

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