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Jugendlichen mit massiven Problemen durch fachliche Vernetzung gezielt helfen

Vogelsbergkreis. Der Vogelsbergkreis gilt hessenweit als vorbildlich in der ambulanten psychiatrischen Versorgung für Erwachsene – und dies bereits seit über 15 Jahren. Was dort erfolgreich wirkt, soll nun auch im Bereich der Jugendpsychiatrie der Standard werden: die kontinuierliche Kooperation aller Fachleute, die mit einem „Fall“ zu tun haben. Hierzu haben 13 Institutionen bzw. Fachleute einen Vertrag unterzeichnet. Zielgruppe sind „Kinder und Jugendliche mit einem komplexen Hilfebedarf“. Hessenweit einzigartig ist im Vogelsbergkreis die Einbeziehung der Schulen in dieses Konzept, was ihm ausdrückliches Lob von Ministerialdirigentin Susanne Nöcker vom Hessischen Sozialministerium einbrachte.

„Vorbeugung statt reparieren“

Vier Jahre wurde das Konzept inhaltlich vorbereitet – jetzt kann es im Frühjahr 2009 beginnen. Hessen unterstützt landesweit zehn solcher Projekte – vor allem, um die Prävention voran zu treiben. Es müsse das Prinzip gelten „Vorbeugen statt reparieren“. Den Schulen mit Abteilungen für Erziehungshilfe – in Alsfeld, Lauterbach, Schotten, Grebenhain, Schlitz, Homberg und Mücke – komme in dem neuen Konzept eine herausragende Bedeutung zu, betont Landrat Rudolf Marx.

Als einen „kraftvollen Schritt zum Nutzen von Jugendlichen, die massive Probleme haben“ bezeichnete der Landrat den nun feierlich unterzeichneten Vertrag zum Kooperationsverbund zwischen Jugendamt und zwölf Partnern im Bereich Jugendhilfe, Jugendpsychiatrie, der Schulen sowie der Sucht- und Drogenberatung. Der Jugenddezernent und die Sprecherin des Projekts, Diplom-Psychologin Beate Otte-Frank, waren sich anlässlich der Vertragsunterzeichnung vor wenigen Tagen im Kreishaus in Lauterbach einig, dass die nun vereinbarte dauerhafte fachliche Vernetzung positive Effekte sowohl bei der Vorbeugung als auch in der Krisenintervention haben werde.

Susanne Nöcker nannte das Vogelsberger Konzept „vorbildlich“ und dankte für das heraus ragende Engagement der regionalen Akteure beim Zustandekommen der Vereinbarung und sagte die weitere Unterstützung ihres Ministeriums zu.

Komplexer Hilfebedarf?

Jugendliche mit einem komplexen Hilfebedarf – was kann man sich darunter vorstellen? Die Fachleute beschrieben ein Fallbeispiel (Name geändert): Dominik K. ist 13 Jahre alt. Er ist extrem aggressiv, besonders gegenüber seiner Mutter, aber auch gegenüber seinen Brüdern und seinen Schulkollegen. Seine Impulsausbrüche haben Jahr für Jahr zugenommen. Einen speziellen Förderbedarf hat die Abteilung für Erziehungshilfe seiner Schule bereits festgestellt und ist im Kontakt mit dem Schüler. Aber es ist noch mehr fachliche Unterstützung gefragt, denn es gibt auch Drogenprobleme, zumal der Vater unter Alkohol immer wieder gewalttätig wird. Die Mutter war zeitweise in ein Frauenhaus geflüchtet. Sie hat gegenüber dem Jugendamt mehrfach angedeutet, sie fühle sich stark überfordert.

Ziel des „Kooperationsverbundes zwischen Jugendhilfe, Sucht- und Drogenhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Schule im Vogelsbergkreis – Prävention und Krisenintervention“ ist es nun, dass mit Hilfe einer verlässlichen „Fallkonferenz“ – sozusagen mit „geballter Fachkompetenz“ auf einen solch ganz schwierigen Fall draufgeschaut wird und man sich verabredet, wie man ganzheitlich dem Betroffenen am Besten hilft. Vermieden werden soll vor allem, dass der Jugendliche mit all seinem belastenden Hintergrund auch noch „von Experte zu Experte weiter gereicht wird“. Alle Fachleute sollen vielmehr gemeinschaftlich beurteilen, wer was am Besten als Nächstes macht. Eine „koordinierende Bezugsperson“ – die verlässlich immer die gleiche bleibe – sichere Übergänge von einer Maßnahme in die andere und wirke wie ein „vertrauensvolles Scharnier“.

Diese „Klarheit in der Zusammenschau“ stabilisiere den Betroffenen zusätzlich – er könne in einem „konstanten Prozess, der keine fachlichen Widersprüche oder Lücken berge“ Vertrauen und Perspektive aufbauen. Nur wenn man alle Lebensumstände genau kenne, könne Hilfe wirklich gezielt und wirklich erfolgreich sein, dann können man den „komplexen Hilfebedarf“ wirklich sinnvoll organisieren, sagte Jugendamtsleiterin Dagmar Scherer.  „Vernetzung im Lebenskontext“ nennen das die Fachleute. Das Konzept setzt gezielt auf die Mitwirkung des Betroffenen. Er sei nicht Empfänger einer Leistung, sondern letztlich der entscheidende Akteur.

Wer kooperiert in dem neuen Verbund?

Klinik Jugendpsychiatrie Marburg, Ambulanz der Jugendpsychiatrie Marburg (Außenstelle Alsfeld), Amt für Jugend, Familie und Sport des Vogelsbergkreises, Staatliches Schulamt, AG § 78 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe), Albert-Schweitzer-Kinderdorf Hanau, Gemeinnützige Schottener Reha, Verein Hilfe für das verlassene Kind, Jugend- und Drogenberatung/Suchthilfe im Vogelsbergkreis, Verein Menschenskinder Schotten, Jugendpsychotherapeutin Barbara Schein, Lauterbach, Verein zur Pflege der Waldorfpädagogik Schlitz, Violeta Schlitz. Weitere interessierte Institutionen können dieser Vereinbarung noch beitreten, betont Jugendamtsleiterin Dagmar Scherer.

FOTO:

Jugendlichen mit komplexen Problemen gezielt und verabredet helfen – Das Foto zeigt die Vertragsunterzeichnung im Lauterbacher Landratsamt mit Landrat Rudolf Marx (Mitte), links neben ihm Dagmar Scherer, Leiterin des Jugendamts, rechts neben dem Landrat die Sprecherin des Kooperationsprojekts, Diplom-Psychologin Beate Otte-Frank, und Referatsleiterin Susanne Nöcker aus dem Sozialministerium (zweite Reihe, hinter Marx und Otte-Frank).
Foto: Pressestelle Vogelsbergkreis

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