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Hessen-Caritas-Vorsitzender Manderscheid fordert Anhebung der Altersgrenze im neuen Programm InteA für alle jungen Flüchtlinge bis 25 Jahre

Ist Bildung für junge Flüchtlinge eine Frage des Alters? „Ja!“, sagt Dr. Hejo Manderscheid, Vorsitzender der Hessen-Caritas und Direktor des Diözesancaritasverbandes Limburg. Zum Ende des Schuljahrs 2014/2015 ist das bisherige Bildungsprogramm EIBE („Programm zur Eingliederung in die Berufs- und Arbeitswelt“) ausgelaufen – und mit ihm auch die Möglichkeit für junge Flüchtlinge über 17 Jahren, die so wichtigen Kurse an Berufsschulen zu absolvieren. „Zwar gibt es zum neuen Schuljahr das Folgeprogramm InteA („Integration und Abschluss“), das das Hessische Kultusministerium gemeinsam mit dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration aufgelegt haben. Das begrüßen wir ausdrücklich. Allerdings steht dieses im Gegensatz zu EIBE nur Flüchtlingen und Neu-Zuwanderern im Alter von 16 und 17 Jahren offen“, erläutert Manderscheid. Und das ist ein riesiges Problem, wie auch Miriam Sehr, Abteilungsleiterin an der Limburger Adolf-Reichwein-Schule, berichtet: „Allein an unserer Schule mussten 60 junge Flüchtlinge aufgrund der InteA-Rahmenbedingungen abgewiesen werden.“

Dass InteA mit seiner Altersgrenze bis einschließlich 17 Jahre zu kurz gedacht ist, zeigt sich, wie Manderscheid erläutert, auch an Erfolgsgeschichten wie die von Awet F., der 1990 in Eritrea geboren wurde. Ohne die in EIBE eröffnete Chance auf Deutschsprachunterricht und Berufsvorbereitung wäre diese nicht möglich: „Awet F. hatte Glück, dass er noch an EIBE teilnehmen konnte und durch ein Berufspraktikum einen Ausbildungsplatz bei der Limtronik GmbH in Limburg bekommen hat“, sagt Manderscheid. Der junge Mann hat schon Einiges an beruflicher Qualifikation vorzuweisen, hat er doch nach dem Besuch der Grund-, Mittel- und Oberschule in seiner Heimat Eritrea bereits ein Hochschulstudi-um Erziehungswissenschaften abgeschlossen. Seit Herbst 2012 ist er in Deutschland, wo er an der Kreisvolkshochschule in Limburg zwei Jahre Deutsch gelernt hat, parallel die Fachoberschule als Gastschüler besucht und zudem zwei betriebliche Praktika absolviert hat und anschließend – dank der Ausnahmeregelungen von EIBE – zehn Monate als Seiteneinsteiger an der Limburger Adolf-Reichwein-Schule am Berufsvorbereitungskurs teilnehmen konnte.

Jungen, hochmotivierten Flüchtlingen wie Awet F. eine Ausbildung und damit Chancen für die Zukunft zu bieten, das ist das Credo von Michael Schwertel, Leiter der Aus- und Weiterbildung bei der Limtronik GmbH, einem Limburger Spezial-Unternehmen der Elektronischen Baugruppen-Fertigung, die Awet F. zum 1. August einen Ausbildungsplatz als Industrieelektriker angeboten hat. „Herr Awet F. ist ein äußerst engagierter, talentierter, fleißiger und zuverlässiger Auszubildender, der sich gut in unseren Betrieb integriert und von uns und seinen Kollegen sehr wertgeschätzt wird“, so Schwertel. „Wir, die Limtronik GmbH, stehen der aktuellen Flüchtlingssituation offen gegenüber und setzen alles daran, die Potenziale, welche sich aus der aktuellen Zuwanderung ergeben, zu erschließen. Dies ist ein wichtiges Instrument, um dem steigenden Fachkräftemangel, auch im Raum Limburg-Weilburg, entgegenzuwirken“, so der Ausbildungsleiter. Und weiter: „Man begegnet sehr motivierten und intelligenten jungen Menschen, die einer fundierten beruflichen Entwicklung und Integration und somit auch ihrem persönlichen Erfolg positiv entgegenblicken. Unser Ziel ist es in diesem Zusammenhang, den zukünftigen potenziellen Mitarbeiter im Rahmen seiner Möglichkeiten bestmöglich auszubilden, ihn bei seinem Start in das Berufsleben zu unterstützen und über die Einstiegsqualifizierung EQ oder gegebenenfalls auch direkt in unserem Konzept der Stufenausbildung bei Limtronik zu integrieren“, erläutert Schwertel.
„Wir brauchen solche tollen Beispiele wie die Limtronik GmbH – und flexiblere Altersgrenzen“ sagt Manderscheid. „Wir haben schon jetzt eine große Zahl von jungen Menschen in den Flüchtlingswohnhei-men, die Deutsch lernen wollen, aber vor allem eine Chance auf Allgemeinbildung und einen Schulab-schluss brauchen – und anschließend auch berufliche Perspektiven“, sagt Manderscheid.

Dass die Altersgrenze von InteA ein Problem ist und längst nicht nur Einzelfälle betrifft, das bestätigt auch Sabine Weckert, Lehrerin an der Gewerblichen Schule in Dillenburg, einer InteA-Schwerpunktschule: „An unserer Schule ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Flüchtlinge in EIBE kontinuierlich gestiegen, und wir haben sehr gute Erfahrungen mit ihnen gemacht“, so Weckert. „EIBE hat sich zu einem Erfolgsprogramm für viele Flüchtlinge entwickelt, denn nahezu alle haben innerhalb der ein bis zwei Jahre den Schulabschluss erreicht – und durch die zwei bis vier Betriebspraktika haben einige einen Ausbildungsplatz gefunden.“ Denn die Betriebe hätten gemerkt, wie hochmotiviert und arbeitswillig die jungen Flüchtlinge sind. „Mit dem neuen Schuljahr ist jedoch zu unserem großen Bedauern alles anders“, sagt die Lehrerin. „Wir haben eine große Zahl von Flüchtlingen zwischen 18 und 25 Jahren aus den Flüchtlingsheimen unter anderem im nördlichen Lahn-Dill-Kreis auf unserer Anmeldeliste, die seit einem Jahr darauf warten, dass es endlich mit der Schule losgeht – und wir dürfen sie nicht an unserer Schule aufnehmen.“ Die Enttäuschung ist immens – bei den Jungen und Mädchen, aber auch bei den vielen Engagierten, die ihnen Deutschunterricht zur Vorbereitung gegeben haben. „Diese Entscheidung des Sozial- und des Kultusministeriums ist so unsinnig und von keinem nachvollziehen!“ Ihr dringender Appell lautet daher: „Die Altersbegrenzung von InteA muss im Interesse aller nach oben erweitert werden – damit die Schulen, die in Hessen ab diesem Schuljahr InteA anbieten, Flüchtlinge nach ihren Kapazitäten und nicht nach einer starren Altersgrenze aufnehmen dürfen!“

Gerade mit Blick auf steigenden Flüchtlingszahlen betont Manderscheid. „InteA ist wichtig, greift aber viel zu kurz durch die nach oben zu niedrige Altersgrenze. Wir appellieren deshalb an die hessische Landesregierung, die jetzt von der Großen Koalition in Berlin angekündigten drei Milliarden Euro für die Länder und Kommunen nicht nur für die Unterbringung und Erstversorgung von Flüchtlingen zu verwenden – sondern in die Bildung von jungen Menschen auch über 17 Jahren zu investieren.“

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