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Mehr Lohn aber auch mehr Überstunden bei hessischen Betrieben

Hessen. Der erwartete demografiebedingte Rückgang von Erwerbspersonen in den nächsten Jahren stellt viele Betriebe vor neue Fragen. Wie kann unter diesen Voraussetzungen geeignetes Personal gefunden und gehalten werden? Dabei spielen Löhne und Gehälter sowie Arbeitszeiten eine zentrale Rolle, wenn es um die Attraktivität des Arbeitsplatzes und die Rekrutierung und Bindung von Beschäftigten geht. Was sich in den Betrieben 2013 getan hat, zeigen die aktuellen Ergebnisse des IAB-Betriebspanels zu personalpolitischen Maßnahmen. Befragt wurden 1.000 hessische Arbeitgeber.

Die Studie kommt zu folgenden Ergebnissen:

– Durchschnittslöhne stiegen wieder an. Der durchschnittliche Bruttolohn lag im Juni 2013 bei 2.481 Euro und somit 144 Euro höher als 2011 (Zeitpunkt der letzten Befragung).
– Übertarifliche Entlohnung wurde häufiger eingesetzt; erreichte aber mit einem Anteil der Betriebe von 45 Prozent noch nicht das Vorkrisenniveau.
– Durchschnittliche Wochenarbeitszeit blieb konstant bei 39,3 Stunden.
– Anteil der Betriebe mit Überstunden nimmt mit 55 Prozent deutlich zu.
– Arbeitszeitkonten werden wieder mehr eingesetzt (39 Prozent).

In Hessen herrschen große Lohndifferenzen zwischen den Wirtschaftszweigen. Der höchste Pro-Kopf-Bruttolohn wird im Verarbeitenden Gewerbe gezahlt (3.310 Euro). Ebenfalls hoch sind die Löhne und Gehälter bei den wirtschaftsnahen und wissenschaftlichen Dienstleistungen sowie im Öffentlichen Dienst. Qualifikationsniveau und Betriebsgröße spielen bei den Unterschieden eine Rolle. So liegt zum Beispiel laut IWAK-Betriebsbefragung der statistische Durchschnittsverdienst in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigen bei nicht einmal 1.400 Euro.

Der Trend zu längeren Wochenarbeitszeiten hat sich nach der Wirtschaftskrise nicht weiter fortgesetzt. Die niedrigste durchschnittliche Wochenarbeitszeit findet sich mit 38,9 Stunden im Bereich der Sonstigen Dienstleistungen, zu dem auch die Gesundheits- und Sozialberufe zählen. Die höchsten Arbeitsvolumina von Vollzeitbeschäftigten sind in der Öffentlichen Verwaltung zu finden. Die dort vereinbarten 40,2 Stunden sind zugleich der höchste Wert der letzten Jahre.

Der Anteil der Betriebe mit Überstunden nahm nicht nur deutlich gegenüber den Vorjahren zu, er liegt auch über den Werten, die zu Beginn des Jahrtausends erfasst wurden (2002: 50 Prozent). In 72 Prozent aller Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes und in  64 Prozent des Baugewerbes wurden 2013 Überstunden geleistet. Dies sind nicht nur die höchsten Werte aller Wirtschaftszweige, sondern es bedeutet auch einen Anstieg um 17 bzw. 13 Prozentpunkte binnen zwei Jahren. Vor allem Kleinst- und Kleinbetriebe setzten Überstunden ein.

Arbeitszeitkonten waren 2013 in der hessischen Wirtschaft so verbreitet wie noch nie. Gegenüber dem Vorjahr stieg der Anteil der Betriebe um zwölf Prozentpunkte an. 2002 lag der Anteil noch bei 21 Prozent. Je größer der Betrieb, umso mehr wurden Arbeitszeitkonten genutzt. So lag die Zahl der Großbetriebe bei 85 Prozent, die Zahl der Kleinstbetriebe aber nur bei etwa 31 Prozent.

Zusammenfassend stellt Dr. Frank Martin, Leiter der Regionaldirektion Hessen, fest, dass anhand der ausgewerteten Fragebögen kaum Hinweise zu finden sind, dass hessische Betriebe aktuell  Entlohnung oder Arbeitszeitgestaltung strategisch zur Mitarbeiterbindung oder –gewinnung einsetzen. Das sich in der nächsten Zeit etwas ändern wird, sei aber wahrscheinlich: „Besonders bei der Nachwuchsgewinnung haben die hessischen Betriebe Handlungsbedarf. Viele Ausbildungsplätze waren Ende September immer noch unbesetzt. Einige Betriebe versuchen bereits jetzt, durch eine höhere Ausbildungsvergütung oder Sonderprämien, wie die Übernahme der Führerscheinkosten oder Zuschüsse zur Miete in Ballungsräumen, ihre Attraktivität zu steigern.“

Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir bezeichnete dies als sinnvolle Ansätze, appellierte jedoch an die Betriebe, mehr zu tun, um den Nachwuchsbedarf dauerhaft zu decken: „Die Betriebe müssen sich der Herausforderung stellen und auch weniger leistungsstarken Jugendlichen mehr Chancen am Ausbildungsmarkt geben als bisher. Wir können es uns nicht mehr leisten, Jugendliche ohne Ausbildung zurückzulassen.“

Dr. Martin verwies auf Einstiegsqualifizierungen und ausbildungsbegleitende Hilfen der BA: „Diese zusätzlich unterstützende Maßnahmen können den auf den ersten Blick leistungsschwächeren Schulabgängern eine Perspektive eröffnen und eine Bindung an einen Betrieb ermöglichen.“

Hintergrundinformation
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) lässt seit 1993 jährlich Betriebe im Rahmen des IAB-Betriebspanels durch TNS Infratest Sozialforschung befragen. Die Auswertung für Hessen erfolgt durch das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur. Finanziert werden die hessischen Zusatzauswertungen durch das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit sowie den  Europäischen Sozialfonds.

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