Logo

Zum Vorstellungsgespräch ins Klassenzimmer – Zahlreiche Projekte für bessere Job-Chancen

100421_SchuleEichenzell. Komische oder zum Schmunzeln anmutende E-Mail-Adressen? Die Mädchen und Jungen im EDV-Raum der Eichenzeller Von-Galen-Schule wissen ganz genau, wovon Eva-Maria Deisenroth von der Personalentwicklung der Fuldaer R+S Solutions Holding redet. Wer sich über das Internet um eine Lehrstelle bewirbt, sollte schon bei der Wahl der E-Mail-Adresse darauf achten, beim möglichen neuen Arbeitgeber einen seriösen und möglichst guten Eindruck zu hinterlassen. Hierzu erhalten die Schüler an diesem Nachmittag genauso wichtige Tipps wie zum perfekten Bewerbungsfoto oder zu den stilistischen Besonderheiten eines Anschreibens. Als um 15.25 Uhr die Doppelstunde zu Ende geht, sind die Jugendlichen wieder ein Stückchen besser auf ihr späteres Berufsleben vorbereitet.

„Bewerbungs-AG“ nennt die Haupt- und Realschule ihr Pilotprojekt, das die derzeit 41 Freiwilligen an sechs bis sieben Nachmittagen für ihre Zeit nach der Schule fit machen soll. Ob Vorstellungsgespräch, Einstellungstest, Telefontraining oder Online-Bewerbung – jeder Themenkomplex hat auf der umfangreichen Agenda seinen Platz. Das Besondere: Die Referenten sind keine Lehrer, sondern absolute Praxis-Profis. Sie stammen aus Betrieben der Region, mit denen die Von-Galen-Schule schon länger intensiv im Bereich der Schüler-Praktika zusammenarbeitet.

Berufsvorbereitende Maßnahmen haben hier eine lange Tradition. Bereits seit zwölf Jahren gibt es eine wöchentliche Sprechstunde der Agentur für Arbeit, das Projekt „Von-Galen-Schule trifft Wirtschaft“ hat sich ebenfalls erfolgreich etabliert. „Mit diesen Maßnahmen wollen wir ein Gleis ins Berufsleben legen“, betont Claudia Lüderitz, die als Arbeitscoach an der Eichenzeller Schule tätig ist. Sie spricht vom so genannten „Klebeeffekt“, der durchaus erwünscht sei. Ein Schüler, der sich während seines Praktikums profilieren könne, werde möglicherweise vom Betrieb später als Auszubildender übernommen.

Eine „enge Verzahnung mit der regionalen Wirtschaft“ hebt auch Schulleiterin Christine Büttner hervor. Bestes Beispiel hierfür sind die Halbjahrespraktika der Hauptschüler, die sechs Monate lang einmal in der Woche deutlich mehr als nur in ihren Wunschberuf hineinschnuppern dürfen. Durch das Zusammenlegen von Arbeitslehre und dem Wahlpflichtunterricht sei es möglich, die Langzeitpraktika ohne Unterrichtskürzungen zu realisieren, so Büttner.

Zusätzliche enge Berührungen zwischen Schule und potenziellen Arbeitgebern ermöglichen die im vergangenen Jahr gegründeten Lernpatenschaften, der regelmäßige „Tag des Handwerks“ oder die „Woche der Berufserkundung“. Dabei haben die Unternehmen aus dem Landkreis die Chance, ihre Firmen und ihre Ausbildungsberufe vorzustellen. „Das ist für beide Seiten eine gewinnbringende Situation“, so Arbeitscoach Claudia Lüderitz. Für die Schüler, die mit dem Berufsleben konfrontiert würden, und für den Betrieb, der sich Nachwuchskräfte ganz genau anschauen könne. Auf diesem Weg hätten auch Kandidaten mit schlechteren Zeugnissen eine realistische Chance.

Die ersten Erfahrungen mit der neuen Bewerbungs-AG beurteilt Lüderitz „sehr positiv“. Die Schüler kämen aus eigenem Interesse und seien dementsprechend auch aufmerksam und intensiv bei der Sache. Die Tatsache, dass betriebliche Ausbilder und keine Lehrer vor der Klasse stünden, mache die Sache deutlich authentischer. Schulleiterin Christine Büttner hegt die Vision, das Projekt in Zukunft nicht nur auf freiwilliger Basis anzubieten, sondern zum Pflichtprogramm auszubauen. „Schön wäre es, noch mehr Praxis in den Unterricht einzubauen“, fügt sie an, wohlwissend, dass dies eine Gratwanderung darstellt. Schließlich soll der Regelunterricht unter den berufsbildenden Maßnahmen nicht leiden.

Der römische Philosoph Seneca wusste es schon vor knapp zwei Jahrtausenden: „Non vitae, sed scholae discimus“ – „Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir“. Die Von-Galen-Schule in Eichenzell hat das eindrucksvoll verstanden.

Categories:

Alle Nachrichten, Bildung & Jobsuche, Jugend & Familie