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Zu Gast im kroatischen Vukovar – Ein Bericht von Dietmar Kuschel

Die wiederhergestellt Klosterkirche der Franziskaner beim Weihegottesdienst. Foto: privat

Die wiederhergestellt Klosterkirche der Franziskaner beim Weihegottesdienst. Foto: privat

Vukovar/Geisa/Fulda (dk). Was erwartet uns in Vukovar? In der Stadt, die am meisten gelitten hat im Krieg, der sich von 1991 bis 1995 in Kroatien hinzog, ausgelöst von den serbischen Nachbarn. So fragten sich drei Männer und drei Frauen aus dem Bistum Fulda, die zur Weihe der Klosterkirche der Franziskaner eingeladen worden waren.

Es gibt Daten, die sich in das kollektive Gedächtnis des kroatischen Volkes eingebrannt haben. Dazu gehört der Beginn des ,,großserbischen bewaffneten Eroberungskriegs“ am 2. Mai 1991. In besonderer Weise waren die etwa 35 000 Menschen der Stadt an der Donau betroffen. Am 25. August 1991 begann das Werk der serbischen Zerstörung in der ostkroatischen Grenzstadt Vukovar. Kein Haus der Stadt blieb verschont von der Verwüstung, die als eine der schönsten galt in Kroatien.

Eine Gedenktafel im Stadtzentrum erinnert: ,,Die Bevölkerung und die Verteidiger von Vukovar haben die Hölle und die tägliche Beschießung mit Hunderttausenden Granaten erleben müssen.“  Am 18. November war die Stadt militärisch besetzt worden. Die Gedenktafel berichtet weiter: ,,Mehr als 5000 Einwohner Vukovars wurden in zahlreiche Lager nach Serbien verschleppt, wo sie massive Misshandlungen erlitten haben. Der Rest der nichtserbischen Bevölkerung wurde vertrieben.“ Im Jahr 1997 habe der Wiederaufbau der total zerstörten Stadt begonnen.

Wieder aufgebaut und erneuert: Das Foto zeigt eine Teilansicht des Klostergebäudes mit der Kirche (links) in Vukovar. Foto: privat

Wieder aufgebaut und erneuert: Das Foto zeigt eine Teilansicht des Klostergebäudes mit der Kirche (links) in Vukovar. Foto: privat

Die Wiedererrichtung der Stadt begann damit, dass bedeutende öffentliche Gebäude möglichst originalgetreu aufgebaut wurden sowie Plätze und Straßen neu entstanden. Viele neue Wohnhäuser wurden gebaut – oft neben Kriegsruinen. Eines der wichtigsten Gebäude in Vukovar ist die auf einem Hügel an der Donau stehende Klosteranlage der Franziskaner mit der den Heiligen Philipp und Jakobus geweihten Kirche. Die Franziskaner siedelten bereits im 14. Jahrhundert an der Stelle, wo sie, nach der Vertreibung der Türken (1526 bis 1687), die Stadt Vukovar gründeten. In den Jahren 1723 bis 1736 errichteten die Franziskanerbrüder die Kirche im Barockstil, die 1896 erweitert wurde zum dreischiffigen neoklassizistischen Gotteshaus.

Klaus Tiller, langjähriger Caritas-Geschäftsführer im thüringischen Dekanat Geisa, hat mit seiner Frau Ursula und weiteren ehrenamtlichen Helfern jahrelang Sachspenden und finanzielle Hilfe nach Vukovar und zuvor bereits in die benachbarte Großstadt Osijek gebracht. Tiller und die fünf weiteren Gäste aus dem Bistum Fulda, die zur Kirchweihe kamen, waren erstaunt, ,,schon wieder ungezählte private und historische Gebäude in neuem Glanz“ vorzufinden.

Pater Zlatko Spehar am Seitenaltar der Traurigen Madonna, der Krieg völlig zerstört wurde. Foto: Dietmar Kuschel

Pater Zlatko Spehar am Seitenaltar der Traurigen Madonna, der Krieg völlig zerstört wurde. Foto: Dietmar Kuschel

Nachdem die im Krieg zerstörten Klostergebäude innen und außen wieder aufgebaut wurden und auch die kaputte, ausgebrannte Kirche außen wieder hergestellt wurde, samt Turm, auf den die kriegführenden serbischen Angreifer offenbar ein Zielschießen veranstaltet hatten, wurde als letzte Baumaßnahme das Gotteshaus innen völlig erneuert. Anstatt der vorherigen farbigen Ausmalung ist sie in hellen Farben gehalten. Nur zwei größere Flächen in den beiden Seitenschiffen weisen auf Vergangenes. Links in der Kirche erinnert ein Teil der Wand an die einstige farbliche Gestaltung der Kirche. Gegenüber, im rechten Seitenschiff, das den Altar von der Traurigen Madonna birgt, ist der Zustand konserviert, den die Granaten verursacht hatten. Die Wand blieb unverputzt, Löcher klaffen, von Granatsplittern gerissen.

Die Franziskanerbrüder hatten den Altar mit dem Bildnis der Pieta im Jahr 1918 errichtet im Gedenken an die gefallenen Gemeindemitglieder im Ersten Weltkrieg. Auf diesen Altar hatten die serbischen Aggressoren im Heimatkrieg, wie die Kroaten die Zeit von Frühjahr 1991 bis Herbst 1995 bezeichnen, es besonders abgesehen. Mienen zerstörten ihn völlig. Einige Teile des Altars, so berichtet ein Hinweis, sind verschwunden. Mit noch vorhandenen Resten wurde der heutige Altar zusammengesetzt. Das aus dem 17. Jahrhundert stammende Bild von der Traurigen Madonna wurde von Geschossen durchsiebt. 29 Löcher wurden gezählt. Das neue Altarbild ist eine fotografische Reproduktion. Das restaurierte Original wird im Kloster aufbewahrt.

Infotafeln informieren Besucher der Klosterkirche, dass die serbischen Angreifer 22 Löcher in die Wände des zerstörten Gotteshauses gebrochen hatten, um auch die wenigen erhaltenen Mauerreste dem Erdboden gleichzumachen. Die geplante Schandtat wurde von wachsamen Bürgern vereitelt.

Im Gotteshaus herrschte eine drangvolle Enge, als der Erzbischof von Djakovo mit fünf weiteren Bischöfen sowie vielen Franziskanern und anderen Geistlichen den Weihegottesdienst hielt, musikalisch begleitet von der Orgel, die vor wenigen Jahren noch in einer Kirche in Amsterdam stand, dort abgebaut und in Vukovar wieder aufgebaut wurde. Zwei Tage zuvor hatte der kroatische Organist Viseslav Jaklin an dem importierten Instrument ein Konzert gegeben. Auf dem Programm standen Werke von Durufle (1902 bis 1986), Vivaldi (1678 bis 1741), Bach (1685 bis 1750) und Papandopulo (1906 bis 1991).

In Vukovar begegneten die Sechs aus dem Bistum Fulda vielen ,,alten“ und neuen Freunden. Besonders herzlich gestaltete sich das Wiedersehen mit Pater Zlatko Spehar. Der Tatkraft und dem Weitblick des langjährigen Guardians des Franziskanerklosters in Vukovar ist es zu verdanken, dass die zerstörte Klosteranlage in wenigen Jahren wieder aufgebaut wurde. Pater Zlatko wirkt seit einigen Jahren als Seelsorger der Kroaten in Salzburg.

Die sechs Gäste aus dem Bistum Fulda nahmen an einer Führung durch einen Teil des Schlosses des Grafen zu Eltz teil, das im Krieg völlig zerstört, mit allen Nebengebäuden wieder aufgebaut wurde und heute ein Museum beherbergt. Wie die deutschen Gäste hörten, dürfen die einstigen Schlossbesitzer nicht einmal einen Feriensitz im Schloss beanspruchen. Jakob Graf zu Eltz (1921 bis 2006), der den Titel Graf zu Vukovar führte, kehrte 1990 nach der Erlangung der staatlichen Souveränität Kroatiens in seine alte Heimat zurück und war Mitglied im kroatischen Parlament in Zagreb.

Die Sechs aus dem Bistum Fulda trugen sich im Gästebuch des Schlosses ein. Sie wünschten der Bevölkerung einen dauerhaften Frieden und äußerten die Hoffnung, dass den Mitgliedern der Familie zu Eltz künftig im Schloss eine Wohnung zur Verfügung gestellt wird. Die Kommunisten hatten die Familie zu Eltz nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet und von ihrem Stammsitz in Vukovar vertrieben. Die Familie Eltz lebte daraufhin in Eltville am Rhein. Im Zuge der Auseinandersetzung um den Neubau des Bischofssitzes in Limburg hat sich mehrfach ein Mitglied der Familie kraftvoll zu Wort gemeldet. Es ist der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz, jüngster Sohn des Grafen Jakob zu Eltz.

Auf der Heimfahrt machten die Sechs aus dem Bistum Fulda Station in dem österreichischen Städtchen Frohnleiten in der Steiermark, nahe der Landeshauptstadt Graz. Pater Dominikus Ramljak, der von 1977 bis 2005 in der Propstei Blankenau (Dekanat Neuhof–Großenlüder) mit weiteren kroatischen Franziskanerbrüdern lebte und als Pfarrer in Hainzell wirkte, verlebt seinen ,,Unruhestand“ dort, wo er 1967 als Kaplan seinen seelsorglichen Dienst begonnen hatte.

Gäste in Vukovar

Drei Männer und drei Frauen aus dem Bistum Fulda vertraten bei der Kirchweihe in Vukovar den Caritasverband für die Regionen Fulda und Geisa. Es waren: Klaus und Ursula Tiller sowie Berthold Knauf aus Geisa, Christa Riemer (Geisa-Wiesenfeld), Daniela Tischendorf (Vacha) und Dietmar Kuschel (Künzell-Dirlos).

 

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