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Erste digitale Mitfahrzentrale für den ländlichen Raum in Betrieb

Rhön. Wer vom hessischen Ehrenberg ins benachbarte fränkische Oberelsbach mit öffentlichen Verkehrsmitteln gelangen will, der müsste (rein theoretisch) den Umweg über Fulda und Schweinfurt und damit eine stundenlange Reise für die nur rund 12 Kilometer auf sich nehmen. Es kann auch anders funktionieren: Zum Beispiel einfach bei jemand ins Auto steigen, der diese Strecke sowieso mehrmals pro Woche oder täglich fährt. Die digitale Mitfahrzentrale Rhön, die jetzt unter www.mitfahrzentralerhoen.de offiziell an den Start ging, kann in solchen Fällen eine wertvolle Hilfe sein.

Mitfahrzentralen für Reisen zwischen großen Städten gibt es bereits sehr viele in Deutschland. Doch für derartige Verbindungen innerhalb eines ländlichen Raumes hat die Rhön jetzt absolutes Neuland betreten. Das Biosphärenreservat Rhön hat unter Federführung der Hessischen Verwaltungsstelle gemeinsam mit einer regionalen Firma die digitale Mitfahrzentrale Rhön entwickelt. Sie umfasst das Gebiet der Regionalen Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Rhön und damit die fünf Rhönlandkreise Bad Kissingen, Fulda, Rhön-Grabfeld, Schmalkalden-Meiningen und Wartburgkreis.

Die Idee dazu hatte ursprünglich Michael Müller, Mitarbeiter der Hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön. Ranger Hubert Heger, verrät Müller, musste nämlich vor einiger Zeit immer jeden Morgen seinen Sohn von Wüstensachsen nach Weyhers zur Ausbildung fahren, da es zwischen beiden Orten keine direkte Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gibt. „Ich habe mir damals gedacht: Eigentlich kann das nicht sein, denn es gibt ja viele, die auf dieser Strecke unterwegs sind und sich auch nicht sträuben, eine andere Person in ihrem Auto mitzunehmen“, meint Müller.

„Die Buslinien des öffentlichen Personennahverkehrs im Landkreis Fulda bedienen Fulda, Künzell und Petersberg schwerpunktmäßig. Aber alle Querverbindungen sind gerade für die Bewohner der Gemeinden des Biosphärenreservats Rhön ohne eigene Fahrmöglichkeit nur schwer herstellbar“, sagt der Leiter der Hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön, Otto Evers.

Von diesen Einschränkungen seien zum einen ältere Bürger betroffen, die nicht mehr im Familienverband leben; aber auch Jugendliche, die ihre Lehrstelle erreichen müssen und eben nicht ihren Arbeitsort rund um Fulda haben. In den meisten Fällen übernehmen dann Eltern oder Verwandte den Fahrdienst. „Das Modell einer solchen Mitfahrzentrale bietet sich für die Rhön an, denn gerade im Berufsverkehr sind auf den Strecken nach Fulda, Bad Neustadt oder Bad Salzungen die meisten Fahrzeuge nur mit einer Person besetzt“, sagt Evers.

Michael Müller sieht neben den über 50-Jährigen und den Schülern und Auszubildenden auch Touristen als potentielle Zielgruppe der digitalen Mitfahrzentrale Rhön, die mit dem Zug bis Gersfeld anreisen und dann nicht mehr wissen, wie sie an ihr eigentliches Ziel kommen sollen. „Wir haben die Seite deshalb auch sehr funktional aufgebaut und klar strukturiert, so dass sie leicht zu bedienen ist“, erklärt Müller. Jeder, der eine Fahrt eingeben will oder eine Mitfahrgelegenheit sucht, müsse sich vorher mit seiner E-Mail-Adresse und einem Kennwort anmelden. Über eine Schnellsuchfunktion kann dann der gewünschte Abfahrtsort eingegeben werden, und alle bereits eingetragenen Zielorte erscheinen. Zusätzlich wird die jeweilige Fahrt auf einer Karte dargestellt, so dass der Suchende von vornherein den genauen Streckenverlauf einsehen kann.

Wer auf www.mitfahrzentralerhoen.de eine Fahrt eintragen möchte, sollte daher auch die Orte zwischen Abfahrts- und Zielort mit angeben. Zusätzlich kann er eintragen, wie oft und zu welchen Zeiten diese Fahrten stattfinden. Auch eine Fahrzeugbeschreibung, wie viele freie Plätze vorhanden sind und eine Preisvorstellung sollten vermerkt werden. „Auf was sich die beiden Partner einigen, ist eine rein privatwirtschaftliche Sache. Uns interessiert das nicht; wir stellen lediglich die Plattform dafür zur Verfügung“, unterstreicht der Sachgebietsleiter Biosphärenreservat Rhön beim Landkreis Fulda, Martin Kremer.

„Auch das unterscheidet die Mitfahrzentrale Rhön von anderen Mitfahrzentralen: Wir verdienen damit kein Geld“, ergänzt er. Bislang seien rund 12 000 Euro in den Aufbau der Internetplattform investiert worden – und zwar aus eigenen Mitteln im Rahmen der Länder übergreifenden Zusammenarbeit der drei Verwaltungsstellen des Biosphärenreservats Rhön. Eine beantragte Förderung sei vom Bund abgelehnt worden – obwohl das Projekt dem Klimaschutz durch Vermeidung zusätzlicher Fahrten und eine höhere Auslastung der Fahrzeuge eindeutig zu Gute komme, wenn es Erfolg habe.

„Es sind einige Tausend Leute, die täglich von Thüringen aus in den Raum Fulda pendeln. Wenn es uns gelingt, diesen Verkehr etwas einzudämmen, indem eben nicht nur eine Person im Auto sitzt, sondern vielleicht zwei oder drei, dann haben wir natürlich etwas dafür getan, Emissionen einzusparen“, sagt auch der Leiter der Thüringer Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön, Karl-Friedrich Abe.

„Die digitale Mitfahrzentrale ist eine Infrastruktur, die bisher noch nicht da war. Aus meiner Sicht können sich daraus auch soziale Netzwerke entwickeln, nämlich zwischen Menschen, die sich vorher gar nicht kannten“, hebt Otto Evers hervor. Für den Leiter der bayerischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön, Michael Geier, kommt es insbesondere darauf an, für die digitale Mitfahrzentrale Rhön an den Berufsschulen der Region zu werben. Denn auch dort kämen viele Schüler mit dem Auto, und das eben auch oft als Einzelfahrer.

Wer es wünscht, kann sich per SMS darüber informieren lassen, dass jemand eine Mitfahrgelegenheit auf seiner angebotenen Strecke sucht, informiert Michael Müller. Dadurch werde es sogar möglich, sehr kurzfristig eine Fahrgemeinschaft bilden zu können. In der ersten Ausbaustufe enthält die digitale Mitfahrzentrale Rhön 362 Orte – nämlich die der ARGE Rhön-Kulisse. Dabei seien alle Ortsteile aufgeführt, unterstreicht Müller. In der endgültigen Ausbaustufe soll es dann möglich sein, Mitfahrgelegenheiten für die gesamte Bundesrepublik zu finden. Außerdem sollen dann auch Bewertungen abgegeben oder Profilbilder hochgeladen werden können.

Für Karl-Friedrich Abe geht die Idee einer digitalen Mitfahrzentrale für den ländlichen Raum weit über die Grenzen der Rhön hinaus. „Ich kann mir vorstellen, dass wir dieses Modell über den regelmäßigen Erfahrungsaustausch der Biosphärenreservate auch in andere Regionen transferieren“, sagt der Leiter der Thüringer Verwaltungsstelle.

Fotos: Carsten Kallenbach

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