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Ferdinand Braun – ein eleganter und geschickter Experimentator

Fulda (mb). Er ist zweifellos einer der ganz großen Söhne Fuldas. „Unser Nobelpreisträger“, wie Fuldas OB Ferdinand Braun respektvoll betitelt. Ihm widmete die Stadt aus besonderem Anlass unter dem Motto „Ferdinand Braun – Ein Experimentator als Nobelpreisträger“ einen Vortragsabend mit dem Leiter des Archivs des Deutschen Museums München, Dr. Wilhelm Füßl. Vor 100 Jahren, genau am 10. Dezember 1909, hatte der Fuldaer Wissenschaftler und Tüftler in Stockholm gemeinsam mit dem Italiener Guglielmo Marconi den Nobelpreis für die drahtlose Telegraphie erhalten. Ein Film als Erstsemesterarbeit von Studenten des Fachbereichs Elektrotechnik der Hochschule Fulda über Braun sowie 50 Briefmarken- und Umschlagsentwürfe von Schülerinnen und Schülern der Gestaltungsklassen FOG 1 und 2 der Ferdinand Braun Schule zum gleichen Thema rundeten das Bild eines herausragenden Wissenschaftlers ab, der heute leider vielfach vergessen scheint.

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Faszinieren lassen

Welches „Label“ könne die Region noch deutlicher positionieren? Diese Frage hätten sich Fachleute während einer Runde des Regionalmarketings erst vor wenigen Tagen gestellt. Sehr schnell sei der Name Ferdinand Braun aufgetaucht, betonte Verwaltungschef Gerhard Möller. „Dabei ist uns rasch klar geworden, dass wir ein Potenzial aus eigenem historischem Fundus haben.“ Die Wiederkehr des 100. Jahrestages der Nobelpreisverleihung sei eine gute Gelegenheit, die Persönlichkeit Brauns erneut in Erinnerung zu rufen, „um uns von ihm faszinieren zu lassen.“

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Kein überragendes Ergebnis

Wer Ferdinand Braun war, was ihn auszeichnete und warum der Fuldaer Nobelpreisträger kaum bekannt ist, erläuterte Füßl in seinem Vortrag. Der 1850 (* 6. Juni) in Fulda geborene und 1918 (+ 20. April) in New York verstorbene Ferdinand Braun sei ein „wilhelminischer Physiker“ gewesen. Wegen der mangelnden theoretischen „Unterfütterung“ seiner Forschungen habe er mit den Großen seiner Zeit wie Max Planck oder Albert Einstein nicht mehr mithalten können. Füßl untermauerte seine These mit statistischen Zahlen. In seiner Schaffensphase habe Braun lediglich 150 Veröffentlichungen mit insgesamt 2456 Seiten herausgegeben. „Für eine 40jährige wissenschaftliche Tätigkeit ein nicht gerade überragendes Ergebnis“, wie der Leiter des Archiv des Deutschen Museums meint.

Neuerungen beobachtet

Nach einer „typischen Professorenkarriere“ entwickelte sich Ferdinand Braun „kontinuierlich zu einem außerordentlich eleganten und geschickten Experimentator“, wie ihm einer seiner Schüler Jonathan Zenneck später attestierte. Er habe die technischen Neuerungen seiner Zeit aufmerksam beobachtet. Seine Veröffentlichungen seien von „dezenter Kürze“, wie Füßl sagt: „Sie präsentieren auf zwei, drei Seiten die Ergebnisse einer experimentell durchgeführten Studie ohne viel Theorie.“ Braun war sich dieses Defizits offenbar bewusst. “Beim theoretischen Zurechtlegen einer Sache steckt bei mir der Haken“, soll er einmal gesagt haben. Braun war eben „nicht der große Theoretiker und Rechner“, wie Füßl auch an folgendem Beispiel schmunzelnd belegte. Als der Professor in einem Seminar 2 mal 25 rechnen wollte, stattdessen 2 mal 30 gerechnet habe, dann auf 60 kam und wiederum auf 50 abrundete. Der Erfinder der drahtlosen Telegraphie oder der „Braunschen Röhre“ war nun mal kein Freund der Zahlen.

Überlegenheit Brauns

Die „Wurzel“ oder den möglichen Ausgangspunkt für Ferdinand Brauns Interesse an der drahtlosen Telegraphie sieht Füßl in der Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt. Während Konrad Röntgens Untersuchungen ihn „nicht bewegten“, wandte sich der Wissenschaftler der Kathodenstrahlröhre zu. Zur „Braunschen Röhre“ hat er einige Veröffentlichungen verfasst, bald aber habe sich Braun der drahtlosen Telgraphie zugewandt. Im Dezember 1898 hatte Ferdinand Braun die Gesellschaft für Funkentelegraphie gegründet. 1903 entstand die „Gesellschaft für drahtlose Telegraphie“ (Telefunken) durch die Verbindung von AEG und Siemens, vor allem aber durch die Vereinigung der Systeme Brauns und Slabys, die mit Marconis System konkurrierten. Brauns Anordnung übertraf jedoch die Übertragungsreichweite Marconis um das Fünffache. Veröffentlichungen nach 1900 dienten dazu, die Überlegenheit seines Systems gegenüber dem Marconis zu verdeutlichen. Enttäuscht und aufgezehrt von den Streitigkeiten zog sich der Fuldaer Nobelpreisträger schließlich von der Weiterentwicklung der drahtlosen Telegraphie zurück. Dennoch konnte sich Ferdinand Braun als Sieger fühlen, so Füßls Resümee.

Gleichrichtereffekt entdeckt

1874 und 1875 veröffentlichte der Wissenschaftler mehrere Aufsätze, nachdem er festgestellt hatte, dass Schwefelsulfidkristalle den Strom in verschiedenen Richtungen unterschiedlich leiten. Dies ist die Eigenschaft eines Gleichrichters. Wechselstrom wird nur in einer Richtung durchgelassen. Ferdinand Braun hatte somit den Gleichrichter entdeckt, den Halbleiter, die Basis der modernen Elektronik. Für seine Entdeckung konnte Braun wiederum keine theoretische Erklärung geben. Das geschah erst in den späten 30er Jahren, viele Jahre nach dem Tod des Nobelpreisträgers.

Der junge Mathematiker

Die Rekrutierung seiner Mitarbeiter durch den Krieg lähmte schließlich die Forschungstätigkeit Brauns. Nach einem Sturz 1918 starb er in New York. Nur ein einziges Buch stammt laut Wilhelm Füßl aus der Feder des gebürtigen Fuldaers. Es ist das Kinder- und Jugendbuch „Der junge Mathematiker“. Dieses Buch stehe in der Tradition der volksbildenden Literatur. Mit dem „Jungen Mathematiker“ wende sich Braun an Jugendliche, um sie in die Geheimnisse der Zahl und der Rechenkunst einzuführen. Auch heute noch sei dieser Band zu empfehlen, der übrigens im Jahr 2000 neu aufgelegt worden ist. Das Buch „Der junge Mathematiker“ spiegelt den Braun wieder, den Füßl in all seinen Facetten vermitteln wollte. Braun hat in vielen Bereichen Neuartiges entdecken können. Teilweise sei er seiner Zeit um Jahrzehnte voraus gewesen. Streitigkeiten aber haben seiner Produktivität geschadet. Seine Theorieschwäche hat nach Ansicht des Referenten der Verleihung des Nobelpreises dennoch nicht geschadet.

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