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Seit mehr als 130 Jahren beobachten Forstwissenschaftler Hessens „Grüne Lunge“

Wie kommt unser Wald mit dem Klimawandel zurecht? Muss die Bevölkerung vor gefährlichen Raupen geschützt werden? Wie sollten Försterinnen und Förster den Wald pflegen, damit er möglichst stabil wächst? Mit diesen bzw. ähnlichen Fragen beschäftigen sich Forstwissenschaftler seit mehr als 130 Jahren. „Diese angewandte Forschung liefert für uns Praktiker wertvolle Hinweise“, lobte Detlef Stys, stellvertretender Leiter des Landesbetriebs Hessen-Forst, anlässlich des 10-jährigen Bestehens der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA).

Bereits im Jahr 1885 legte die damalige hessische Forstliche Versuchsanstalt in Rüdesheim eine erste forstliche Versuchsfläche an. Bis heute wird sie untersucht. Ziel war es, das Wachstum bestimmter Baumarten auf unterschiedlichen Standorten bei gleicher waldbaulicher Pflege zu untersuchen. Die Ergebnisse sind das Fundament heutiger Wachstumsmodelle. Sie stellen eine unverzichtbare Arbeitsgrundlage für die Pflege- und Nutzungsplanung dar.

Borkenkäfer im Visier
Unserem Wald soll es gut gehen. Deshalb untersuchen die Forstwissenschaftler, wie sich z.B. Borkenkäfer ausbreiten – sie entwickeln Methoden, um Massenvermehrungen zu verhindern. Försterinnen und Förster erhalten Praxisanweisungen, damit sie den Wald effektiv schützen können. Aber auch die Gesundheit des Menschen ist ein wichtiges Gut: Insbesondere der Eichen-Prozessionsspinner kann heftige, allergische Reaktionen auslösen. Er wird deshalb genau untersucht – im Ernstfall geht der Schutz der Waldbesucher vor.

Naturschutz-Forschung hat hohen Stellenwert
Der wissenschaftliche Vergleich von Wirtschafts- und Naturwäldern liefert wertvolle Hinweise, welche Naturschutzmaßnahmen im Wald erforderlich und sinnvoll sind. Deshalb untersuchen die Forstwissenschaftler seit Jahrzehnten, wie sich die Artenvielfalt im bewirtschafteten Wald – im Vergleich zu benachbarten Naturwaldflächen – entwickelt. Aufbauend auf diesen und anderen Forschungsergebnissen leiten sie Strategien für den Waldnaturschutz ab.

Richtige Herkunft  –  sichere Zukunft
Buche ist nicht gleich Buche, Fichte nicht gleich Fichte. Je nach Herkunft weisen die Bäume einer Baumart deutliche genetische Unterschiede auf. „Für die Stabilität eines Waldes ist es wichtig, dass die richtigen Herkünfte auf den jeweiligen Standorten wachsen – denn ein Baum, der genetisch an sumpfige Täler angepasst ist, wird auf steinigen Hochlagen mit zunehmendem Alter Probleme bekommen“, erläuterte Stys am Rande der Feierlichkeiten. Deshalb führt die NW-FVA Herkunftskontrollen durch, legt Samenplantagen an und gibt Herkunfts-Empfehlungen zum Anbau standortgerechter Baumarte‎n.

Fit für den Klimawandel?
Forstwissenschaftler und Förster müssen langfristig denken – in Jahrhunderten. Neuerdings helfen hierbei IT-gestützte Modelle, die z.B. die Waldentwicklung unter dem Einfluss des vorhergesagten Klimawandels simulieren. Die Wissenschaftler der NW-FVA entwickeln solche Projektionen insbesondere für verschiedene Klimaszenarien, langfristige Grundwasserabsenkungen und Durchforstungsvarianten. Sie sind für die Förster eine wertvolle Entscheidungshilfe, um heute die richtige Waldpflege einzuleiten – damit unser Wald auch in 150 Jahren stabil wächst.

Hintergrund:
Die NW-FVA wurde am 1. Februar 2006 gemeinsam von den Ländern Hessen, Niedersachen und Sachsen-Anhalt per Staatsvertrag gegründet. Seit 2011 ist Schleswig-Holstein das vierte Trägerland. Die Versuchsanstalt ist zuständig für die praxisnahe Forschung und Beratung aller Waldbesitzarten. Im Dienste des Waldes arbeiten dort ca. 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Erste Vorgängerinstitutionen in Hessen waren die 1871 gegründete Preußische Forstliche Versuchsanstalt sowie die 1882 gegründete Hessische Forstliche Versuchsanstalt.

Die ausgesprochen langfristig beobachteten Versuchsflächen liefern wichtige Informationen über die Reaktionen der Baumarten auf Behandlungseffekte und sich ändernde Umweltbedingungen (Stoffeinträge aus der Luft, Klimawandel), die sowohl bei der standortsabhängigen Baumartenwahl, als auch bei der Entwicklung von Pflege- und Nutzungskonzepten von großer Bedeutung sind.

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Umwelt & Tourismus