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Experten ziehen erste Bilanz zum „Bologna-Prozess“

Fulda. Wie hat Bologna die Hochschullandschaft verändert? Diese Frage beschäftigte die Fachtagung „Hochschulen im Bologna-Prozess: erste Bilanz und neue Herausforderungen“, die am Mittwoch in der Hochschule Fulda stattfand. Der Bologna Prozess stellt die größte hochschulpolitische Reform seit bestehen der Fachhochschulen dar. Die damit verbundene europaweite Umstellung der Studienabschlüsse auf Bachelor und Master gehört zu den am meisten diskutierten hochschulpolitischen Reformen der letzten Jahre.

Haben sich die an den Bologna-Prozess geknüpften Hoffnungen erfüllt, Wo ist Kritik berechtigt, Wo besteht Handlungsbedarf, hinterfragten die Experten. Die Meinungen gingen schon bei den Begrüßungsreden stark auseinander. Der Präsident der Hochschule Fulda, Prof. Dr. Schopf wies darauf hin, dass die Hochschule Fulda als erste Hochschule Hessens alle Studiengänge auf Bachelor- und Masterabschlüsse umgestellt hat und unterstrich, dass die Reform eine große Chance für Fachhochschulen darstelle, bedauerte aber insbesondere, dass Studierende angesichts des straffen Stundenplans, keine eigenen Interessensschwerpunkte mehr setzten könnten.

Oberbürgermeister Gerhard Möller freute sich über das hohe Reformpotenzial und äußerte die Überzeugung, dass das Einlassen auf den Bologna Prozesse dem Standort Fulda dienen werde. Von Prof. Dr. Vogtmann, Vorsitzender des Hochschulrats und Präsident des Bundesamts für Naturschutz a.D., kamen kritischere Töne zum Bologna-Prozess, dessen Marktorientierung er besonders bemängelte.

Auch in den nachfolgenden Vorträgen gingen die Meinungen auseinander. Nachdem Vizepräsidentin Prof. Dr. Kohlenberg-Müller die Bedeutung des Bologna-Prozesses an der Hochschule Fulda dargestellt hatte und dabei das Ende der Differenzierungen zwischen Hochschularten bei Abschlüssen lobte, kritisierte Frau Prof. Dr. Labonté-Roset, Rektorin der Alice-Salomon Fachhochschule in Berlin, die mangelnde gegenseitige institutionelle Anerkennung von Studienabschlüssen im europäischen Raum. Insgesamt gehe der Prozess aber in die „richtige Richtung“.

Prof. Dr. Schneider, ein Mitglied des Akkreditierungsrats, hob die Vorteile des mit Bologna verbundenen Akkreditierungssystems als Qualitätssicherungsinstruments hervor. Der ehemaliger Leiter der mit Hochschulentwicklung befassten Abteilung im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK), Ministerialdirigent a.D. Helmut Weber, stellte die Frage, ob die neuen Instrumente der Hochschulsteuerung ausreichten, um die staatlichen Verantwortung für Qualitätssicherung zu gewährleisten. Er appellierte dabei an die Hochschulen eigenverantwortlich ihre Qualitätssicherungsinstrumente auszubauen.

Für nicht ausreichend erachtete dagegen die freiberufliche wissenschaftliche Beraterin für Gender und Diversity an Hochschulen, Frau Dr. Jansen-Schulz, die Einbeziehung von Gender-Aspekten bei der Akkreditierung neuer Studiengänge. Sie warnte davor, dass viele junge Frauen ihr Studium nach Erreichen des Bachelors beenden könnten ohne eine Masterstudium aufzunehmen.

Um die spezifische Situation von Fachhochschulen ging es im Vortrag der Präsidentin der Hochschule München, Prof. Dr. Schick. Sie wies besonders darauf hin, dass die Fachhochschulen im Zuge der stärkeren berufspraktischen Orientierung der Bachelor- und Masterstudiengänge ihr Alleinstellungsmerkmal gegenüber Universitäten verlören. Schick rief die Fachhochschulen dazu auf, gerade in Ingenieurstudiengängen neue Qualitätsstandards zu setzen

In der von der ehemaligen Vizepräsidentin, Frau Prof. Dr. Grewe, geleiteten Podiumsdiskussion wurde heftig über das Akkreditierungsverfahren gestritten. Prof. Dr. Geuer vom Fachbereich Elektrotechnik der Hochschule Fulda und Gutachter in Akkreditierungsverfahren bekräftigte die von vielen Teilnehmern geäußerte Auffassung, das Akkreditierungsverfahren sei zu restriktiv und behindere die Herausbildung individueller Studiengangsprofile.

Der Leiter der Akkreditierungsagentur AHPGS, Georg Reschauer, distanzierte sich von den Vorwürfen mit dem Hinweis, 75 % der Gutachter seien selbst Hochschullehrer. Dabei unterstützte ihn Monika Schröder von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), die auf die Bedeutung des Akkreditierungsverfahrens für die Qualitätssicherung hinwies.

Heftig diskutiert wurde über die Bedeutung der gestiegenen Arbeits- und Prüfungsbelastung. Teilweise wurde hier bemängelt, dass Studierende einer Belastung ausgesetzt seien, die jegliche eigenständige Vertiefung verhindere. Kontrovers wurde auch über die Akzeptanz des Bachlors auf dem Arbeitsmarkt gestritten. Während teilweise die Chancen von Bachelorabsolventen bezweifelt wurden, nannte Frau Dr. Seling von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mehrere Großunternehmen, die Bachelorabsolventen gerne einstellten, um diese in Traineeprogrammen auf ihre speziellen Bedürfnisse hin auszubilden. Abschließend war man sich einig, dass Bologna nicht nur eine Annährung an den europäischen Hochschulraum gebracht, sondern auch neue Chancen eröffnet habe.
 

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