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Prinzip von Geben und Nehmen – Omas und Opas auf Zeit

070715_leihoma.jpgFamilie. Mit Oma und Opa an den Baggersee, auf den Spielplatz oder in den Zoo: Großeltern sind  für  Kinder unverzichtbar und für viele Eltern unersetzlich. Doch dass Jung und Alt unter einem Dach oder an einem Ort zusammen leben, ist nicht mehr selbstverständlich. Im Gegenteil: Ein Großteil der Kinder muss aufgrund der berufsbedingten Mobilität der Eltern auf Oma und Opa verzichten.

Foto: Max Colin Heydenreich

In einigen größeren Städten gibt es inzwischen Einrichtungen, die Senioren mit Familien in Kontakt bringen, die weit von den leiblichen Großeltern entfernt leben. Man findet sie unter dem Stichwort „Leihoma-Agentur“, „Leihoma-Service“ oder „Leihoma-Börse“. Obwohl die Idee von den „Großeltern auf Zeit“ nicht neu ist und sich andernorts bereits bewährt hat, gibt es im Raum Fulda bislang noch keine Vermittlungsstelle, die diesen Service anbietet.

„Ein Hauptproblem ist, dass sich viele nichts unter einer Leihoma oder einem Leihopa vorstellen können“, weiß Prof. Dr. Ludwig Spätling, Direktor der Frauenklinik des Klinikums Fulda. Der Mediziner hat im Jahr 2001 die Deutsche Familienstiftung ins Leben gerufen und engagiert sich insbesondere für werdende und junge Familien.

„Eine Leihoma ist weder Babysitter noch Haushaltshilfe, sondern bestenfalls ein weiteres Familienmitglied, das die Eltern entlastet und Freiräume für das Paar schafft, damit es auch mal Zeit füreinander hat“, erklärt Spätling.  

Die geliehenen Großeltern sollten Freude am Umgang mit Kindern haben und ganz praktische Fähigkeiten mitbringen. Geschichten vorlesen, Bilder malen, spazieren gehen, Spaghetti kochen, Plätzchen backen oder bei den Hausaufgaben helfen – Tätigkeiten, die Omas und Opas eigentlich leicht von der Hand gehen. Doch für diese Dienstleistungen bekommen die Leihgroßeltern in der Regel kein Geld. Ehrenamtliches Engagement ist also gefragt.

Darin scheint der Knackpunk zu liegen. Dass die Leihgroßeltern auf ehrenamtlicher Basis arbeiten, ist nach Meinung des Mediziners leichter umsetzbar als die Vermittlungsstelle ohne oder nur mit geringen finanziellen Mitteln zu betreiben. „Die Initiatoren müssten sich möglicherweise über Spenden der Eltern finanzieren.“

Dass der „Großeltern-Verleih“ auf ehrenamtlicher Basis funktionieren kann, beweist der Nachbarschaftsverein Fuldatal e.V. Seit zweieinhalb Jahren bringt der Verein in der nordhessischen Gemeinde Leihomas und -opas mit Familien zusammen, die Hilfe und Unterstützung suchen. „Inzwischen übersteigt die Nachfrage der Eltern sogar das Angebot an Senioren“, berichtet Vereinsmitglied Petra Herbst.

Wie die Vermittlungsarbeit konkret aussieht? Der Verein, der sich primär der Seniorenarbeit widmet, veranstaltet regelmäßig Spiel- und Gesprächskreise, zu denen Eltern mit ihren  Kindern und potenzielle Leih-Großeltern eingeladen sind. Dabei können alle Beteiligten über ihre Vorstellungen sprechen und testen, ob die Chemie stimmt. „Der Verein“, sagt Herbst, „ist in erster Linie Ansprechpartner bei Fragen oder Problemen. Der Rest läuft es eigentlich von selbst.“ Eine Vergütung im herkömmlichen Sinn gebe es nicht, aber das Prinzip von Geben und Nehmen habe sich bewährt.

Ob es in Fulda und Umgebung bald eine Leihoma-Agentur geben wird, bleibt abzuwarten. Zumindest darf man auf die Mehrgenerationenhäuser gespannt sein, die Jung und Alt wieder näher zusammenbringen wollen. Vielleicht finden Familien dort ihre Oma für alle Fälle und Senioren den Enkel nach Wunsch. (Dorit Heydenreich)

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