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Suizid noch oft totgeschwiegen!? Vortrag von Elisabeth Brockmann

Foto: Winfried MöllerFulda. Durch Suizid aus dem Leben zu scheiden sei nicht „freiwillig“ und die Menschen „ermordeten“ sich auch nicht selbst, deshalb seien Begriffe wie Freitod oder Selbstmord fehl am Platz und diskriminierend, so Referentin Elisabeth Brockmann, Diplom Sozialpädagogin und Geschäftsführerin von AGUS – Angehörige um Suizid, bei ihrem Vortrag „Trauer nach Suizid“ im Evangelischen Zentrum Haus Oranien. Eingeladen hatte der Arbeitskreis Trauerhilfe, christliches Netzwerk zur Trauerbegleitung.

Nicht erst seit dem Tod von Nationaltorhüter Robert Enke ist das Thema Trauer nach Suizid aktuell. Das zeigte auch die große Zahl von Betroffenen und Interessierten, die in den Luthersaal gekommen waren. Durch Suizid sterben mehr Menschen als durch Verkehrsunfälle und Suizid komme in jeder Bevölkerungsschicht gleichermaßen vor, sei nicht bildungs-, einkommens-, lebenstandart- und alterabhängig. Zu 75 % seien Männer betroffen und zurzeit sei eine deutlich Zunahme des Alterssuizids zu verzeichnen, so Elisabeth Brockmann.

Nach Feststellung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seien von einem Suizid mindestens 6 bis 23 Menschen, Eltern, Geschwister, Angehörige, direkt betroffen. Als besonders belastend definierte die Referentin, dass beim Suizid keine Begleitung und keine Verabschiedung möglich seien, sondern die Angehörigen würden unvorhergesehen mit dem Tod konfrontiert. Dies sei bei Unfällen oder Tod nach Krankheit, auch bei einem plötzlichen Tod, anders, weil man Erklärungsmöglichkeiten habe. Solche gäbe es bei Suizid nicht. Je nach Art der Selbsttötung sei auch der anschließende persönliche Abschied erschwert.

Damit bringe Suizid viele an ihre persönlichen Grenzen, auch Polizeibeamte, die den Toten fänden. Suizid gefährde den eigenen Lebensweg. Das eigene Selbstwertgefühl werde in Frage gestellt – er/sie hat nicht an mich gedacht oder ist nicht mir zu liebe am Leben geblieben- und  auch die Frage nach Mitschuld werde aufgeworfen. Meist würden die Angehörigen nicht offen zur Todesursache stehen können, weil Suizid über jahrhunderte negativ bewertet wurde.

Für viele Suizidtrauernde sei nicht vorstellbar im Leben wieder einmal Lachen oder eine neue Partnerschaft beginnen zu können. Referentin Elisabeth Brockmann betonte, dass  sich bei Suizidtrauernde die Trauer über viele Jahre hinziehe und „es manchmal ein Kampf von Tag zu Tag“ sei. In den ersten fünf Jahren nach einem Suizid seien alle Gedanken und Planungen vom Suizid bestimmt. Erst in den darauffolgenden fünf Jahren könnten Betroffene wieder lachen und sich anders orientieren. Wichtig sei auch zu wissen, dass Trauerbewältigung nach Suizid bei Erwachsenen und Kindern unterschiedlich sei. Kinder hätten ein Anrecht, entsprechend ihren Fragen, altersangemessen die Wahrheit zu erfahren. Trauer nach Suizid habe einen längeren und schwereren Verlauf und bedürfe oft auch therapeutischer Hilfe, wobei Therapeuten in der Trauerbegleitung nach Suizid über ein spezielles Wissen verfügen sollten. Das Leben danach brauche „Wegweiser“. Dabei spielten religiöse Fragen nach Sünde und kirchlicher Beerdigung  oft auch eine wichtige Rolle.  Das Umfeld müsse sich verletzter Begriffe wie „durch Suizid verstorbene sind psychisch krank“ oder Wut auf den Verstorbenen enthalten.

Elisabeth Brockmann bemängelte, dass es zu wenige Selbsthilfegruppen gebe, denn „was betroffene in Selbsthilfegruppen bieten können, können Nichtbetroffene nicht bieten“.

Auch Fulda sei in dieser Hinsicht ein „weißer Fleck“. Sie regte an sich Gedanken über die Schaffung einer  sollte zu machen und bot ihre Hilfe als Geschäftsführerin von AGUS an.

Die nächstgelegene Selbsthilfegruppe, die auf der Internetseite von AGUS zu finden ist, ist in Bad Kissingen.
Informationen und Hinweise erhalten sie bei der Evangelischen Gesamtgemeinde Fulda, Pfarrer Fried – Wilhelm Kohl, Tel.:0661-72408, der Katholischen Familienbildungsstätte, Erwin Schick, Tel.: 0661 – 928430 oder bei den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Trauerhilfe Fulda.

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