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TK in Hessen ergreift Initiative gegen Onlinesucht

Frankfurt am Main. Die Techniker Krankenkasse (TK) in Hessen und die Hessische Landesstelle für Suchtfragen (HLS) kooperieren in dem bundesweit einmaligen Projekt „webC@RE“ gegen Internetsucht. Das Besondere daran: Es ist ein virtuelles Selbsthilfeangebot, das onlinesüchtige Menschen direkt dort erreicht, wo sie sich die meiste Zeit aufhalten – im Netz. Durch die Netzpräsenz auf der Website und bei Facebook ist Webcare jederzeit und von nahezu jedem Fleck der Erde erreichbar. Betroffene können auf der Website einen Test machen, der hilft einzuschätzen, ob der Computerkonsum oder auch die Vorliebe zum Smartphone noch „normal“ sind. Besorgte Angehörige finden ebenfalls Rat. Ziel ist es, mediensüchtige Menschen zunächst in eine virtuelle Selbsthilfegruppe zu integrieren und langfristig eine Gruppe in der realen Welt zu schaffen.

Auf Facebook genügt die Freundschaftsanfrage bei „web care“ (hier getrennt geschrieben). Diese kleine Hürde bezweckt, dass sich die Betroffenen bewusst dafür entscheiden auf der Seite mitzumischen und damit den ersten Schritt zur Selbsthilfe wagen. „Sobald man befreundet ist, kann man auch einfach besser interagieren“, sagt Benjamin Wockenfuß, Suchttherapeut und Leiter des Projektes. In lockerem Ton erhalten die User von ihm kompetente Unterstützung, im Chat klärt er die wichtigsten Fragen und vereinbart dann für die individuelle Beratung einen festen Termin zum Austausch im Netz oder per Telefon. Denn: „Wir machen keine Küchentischpsychologie. Für eine seriöse Beratung muss man sich Zeit nehmen“, so Wockenfuß. “

Derzeit existieren deutschlandweit weniger als zehn Selbsthilfeangebote für onlinesüchtige Menschen. Um diese zu nutzen, müssen sich die Betroffenen „ganz real“ auf den Weg zum Therapieort begeben. Das passt jedoch nicht zu deren Bedürfnissen, denn die meisten Betroffenen schaffen es nicht, sich vom Computer zu lösen und für einen festen Termin rechtzeitig mit dem Auto loszufahren oder den Bus zu erreichen. Das geht so weit, dass sie mitunter sogar Hunger, Durst oder Harndrang übergehen. „Diese Menschen brauchen für den ersten Kontakt ein Angebot, das höchstens einen Klick entfernt ist. Bei der Entwicklung von Webcare war es uns wichtig, genau darauf zu schauen, welche Bedürfnisse diese Menschen haben und welche Lösungen die Menschen wirklich erreichen können“, sagt Dr. Barbara Voß, Leiterin der Landesvertretung der TK in Hessen, „deshalb gehen wir durch Webcare, gemeinsam mit der HLS, direkt in das Wohnzimmer der Hilfsbedürftigen, die dann in Ruhe wählen können, ob sie das Angebot annehmen möchten oder nicht.“

In Deutschland gelten offiziell etwa 560.000 Menschen als internetabhängig. Experten vermuten eine deutlich höhere Dunkelziffer. Etwa 25 Millionen „Gamer“ in Deutschland nutzen mehrmals im Monat Internetspiele am Computer, Laptop oder Smartphone. Davon sind etwa drei Viertel im Alter zwischen zehn und 19 Jahren sowie rund ein Viertel zwischen 20 und 39 Jahre alt. Aber nicht jeder Nutzer ist auch gleich mediensüchtig. „Gefährdet sind Menschen, die mehr als 30 Stunden in der Woche im Netz unterwegs sind und gleichzeitig ihr soziales Leben ausblenden“, sagt Benjamin Wockenfuß. Onlinesucht sei dabei nicht nur ein Phänomen der Jugend. Auch ältere Erwachsene könnten betroffen sein, von dem Drang in die virtuelle Welt abzudriften, so der Fachmann.

Ursachen für Mediensucht sind oft soziale Probleme und die Suche nach einer Welt, in der die Betroffenen erfolgreich und anerkannt sind und in der sie frustrierende Alltagserlebnisse kompensieren. Begleitet wird die Mediensucht häufig von anderen stofflichen Süchten oder psychischen Störungen. Diese Menschen spüren überdies durchaus, dass sie Hilfe benötigen, sie können jedoch dem Teufelskreis der Sucht nicht entrinnen. Das moderne Medium bindet sie zu stark und die Außenwelt erscheint ihnen zu fern. Das Projekt Webcare macht deutlich, wie stark sich die TK in Hessen für die Bedürfnisse der Menschen interessiert und versucht, bedarfsgerechte Angebote zu schaffen.

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