Logo

TK-Pflegestudie: Pflege eines Angehörigen ist kräftezehrend und belastet die Gesundheit

Frankfurt am Main. Fast 200.000 Menschen in Hessen sind pflegebedürftig. Drei Viertel (76 Prozent) der Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt; von diesen wiederum wird die große Mehrheit (73 Prozent) ausschließlich durch Angehörige betreut. Pflegende Angehörige sind unverzichtbar für die Versorgung. Aber die Pflege eines Angehörigen ist kräftezehrend und belastet die Gesundheit der Pflegenden. Das zeigt eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der Techniker Krankenkasse (TK), in der pflegende Angehörige zu ihrer Gesundheit sowie zu Belastungen und Unterstützungsmöglichkeiten befragt wurden.

Sechs von zehn Befragten in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland geben an, dass die Pflege sie viel von ihrer eigenen Kraft kostet – je höher die Pflegestufe, desto größer die Belastung. Ständig in Bereitschaft zu sein, strengt die pflegenden Angehörigen sehr an: Jeder Zweite fühlt sich oft körperlich erschöpft, jeder Dritte hin- und hergerissen zwischen den Anforderungen der Pflege und denen der Umgebung wie etwa Job oder Familie.

Die Studie hat auch nach den ausschlaggebenden Gründen, eine Pflegeaufgabe zu übernehmen, gefragt. Für fast die Hälfte der Pflegenden in Hessen sind dafür Pflichtgefühl und Familienzusammenhalt ausschlaggebend. Die Studie zeigt jedoch auch, dass dieser Zusammenhalt abnimmt, je jünger die Befragten sind. Während bei den über 65-Jährigen noch sechs von zehn Befragten familiäres Pflichtgefühl als Hauptgrund angeben, sind es bei den 50- bis 65-Jährigen noch 45 und bei den 18- bis 49-Jährigen nur noch 38 Prozent.

Die Ursachen dafür sind vielfältig: Die moderne Arbeitswelt fordert mehr Mobilität, so dass Eltern und Kinder seltener am gleichen Ort wohnen. Einstellungen zur Familie sind im Wandel und Single-Haushalte nehmen zu. „Unsere Daten zeigen, dass sich Familien aufgrund dieser Veränderungen zunehmend weniger um die Pflege von Angehörigen kümmern können. Im bisherigen Umfang wird die Pflege von Angehörigen künftig kaum mehr möglich sein. Deshalb denken wir über neue Modelle nach, in denen Pflege anders als heute organisiert ist“, sagt Dr. Barbara Voß, Leiterin der TK-Landesvertretung in Hessen.

Eine Vision der TK ist es, ein träger- und sektorenübergreifendes Betreuungsnetzwerk zu schaffen, das die Angehörigen bei der Pflege zu Hause unterstützt und entlastet. Im Fokus steht dabei der Gedanke, dass chronisch Kranke und Pflegebedürftige auch künftig möglichst lange in ihrem unmittelbaren Umfeld leben können. Professionelle Ansprechpartner sollten aus Sicht der TK für die Betroffenen im Rahmen dieses Versorgungsmodells 24 Stunden rund um die Uhr erreichbar sein und bei Bedarf Unterstützung wie etwa Besuche des Hausarztes oder Reha-Maßnahmen organisieren. Zudem sollte das Netzwerk weitere Hilfen für Angehörige wie Nachbarschaftshilfen oder auch Unterstützungsleistungen der Pflegeversicherung koordinieren, die bereits heute existieren. Die TK-Studie zeigt, dass ambulante Pflegedienste, die Nachtpflege, individuelle Pflegeschulungen zu Hause oder Pflegekurse in der Gruppe zwar bekannt sind, aber trotzdem wenig genutzt werden.

Zum Hintergrund: Das Pflegestärkungsgesetz
Zahlreiche Verbesserungen im Bereich der häuslichen Pflege sollen pflegende Angehörige ab dem kommenden Jahr entlasten. Hintergrund ist das erste Pflegestärkungsgesetz. Im Zuge dessen soll ein Pflegevorsorgefonds eingerichtet werden mit dem Ziel, die Beiträge zur Pflegeversicherung auch dann stabil zu halten, wenn in 20 Jahren die Generation der Babyboomer ins typische Pflegealter kommt. Mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr soll in den Fonds fließen. Um das Reformvorhaben finanzieren zu können, wird der Beitragssatz ab dem 1. Januar um 0,3 Prozentpunkte steigen – und um weitere 0,2 Prozentpunkte ab 2017 im Rahmen des zweiten Pflegestärkungsgesetzes, das einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfahren einführen will. Die bisherige Unterscheidung zwischen Pflegebedürftigen mit körperlichen Einschränkungen und Demenzkranken soll wegfallen.

Categories:

Alle Nachrichten, Gesundheit & Medizin