Logo

Urlaub mal ganz anders: Arbeiten für ein Stück alte Kulturlandschaft – Aktive Landschaftspflege statt Ausruhen und Genießen

090929_BergwaldprojektRhön. 18 Männer und Frauen verbrachten jetzt Urlaub der besonderen Art im Biosphärenreservat Rhön. Statt auszuruhen oder die Landschaft zu genießen waren sie aktiv in der Landschaftspflege und Lebensraumgestaltung tätig. „Ich will meinen Urlaub sinnvoll verbringen und etwas für die Natur und die Gesellschaft leisten“, sagt eine junge Frau, die im „normalen“ Leben als Beamtin tätig ist. So wie ihr ging es auch den anderen: Sie hatten sich beim Verein „Bergwaldprojekt e.V.“ mit Sitz in Würzburg ganz gezielt für einen Arbeitsurlaub angemeldet, der sie ins Biosphärenreservat Rhön führte.

Hier waren am Mathesberg bei Ehrenberg acht Hektar eines ehemaligen Fichtenbestandes von Kleinholz zu beräumen, um dem ursprünglichen Borstgrasen wieder eine Chance zu geben, sich anzusiedeln. Außerdem mussten am Rande des Roten Moors Karpatenbirken und Öhrchenweiden entfernt werden, damit die dort vorhandene seltene Hochstaudenflur auch in Zukunft ungehindert gedeihen kann.

Das „Bergwaldprojekt“ ist ursprünglich in der Schweiz entstanden und sollte die Wiederanpflanzung von Wäldern fördern, die aufgrund des Sauren Regens zerstört waren. Die Umweltorganisation Greenpeace und der World Wide Fund for Nature (WWF) förderten diese Ziele. „Das Motto war und ist, nicht zu reden, sondern anzupacken“, sagt Andreas Frieseke, selbstständiger Förster aus Dresden und Projektleiter beim „Bergwaldprojekt“. In der Rhön leitete er den Einsatz der beiden Gruppen am Mathesberg und am Roten Moor. Ewald Sauer von der Hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön koordinierte die Arbeiten.

Das „Bergwaldprojekt“ beschäftigt sich neben Neuanpflanzungen von Wäldern auch mit dem Zaunbau und zunehmend mit der Landschaftspflege. 2009 konnten insgesamt 45 verschiedene Projekte in ganz Deutschland realisiert werden – auf der Basis des unentgeltlichen Einsatzes von Freiwilligen. Rund ein Drittel bis 40 Prozent der Kosten müssen dabei von den verantwortlichen Stellen wie den Biosphärenreservaten oder Nationalparken getragen werden. Den Rest steuert der Verein bei – hauptsächlich sind das Spendengeldern von Privatpersonen, Unternehmen oder auch Gelder aus Fördermitgliedschaften. „Wir sind mittlerweile von der Nordsee bis in die oberbayerischen Alpen tätig. Unser Ziel ist es, den Freiwilligen verschiedene Arbeiten anzubieten. Daher kommt auch unser zunehmendes Engagement für den Arten- und Biotopschutz“, sagt Frieseke.

Ewald Sauer ist sehr froh darüber, dass der freiwillige, einwöchige Arbeitsurlaub im Biosphärenreservat Rhön zustande kam. „Wenn 18 hoch motivierte Leute eine Woche lang anpacken, dann sieht man, wie es vorangeht“, meint er. Am Osthang des Mathesberges ging es darum, einen bereits gerodeten ehemaligen Fichtenstandort wieder in Grünland umzuwandeln. Dafür mussten Äste und Zweige gesammelt und verbrannt werden – eine teilweise wirkliche Knochenarbeit für die Industriekaufleute, Banker, Studenten, Beamten, Ernährungsberater, Greenpeace-Mitarbeiter oder Rentner. „Wir wollen dazu beitragen, dass hier wieder das entsteht, für was der Berg bekannt ist“, sagt ein älterer Mann. Damit meint er einen traditionellen Balzplatz für die Birkhähne aus dem Roten Moor. „In den letzten Jahren wurden immer wieder Birkhühner hier gesichtet, aber eben nur sporadisch, weil sie der Fichtenwald abschreckte.

090929_Bergwaldprojekt1 090929_Bergwaldprojekt2Wenn wir aber eine sichere Population des Birkhuhns in der Rhön wieder aufbauen wollen, dann müssen wir die Lebensräume wieder so herrichten, dass sie geeignet sind. Das ist eine Aufgabe, die uns die EU stellt“, hebt Ewald Sauer hervor. Letztlich gehe es am Osthang des Mathesberges aber nicht nur um das Birkhuhn, sondern auch um die anderen Siedler der Offenlandbrutbereiche wie Wiesenpieper, Wachtelkönig oder Bekassine. „In den Randflächen, die wir schon vor Jahren beräumt haben, gibt es diese Vögel. Deshalb werden sie sich auch hier niederlassen, wenn die Fläche nicht wieder großräumig verbuscht“, weiß er. In Zukunft soll deshalb das komplette Gebiet eingezäunt und mit den Schwarzen Angus-Rindern eines ortsansässigen Landwirts beweidet werden. „Es darf keine höher wachsende Konkurrenz geben; dann kann sich der Borstgrasrasen gut entwickeln. Die Rinder werden Strauchgewächse gezielt verbeißen“, erklärt Sauer.

Für den Forstoberrat bringt die Umwandlung des ehemaligen Fichtenbestandes in Grünland auch einen Gewinn für das Landschaftsbild. „Mit dem beginnenden Borstgrasrasen haben wir den Mathesberg wieder als Bergerhebung heraus modelliert – so wie es Anfang des letzten Jahrhunderts war“, sagt er. Die Aufforstung mit Fichten habe vor rund 70 Jahren begonnen. Durch Wind- und Schneebruch sei der Bestand immer weiter geschädigt worden, so dass die Rodung eine logische Folge war. „Jetzt stellen wir das wieder her, was damals aufgegeben wurde – nämlich einen Ausschnitt aus der alten Kulturlandschaft mit traditioneller Nutzung.“ Der Borstgrasrasen sei europaweit stark gefährdet – und mit ihm die Pflanzengesellschaft aus Arnika, Türkenbundlilie, Blutwurz, Waldstorchschnabel und Silberdistel.

Für die nächsten Jahre hat auch die Hochstaudenflur im Naturschutzgebiet „Rotes Moor“ Dank des freiwilligen Arbeitseinsatzes innerhalb des „Bergwaldprojekts“ eine neue Überlebenschance. Insgesamt 25 Hektar ungenutztes Grünland befinden sich hier. Aufgrund der Feuchtigkeit kann die Wiese nicht mit schwerer Technik gemäht werden. „Früher haben die Bauern den ersten Frost abgewartet, damit sie den Boden betreten konnten. Das Gras haben sie als Einstreu für den Stall verwendet. Das waren hier klassische „Streuwiesen“, erklärt Ewald Sauer. Mit der Einstellung der Nutzung drohte die Fläche zu verbuschen. Doch die seltene Hochstaudenflur wird insbesondere gern von der Bekassine genutzt. „Wenn wir hier die Karpatenbirken und Öhrchenweiden beseitigen, dann hat sie weiterhin ihr Auskommen“, hebt Ewald Sauer hervor. Diese müssen jedoch per Hand entfernt werden, denn eine Beweidung der Fläche ist aufgrund der großen Feuchtigkeit nicht möglich.

Categories:

Alle Nachrichten, Umwelt & Tourismus