Logo

Bundesminister Heiner Geißler bei KAB Friedenswallfahrt

Motten/Kothen. Weder mit deutlicher Kritik am herrschenden Kapitalismus noch mit eindringlichen Ermahnungen zu solidarischem Handeln sparte Bundesminister a.D. Dr. Heiner Geißler bei der 43. Friedenswallfahrt der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Bezirksverband Rhön/Vogelsberg zum Maria Ehrenberg. Seine offene und klare Sprache überzeugten die über 300 Wallfahrer, die dem Aufruf der KAB Rhön/Vogelsberg, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert, gefolgt waren.

Fotos (3): KAB

In einem Zeitsprung skizzierte der Sozialpolitiker die Ausgangslage vor knapp 150 Jahren, die geprägt war von der „alten sozialen Frage“ und auf die Karl Marx und Friedrich Engels mit dem kommunistischen Manifest reagierte. Erst 4 Jahrzehnte später meldete sich die katholische Kirche mit ihrer ersten Sozialenzyklika Rerum Novarum zu Wort. Aufgrund dem, auch in Deutschland, sich zuspitzenden und als durchaus dramatisch zu bezeichnenden zunehmenden sozialen Ungleichgewichtes, forderte er den katholischen Sozialverband mit seinen Mitgliedern auf, wachsam zu sein und sich nicht zu scheuen, die Finger in die offenen Wunden der Gesellschaft zu legen.

Den Ernst der Lage skizzierte Geißler mit anschaulichen Beispielen. So betonte er, dass weltweit 300 Menschen ein Vermögen von 1 Billion US-$ angehäuft hätten. Dieses Vermögen entspricht genau dem, was die Hälfte der Menschheit ihr Eigen nennen könne. Zwar würde mit Spenden den vielen Millionen Menschen, die unterhalb der internationalen Armutsgrenze von 2 US-$ pro Tag verdienen, kurzfristig geholfen werden, doch packe diese Barmherzigkeit das Übel an der Wurzel. „Die Welt wird von einer kapitalistischen Ideologie beherrscht, die beseitigt werden muss“ gab sich der ehemalige Generalsekretär der CDU kämpferisch.

„Wollen wir in Zukunft eine Welt mit menschlichem Gesicht oder tolerieren wir, dass Millionen Menschen unter die Räder kommen?“ provozierte Geißler die Wallfahrer. Ein menschliches Gesicht der Gesellschaft konnte der Redner kaum ausmachen. Im Gegenteil, an vielen Beispielen, wie auch am Beispiel des Handyherstellers Nokia machte er den Irrweg des momentanen wirtschaftlichen Handelns deutlich.

Um eine Kapitalrendite von 10 % auf 25 % zu steigern, vernichtete der internationale Konzern 3.000 Arbeitsplätze in Deutschland und „kippte viele der ehemals beschäftigten 3.000 Menschen in verhöhnender Art und Weise dem Sozialstaat vor die Tür“. Hier wie auch in der internationalen Immobilien- und Bankenkrise würde deutlich, dass Gewinne privatisiert würden und Verluste sozialisiert. „Soziale Marktwirtschaft, als geistiges und ethisches Abkommen gibt es nicht mehr“ stellt der Bundesminister a.D. treffend fest.

Und gerade hier sei das Engagement von konfessionellen Verbänden, den Kirchen und den Christen im Allgemeinen gefordert. Katholische Soziallehre und evangelische Sozialethik böten ein festes Fundament, entscheidend Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung zu nehmen. Dabei gehe es nicht darum das Rad der Zeit zurückzudrehen, die „Globalisierung schreitet unaufhaltsam voran“ so Geißler, es müsse vielmehr darum gehen, dass die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen sich auf Augenhöhe begegneten.

„Wir dürfen uns als Christen nicht mit einem wachsenden Prekariat, mit einer festzementierten 4/5 Gesellschaft zufrieden geben, nur damit einige wenige immer mehr Macht und Geld vergöttern können“. Wilde Spekulationen mit dem Ziel wenigen Aktionären die Taschen zu füllen, die in den letzten Monaten insbesondere auch die Preise von Grundnahrungsmitteln in die Höhe trieben und damit zunehmend mehr Menschen in den Entwicklungsländern dem Verhungern nahebringen zeugten nicht nur davon dass das herrschende Wirtschaftssystem krank und unsittlich wie auch nicht konsensfähig ist.

Auch demokratische Strukturen würden dadurch gefährdet. Nicht von ungefähr kommend sieht Geißler die zurückgehenden Wahlbeteiligungen an demokratischen Wahlen skeptisch. Von herrschenden Politikern erwartet der Sozialexperte eine stärkere Förderung von Arbeitnehmern wie von kleinen und mittelständische Unternehmen. Den katholischen Sozialverband forderte Geißler auf, das richtige Menschenbild zu fördern und politisch zu vertreten.

„Wie dieses Bild aussieht gibt uns Christen das Evangelium vor“ macht er den Versuch eine gerechtere Gesellschaft zu zeichnen. Jeder Einzelne müsse als Ebenbild Gottes akzeptiert werden, seine Würde geschützt werden, der Mensch dürfe niemals nur als Kostenfaktor gesehen werden. So dürfe soziale Sicherheit nicht nur die Lohnnebenkosten belasten, indem sie aus Erwerbsarbeitseinkommen finanziert werde, sondern müsste von der gesamten Gesellschaft und damit über Steuern finanziert werden. „Wir sind die Nächsten für die, die in Not sind – das ist gelebte Solidarität“ endete er seine von den Wallfahrern mit minutenlangem Beifall bedachten Ausführungen.

Den Abschluss der Wallfahrt bildete eine Heilige Messe, die von dem Fuldaer Domkapitular Prälat Rudolf Hofmann zelebriert wurde. Zuvor hatte KAB Diözesansekretär Michael Schmitt, Fulda den Bezirksvorsitzenden Egon Schütz, Geisa und den KAB Diözesanvorsitzenden Klaus Schmitt, Neuses begrüßt. In seinen Ausführungen ging Schmitt auf das Selbstverständnis der KAB ein, das im Bezirksverband Rhön/Vogelsberg 100 Jahre das Handeln leitete. Unter Bezugnahme auf das diesjährige Jubiläums-Misereormotto: „mit Zorn und Zärtlichkeit – an der Seite der Armen“ ermunterte er die Wallfahrer, auch das Gefühl „Zorn“ – wenngleich oft negativ belegt – zuzulassen. „Wenn Zorn dazu dient, uns in Bewegung zu setzen, in Bewegung hin zu einer gerechteren und friedvolleren Welt, dann wir Zorn zu einer positiven Emotion“ so Schmitt.

Categories:

Alle Nachrichten, Kirche