Logo

Roland Stepan, Leiter des Kreisgesundheitsamts, über mögliche Auswirkungen des Mobilfunks auf die Gesundheit

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts besaßen 2014 knapp 94 Prozent der privaten Haushalte in Deutschland mindestens ein Mobiltelefon. Handys sind also Teil unseres Alltags, aber sind sie wirklich gut für uns?
Über die Vor- und Nachteile permanenter Erreichbarkeit lässt sich diskutieren. Über die Auswirkungen des Mobilfunks auf unsere Gesundheit im Moment nur spekulieren. Zu den Wirkungen elektromagnetischer Felder wird national und international intensiv geforscht. Und obwohl die Fachgremien – bei Einhaltung der Grenzwerte – derzeit nicht von Gesundheitsgefahren durch Mobilfunkfelder ausgehen, hält sich in Teilen der Bevölkerung die Sorge um mögliche Gesundheitsrisiken.
Das Thema ist so komplex wie die Datenlage. Im Interview informiert Roland Stepan, Leiter des Kreisgesundheitsamts, über den aktuellen Kenntnisstand, mögliche Vorsorgemaßnahmen und empfiehlt Quellen für all diejenigen, die tiefer in das Thema einsteigen wollen.

Wie ist der aktuelle Kenntnisstand zu Mobilfunk und Gesundheit? 
Ob der Mobilfunk Gesundheitsrisiken birgt, das ist eine Frage, die bereits seit Anfang der neunziger Jahre – als das erste digitale Mobilfunknetz aufgebaut wurde – öffentlich diskutiert wird. Bisher haben die Wissenschaftler keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen verschiedenen Erkrankungen oder Gesundheitsstörungen und den hochfrequenten elektromagnetischen Feldern des Mobilfunks nachweisen können.

Was weiß man über die biologische Wirkung elektromagnetischer Felder?
Hochfrequente elektromagnetische Felder werden vom Körper aufgenommen und können dort – abhängig von der Stärke und Frequenz der Felder sowie von den Eigenschaften und Strukturen des biologischen Gewebes – unterschiedliche Wirkungen hervorrufen. Kraftwirkungen beziehungsweise die Wärmewirkung der hochfrequenten Felder sind eindeutig nachgewiesen und physikalisch definiert worden.

Wie machen sich diese Wirkungen im menschlichen Körper bemerkbar? 
Ausschlaggebend für mögliche gesundheitliche Wirkungen hochfrequenter Felder ist die Wärmewirkung. Im Tierexperiment wurden zum Beispiel gestörte Stoffwechselvorgänge, Verhaltensänderungen und Störungen der Embryonalentwicklung nachgewiesen, wenn sich die Körpertemperatur über einen längeren Zeitraum um deutlich mehr als ein Grad Celsius erhöht hatte.

Wann kommt es denn im Zusammenhang mit den hochfrequenten elektromagnetischen Feldern zu dieser Temperaturerhöhung? 
Maßgebend ist hier die vom Körper absorbierte Energie. Basisgröße dafür ist die Spezifische Absorptionsrate (SAR). Sie gibt die Leistung an, die pro Kilogramm Gewebe absorbiert wird. Eine mindestens 30 Minuten auf den Körper einwirkende SAR in Höhe von vier Watt pro Kilogramm Gewebe bewirkt beim Menschen eine Temperaturerhöhung von etwa ein Grad Celsius. Der gültige Grenzwert liegt bei zwei W/kg.

Wer hat diesen Grenzwert definiert?
Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICNIRP) hat aus der Wirkschwelle Richtwerte für den Ganzkörperbereich (0,08 W/kg) und den Teilkörperbereich (2W/kg) abgeleitet. Diesen Werten haben sich sowohl die Weltgesundheitsorganisation  (WHO) als auch der Rat der Europäischen Union angeschlossen. In Deutschland sind die gesetzlichen Grenzwerte, die den ICNIRP-Richtlinien entsprechen, in der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes festgeschrieben.

Woher weiß man, ob das eigene Mobiltelefon einen unkritischen SAR-Wert hat? 
Handys, die in Deutschland und europaweit verkauft werden, müssen den SAR-Wert einhalten. Unter anderem ist auf der Website des Bundeamts für Strahlenschutz (www.bfs.de) unter dem Stichwort „SAR Suche“ ein umfangreiches Verzeichnis der SAR-Werte gebräuchlicher Handy-Modelle abrufbar. Dort können sich Verbraucher selbst informieren, wie strahlungsarm ihr Telefon tatsächlich ist.

In 2013 hat die Internationale Krebsforschungsagentur (IACR) Mobiltelefone  als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft. 
Ja, es gab Hinweise auf eine Steigerung des Risikos für Vieltefonierer, die schon sehr früh und sehr lange ein Handy nutzten. Diese Risikosteigerung bezog sich auf zwei bestimmte Formen von Gehirntumoren – Gliome und Akustikusneurinome. Allerdings sind bei dieser Studie, die den Namen „Interphone“ trägt, einige Fragen offen geblieben.

Wo kann man sich im Detail über Studienergebnisse zu diesem Thema informieren? 
Eine umfassende Übersicht über die deutsche und internationale Forschung bietet das EMF-Portal der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Informieren kann man sich ferner bei der WHO, der Internationalen Strahlenschutzkommission oder der deutschen Strahlenschutzkommission.

Die Landesärztekammer Baden-Württemberg empfiehlt jedenfalls einen vorsichtigen Umgang mit Mobilfunktelefonen. 
Ja, es gibt zwar bislang keine Forschungsergebnisse, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen verschiedenen Erkrankungen und elektromagnetischen Feldern nachweisen konnten. Allerdings konnten auch Gefahren für die menschliche Gesundheit dort noch nicht ausgeschlossen werden, wo bisher kein eindeutiger Wirkmechanismus festgestellt werden kann. So begründet die Landesärztekammer ihre Empfehlung.

Gibt es konkrete Vorsorgeempfehlungen? 
Auch diesbezüglich wird man beim Bundesamt für Strahlenschutz fündig. Dort gibt es Verhaltenstipps, beispielsweise das Festnetz zu bevorzugen, die Telefonate mit dem Handy möglichst kurz zu halten, möglichst nicht bei schlechtem Empfang zu telefonieren, Head-Sets zu nutzen oder von der Möglichkeit der SMS Gebrauch zu machen. Verhaltenstipps gibt es auch für Besitzer von Smartphones. Grundsätzlich empfehlenswert ist es sicherlich, Mobiltelefone möglichst wenig und kurz zu benutzen – das gilt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen.

Categories:

Gesundheit & Medizin