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Klimaschutz – Interview mit Otto Evers und Martin Kremer

100209_KlimaschutzGersfeld. Für das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön stellt der Klimawandel eine besondere Herausforderung dar. „Die Veränderung des Klimas hat Auswirkungen auf die Menschen, die hier arbeiten, und auf den Tourismus. Als Biosphärenreservat sind wir eine Modellregion für nachhaltige Entwicklung. Deshalb sind wir unmittelbar dazu aufgefordert, nach Lösungen zu suchen, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“, äußerten jetzt der Leiter der Hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön, Otto Evers, und der Sachgebietsleiter Biosphärenreservat beim Landkreis Fulda, Martin Kremer, in einem Interview.

Was hat das Biosphärenreservat Rhön in den letzten Jahren getan, um die Bevölkerung für das Thema Klimawandel zu sensibilisieren?

Martin Kremer: Wir haben viele Exkursionen, beispielsweise zum Thema Biogas, angeboten. Seit zehn Jahren organisieren wir mit Partnern Veranstaltungen zur Energiegewinnung aus Holz; wir werben für regionale Kreisläufe, und wir weisen auf bislang vernachlässigte Alternativen zur Energiegewinnung hin, beispielsweise auf die Wasserkraft. Wir arbeiten eng mit Studenten zusammen, die im Rahmen von verschiedenen Arbeiten erforschen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf unsere Region direkt hat. Klimaschutz ist schon seit vielen Jahren ein Thema für uns.

Otto Evers: Wir sehen unsere Aufgabe darin, den Menschen der Region die Türen zu Informationen zu öffnen, die aus unserer Sicht für positive Beispiele beim Klimaschutz stehen. Da profitieren wir natürlich aus dem Netzwerk der Biosphärenreservate – sowohl deutschland- als auch weltweit.

Welche alternativen Energieformen sind sinnvoll für eine Region wie die Rhön?

Otto Evers: In der Vergangenheit sind Biogasanlagen prinzipiell als positiv angesehen worden. Wir müssen uns aber fragen, ob es sinnvoll ist, die dafür benötigten Rohstoffe über 20 bis 30 Kilometer oder sogar noch weiter zu transportieren, und wir müssen die Frage stellen, welche Rohstoffe das sind. Oft treten sie – wie bei Mais – in Konkurrenz zur traditionellen Landwirtschaft und gefährden deren Existenzgrundlage.

Wir verzeichnen jetzt schon einen Anstieg der landwirtschaftlichen Flächen, die für Maisanbau geeignet sind. Ein weiteres Thema ist die Photovoltaik. Bevor hier Freiflächen belegt werden, die für die Landwirtschaft geeignet sind, sollte überprüft werden, welche Dachflächen dafür in Frage kommen.

Martin Kremer: Anfang 2010 werden wir eine Exkursion in den Odenwald anbieten, bei der es um das Silieren von Gras als Alternative zum Mais in Biogasanlagen geht. Aus meiner Sicht ist die Energiegewinnung aus Holz für die Rhön ein wichtiges Thema. Das umfasst alle Möglichkeiten von der Pelletheizung bis zu Scheitholzkesseln.

Wenn wir über Holz informieren, dann rücken wir zentrale Anlagen wie die von Poppenhausen-Sieblos oder Einzellösungen wie die im Lothar-Mai-Haus in den Vordergrund. Bei der Förderung bewährt sich das enge Zusammenspiel zwischen der Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön und dem Verein Natur- und Lebensraum Rhön, der Träger- und Förderverein für den hessischen Teil des Biosphärenreservats Rhön ist.

An welchen Klimaschutzprojekten arbeiten Sie aktuell?

Martin Kremer: Unser neuestes Projekt ist die so genannte digitale Mitfahrzentrale. Aus der hessischen Rhön pendeln täglich 20 000 Menschen aus; viele davon bis in das Rhein-Main-Gebiet. Auf die Gesamtrhön bezogen sind das vielleicht sogar 60 000. Die meisten Autos sind aber nur mit einer Person besetzt. Wenn es gelingen würde, hier Fahrgemeinschaften zu gründen, dann wäre das ein sehr großer Beitrag zum Klimaschutz.Momentan gibt es solche Mitfahrzentralen nur für Ballungsgebiete, aber nicht für den ländlichen Raum. Mit dem Projekt sind wir inzwischen so weit, dass es demnächst von einigen Firmen der Region, beispielsweise von Bionade, getestet werden kann.

Otto Evers: Wir müssen die tägliche Fahrzeugbewegung reduzieren und damit eine höhere Lebensqualität erreichen. Wenn die digitale Mitfahrzentrale für die Rhön Erfolg hat, dann kann es auch gelingen, Auszubildende außerhalb von Fulda und Hünfeld bequem zu ihren Betrieben zu bringen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und immer höheren Fahrzeughaltungskosten würde sich auch für ältere Menschen eine Perspektive eröffnen, preiswert von A nach B zu kommen.

Worin sehen Sie weitere Chancen, dem Klimawandel zu begegnen?

Otto Evers: Ein Schwerpunkt unserer Tätigkeit ist es, Konzepte zur Regionalentwicklung anzustoßen. Für mich geht es dabei in erster Linie um die Stärkung regionaler Produkte, beispielsweise in der Gastronomie. Wir haben in der Rhön viele regionale Biere und Mineralwässer, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wenn diese Potentiale ausgeschöpft werden, dann hilft das, Transportwege zu minimieren und CO2 einzusparen.

Martin Kremer: Leider wird es kleinen Betrieben sehr schwer gemacht, wenn sie in solche regionalen Kreisläufe einsteigen wollen. Sie müssen viele bürokratische Hürden nehmen – Verbraucherschutzvorschriften, Hygiene- und Kennzeichenverordnungen, EU-Verordnungen – die einen unwahrscheinlichen Aufwand für sie bedeuten und umfangreiche Prüfmechanismen nach sich ziehen. Das schreckt viele ab. Deshalb ist es wichtig, gerade für Kleinerzeuger moderatere Lösungen zu finden, als das heute der Fall ist.

Welches Potential hat Ihrer Meinung nach die Wasserkraft, wenn es um alternative Energiegewinnung geht?

Martin Kremer: Der Freistaat Bayern steht bei der Wasserkraftnutzung sehr gut da und hat rund 90 Prozent der hier bestehenden Möglichkeiten ausgeschöpft. In Hessen gibt es ein deutlich höheres Ausbaupotential. Im Landkreis Fulda werden zurzeit 8,5 Millionen Kilowattstunden durch Wasserkraft erzeugt. Viele Anlagen sind aber nicht auf dem neuesten technischen Stand und nicht voll ausgelastet.

Wenn wir nur an den bestehenden Standorten eine Optimierung vornehmen würden, könnte man auf über zehn Millionen Kilowattstunden kommen. Die Wasserkraft ist eine Energie, die sehr konstant zur Verfügung steht; selbst im Hinblick auf den zu erwartenden Klimawandel wird sie in den Mittelgebirgen immer noch in ausreichender Form vorhanden sein. Ich bin deshalb sicher, dass das Wasserrad eine Renaissance erleben wird. Es ist wesentlich fischfreundlicher als eine Turbine und kann auch bei Niedrigwasser noch laufen. Wasserräder sind daher auch im Sinne des Naturschutz.

Das Biosphärenreservat Rhön hat vor kurzem die Stelle eines landwirtschaftlichen Beraters besetzt. Was versprechen Sie sich davon?

Otto Evers: Der Öko-Landbau kommt seit einiger Zeit deutlich besser weg als die konventionelle Landwirtschaft, was die Betriebsergebnisse, aber auch die Umwelt- und Klimabilanz betrifft. Im hessischen Vergleich nimmt die Rhön mit elf Prozent Ökobetrieben und 13 Prozent nach ökologischen Kriterien bewirtschafteter Fläche inzwischen eine Spitzenposition ein. Das sollten wir weiter ausbauen; in dieser Beziehung versprechen wir uns neue Konzepte. Den Ökolandbau sehen wir für die Rhön nicht nur bei den Gewinnen für die Landwirte als Option, sondern auch als Faktor zum Schutz der Umwelt und damit zum Schutz des Klimas.

Welchen Stellenwert haben Klimaschutzprojekte für ein Biosphärenreservat wie die Rhön?

Martin Kremer: Der Klimawandel hat letztlich Auswirkungen auf die Menschen, die hier arbeiten, und auf solche Bereiche wie den Tourismus. Deshalb sind wir also unmittelbar dazu aufgefordert, nach Lösungen zu suchen, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Otto Evers: Wenn wir es als Biosphärenreservat nicht schaffen, da besondere Akzente zu setzen, wäre das ein Stück Versagen. Das gilt nicht nur für den Klimawandel, sondern auch für solche Herausforderungen wie den Artenschwund oder die Probleme des demografischen Wandels. Das alles sind Haupteckpunkte, an denen sich die Zukunft der ländlichen Räume festmachen lässt. Aufgabe eines Biosphärenreservats ist es, ökonomisch, ökologisch und sozial eine ausgeglichene Entwicklung zu organisieren.

Foto: Carsten Kallenbach

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